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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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qiel't es nach Lord Derbys Meinung für England nichts zu thun; kam, eS
dagegen einen Angriff durch freundschaftliche Vermittlung verhüte", so würde
die am Orte sein, doch dürfte mau auf keinen Fall darüber Hinausgehen, Über
das Zerwürfnis Frankreichs mit China, das in Tonkin droht, beobachtete der
zukünftige Minister ein weises Schweigen,

Ob Derby mit diesen Ansichten die des Ministeriums Gladstone in allen
Punkten ausdrückt, ist ebenso zweifelhaft wie die Frage, ob er, wenn dies zu
verneinen wäre, auf die Entschlüsse des Premiers in den abweichenden Punkten
viel Einfluß ausüben würde. Gladstone wünscht seineu Eintritt in das Knbinet
schwerlich in der Hoffnung, er werde ihm behilflich sein, der bisherigen ägyptischen
Politik eine andre Wendung zu geben; denn diese steht in ihren Grundzügen
schon seit Monaten fest, und da Derby in deu auswärtigen Angelegenheiten
dein Geschehenlassen zugethan ist, so würde an dem Programm nichts geändert
werden, wenn er Minister wäre. Ferner ist seine Hinneigung zu Fraukreich mit
seiner durch nichts gerechtfertigten Befürchtung, ohne Zusammenhalten Englands
mit der Republik überm Kanale werde über den Kontinent Europas die Reaktion
hereinbrechen, schwerlich größer als die entsprechenden Gefühle bei Gladstone
selbst, bei Dilke und andern Mitglieder" des jetzigen Kabinets, und doch hielten
diese Gefühle die Herren nicht ab, die Franzosen am Nil ans dein Sattel zu
heben. Es ist daher gewiß nicht in erster Reihe die auswärtige Politik,
welche Derbys Aufnahme uuter die Kollegen Gladstones wünschenswert gemacht
hat. Vielmehr soll dieselbe zunächst wohl vorzüglich eine Verstärkung des
Einflusses des liberale" Ministerimus im Oberhause bewirken. Seitdem der
Herzog von Nrgyll ausgetreten ist und Lord Spencer als Vizekönig Irlands
meist in Dublin verweilt, fehlt in jeuer Körperschaft ein ausreichendes Gegen¬
gewicht gegen die wuchtige und ungestüme Opposition des konservativen Marquis
of Salisbury, und das scheint Derby liefern zu sollen. In Osterreich wird der
Name Lord Derbys keine besonders angenehmen Erinnerungen wecken. Man
wird sich besinnen, daß sein Zaudern und Schwanken die vor Ausbruch des
letzten Krieges auf der Balkanhnlbinsel dort vielfach gewünschte Annäherung
zwischen England und Österreich-Ungarn und ihre Verbindung zu gemeinschaft¬
lichem Handeln nicht zustande kommen ließ, und daß er uach seinem Rücktritte
vom Amte eine gewisse Rede hielt, in welcher er von der habsburgischen
Dynastie und deren Armee mit Geringschätzung sprach. Indeß kann man ans
dem Grunde, daß er auf die auswärtige Politik des jetzigen Ministeriums wenig
Einfluß haben wird, davon absehen,

Übrigens bedarf das gegenwärtige englische .Knbinet weiterer Umgestaltung
und Ergänzung, die indeß möglicherweise einige Zeit uns sich warten lassen
wird. Gladstone, Spencer, Kimberley nud Carlingford bekleiden zusammen
siehe" Ämter. Der Ministerpräsident hat keinen Grund mehr, die Geschäfte
des Schatzlanzlers zu verwalten. Die Arbeit dieses Postens, verbunden "ut


qiel't es nach Lord Derbys Meinung für England nichts zu thun; kam, eS
dagegen einen Angriff durch freundschaftliche Vermittlung verhüte», so würde
die am Orte sein, doch dürfte mau auf keinen Fall darüber Hinausgehen, Über
das Zerwürfnis Frankreichs mit China, das in Tonkin droht, beobachtete der
zukünftige Minister ein weises Schweigen,

Ob Derby mit diesen Ansichten die des Ministeriums Gladstone in allen
Punkten ausdrückt, ist ebenso zweifelhaft wie die Frage, ob er, wenn dies zu
verneinen wäre, auf die Entschlüsse des Premiers in den abweichenden Punkten
viel Einfluß ausüben würde. Gladstone wünscht seineu Eintritt in das Knbinet
schwerlich in der Hoffnung, er werde ihm behilflich sein, der bisherigen ägyptischen
Politik eine andre Wendung zu geben; denn diese steht in ihren Grundzügen
schon seit Monaten fest, und da Derby in deu auswärtigen Angelegenheiten
dein Geschehenlassen zugethan ist, so würde an dem Programm nichts geändert
werden, wenn er Minister wäre. Ferner ist seine Hinneigung zu Fraukreich mit
seiner durch nichts gerechtfertigten Befürchtung, ohne Zusammenhalten Englands
mit der Republik überm Kanale werde über den Kontinent Europas die Reaktion
hereinbrechen, schwerlich größer als die entsprechenden Gefühle bei Gladstone
selbst, bei Dilke und andern Mitglieder» des jetzigen Kabinets, und doch hielten
diese Gefühle die Herren nicht ab, die Franzosen am Nil ans dein Sattel zu
heben. Es ist daher gewiß nicht in erster Reihe die auswärtige Politik,
welche Derbys Aufnahme uuter die Kollegen Gladstones wünschenswert gemacht
hat. Vielmehr soll dieselbe zunächst wohl vorzüglich eine Verstärkung des
Einflusses des liberale» Ministerimus im Oberhause bewirken. Seitdem der
Herzog von Nrgyll ausgetreten ist und Lord Spencer als Vizekönig Irlands
meist in Dublin verweilt, fehlt in jeuer Körperschaft ein ausreichendes Gegen¬
gewicht gegen die wuchtige und ungestüme Opposition des konservativen Marquis
of Salisbury, und das scheint Derby liefern zu sollen. In Osterreich wird der
Name Lord Derbys keine besonders angenehmen Erinnerungen wecken. Man
wird sich besinnen, daß sein Zaudern und Schwanken die vor Ausbruch des
letzten Krieges auf der Balkanhnlbinsel dort vielfach gewünschte Annäherung
zwischen England und Österreich-Ungarn und ihre Verbindung zu gemeinschaft¬
lichem Handeln nicht zustande kommen ließ, und daß er uach seinem Rücktritte
vom Amte eine gewisse Rede hielt, in welcher er von der habsburgischen
Dynastie und deren Armee mit Geringschätzung sprach. Indeß kann man ans
dem Grunde, daß er auf die auswärtige Politik des jetzigen Ministeriums wenig
Einfluß haben wird, davon absehen,

Übrigens bedarf das gegenwärtige englische .Knbinet weiterer Umgestaltung
und Ergänzung, die indeß möglicherweise einige Zeit uns sich warten lassen
wird. Gladstone, Spencer, Kimberley nud Carlingford bekleiden zusammen
siehe» Ämter. Der Ministerpräsident hat keinen Grund mehr, die Geschäfte
des Schatzlanzlers zu verwalten. Die Arbeit dieses Postens, verbunden »ut


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/642>, abgerufen am 22.07.2024.