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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fischerin von Malamocco.

loser Verwunderung auf Tonlos Weib und den Pater. Und wie sich die junge
Frau allmählich faßte, aber dennoch jeden Zuspruch Girolamos mit traurigem
Kopfschütteln beantwortete, begriff der wackre Fährmann, daß er von dem ganzen
Vorgang nichts begreife und schicklicherweise nicht einmal lauschen dürfe. Er hielt
jetzt scharf auf die Südwestspitze der Giudecca zu und ruderte wohl eine Stunde
kräftig, ehe die neuen schmucklosen Klostergebäude dort, welche zum Teil noch
zwischen beschilftem Sumpf standen, deutlich sichtbar wurden. Battista wollte
nicht hören, was zwischen dem Pfarrer und Margheritci gesprochen ward, aber
er mußte doch vernehmen, daß die junge Frau beinahe heftig sagte: Ich werde
euch gehorchen, werde thun, was ihr von mir begehrt, mein Vater. Und was
meint ihr, was darnach geschehen soll? und daß der Pater ernst entgegnete:
Was wir auch dort oben erfahren mögen, noch heute muß Marecmtonio alles
wissen!

Das Boot glitt jetzt am Uferrande der Insel hin und legte an einer neuen
Steintreppe an, die aus dem Wasser in den Vorhof des Antoninsklosters hinauf¬
führte. Pater Girolamo mußte seiner wankenden Schutzbefohlenen ans Land
helfen. Er schritt stumm neben ihr über den Hof nach der Klosterkirche und
wies sie in den Hauptgang derselben, wo die erregte junge Fran sofort nieder¬
kniete und mit einer leidenschaftlichen Inbrunst, die er nie an ihr wahrgenommen,
zu beten begann. Der alte Priester blieb einige Schritte von ihr entfernt stehen
und betrachtete sie, während er andächtig der Messe folgen wollte, mit banger
Teilnahme. Das Wort seines ErzPriesters, daß der Mensch all ver¬
gangene Dinge nicht rühren solle, trat ihm mit einemmale wieder warnend vor
die Seele. Nun war es zu spät, dem Worte zu folgen; sowie die Messe zu
Ende ging, näherte sich Pater Girolamo dem Ohr der Knienden, die jetzt bleicher
aussah, als er sie je gesehen, und flüsterte: Bete Margherita, wozu dich das
Herz treibt. In einer Viertelstunde oder in wenig längerer Zeit bin ich wieder
bei dir, und du folgst mir gefaßt und giebst dich in Gottes Hand! Sie blickte
auf und gab ihm zu erkennen, daß sie seiner hier harren werde. Pater Giro¬
lamo entfernte sich in einen Seitengang und durch eine Pforte, welche ins
Innere des Klosters führten. Und noch ehe die Viertelstunde verstrichen war,
kehrte er zu der still betenden zurück, welche sich bei seinem Herannahen zitternd
und mit sichtlicher Mühe vom Boden erhob, und sagte feierlichen Tones: Jetzt
komm, jetzt ist's Zeit, Margherita! Der Allmächtige und alle Heiligen des
Himmels mögen mit deinem Eingang und Ausgang sein! (Schluß folqt.)






Die Fischerin von Malamocco.

loser Verwunderung auf Tonlos Weib und den Pater. Und wie sich die junge
Frau allmählich faßte, aber dennoch jeden Zuspruch Girolamos mit traurigem
Kopfschütteln beantwortete, begriff der wackre Fährmann, daß er von dem ganzen
Vorgang nichts begreife und schicklicherweise nicht einmal lauschen dürfe. Er hielt
jetzt scharf auf die Südwestspitze der Giudecca zu und ruderte wohl eine Stunde
kräftig, ehe die neuen schmucklosen Klostergebäude dort, welche zum Teil noch
zwischen beschilftem Sumpf standen, deutlich sichtbar wurden. Battista wollte
nicht hören, was zwischen dem Pfarrer und Margheritci gesprochen ward, aber
er mußte doch vernehmen, daß die junge Frau beinahe heftig sagte: Ich werde
euch gehorchen, werde thun, was ihr von mir begehrt, mein Vater. Und was
meint ihr, was darnach geschehen soll? und daß der Pater ernst entgegnete:
Was wir auch dort oben erfahren mögen, noch heute muß Marecmtonio alles
wissen!

Das Boot glitt jetzt am Uferrande der Insel hin und legte an einer neuen
Steintreppe an, die aus dem Wasser in den Vorhof des Antoninsklosters hinauf¬
führte. Pater Girolamo mußte seiner wankenden Schutzbefohlenen ans Land
helfen. Er schritt stumm neben ihr über den Hof nach der Klosterkirche und
wies sie in den Hauptgang derselben, wo die erregte junge Fran sofort nieder¬
kniete und mit einer leidenschaftlichen Inbrunst, die er nie an ihr wahrgenommen,
zu beten begann. Der alte Priester blieb einige Schritte von ihr entfernt stehen
und betrachtete sie, während er andächtig der Messe folgen wollte, mit banger
Teilnahme. Das Wort seines ErzPriesters, daß der Mensch all ver¬
gangene Dinge nicht rühren solle, trat ihm mit einemmale wieder warnend vor
die Seele. Nun war es zu spät, dem Worte zu folgen; sowie die Messe zu
Ende ging, näherte sich Pater Girolamo dem Ohr der Knienden, die jetzt bleicher
aussah, als er sie je gesehen, und flüsterte: Bete Margherita, wozu dich das
Herz treibt. In einer Viertelstunde oder in wenig längerer Zeit bin ich wieder
bei dir, und du folgst mir gefaßt und giebst dich in Gottes Hand! Sie blickte
auf und gab ihm zu erkennen, daß sie seiner hier harren werde. Pater Giro¬
lamo entfernte sich in einen Seitengang und durch eine Pforte, welche ins
Innere des Klosters führten. Und noch ehe die Viertelstunde verstrichen war,
kehrte er zu der still betenden zurück, welche sich bei seinem Herannahen zitternd
und mit sichtlicher Mühe vom Boden erhob, und sagte feierlichen Tones: Jetzt
komm, jetzt ist's Zeit, Margherita! Der Allmächtige und alle Heiligen des
Himmels mögen mit deinem Eingang und Ausgang sein! (Schluß folqt.)






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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/632>, abgerufen am 01.07.2024.