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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Kscherin von Malamocco.
Novelle von Adolf Stern.

(Fortsetzung.)

lief dies zog'und''wogte durch Margheritas Seele/indeß sie allein
in der einsamen Hütte schaltete, den Wohnraum mit ein paar
Schilfmatten an Thür- und Fensteröffnung vor der Mittngsglut
zu schlitzen suchte, indeß sie das Gerät im Vorraum der Hütte
ordnete und dazwischen nur Feuer stand, nur die einfache Kost zu
bereiten. Gewandt erfüllte sie alle ihre kleinen Pflichten, aber leicht wäre zu
sehen gewesen, daß sie mit keinem ihrer Gedanken bei dieser Hausarbeit verweilte.
Sie ging mehrfach zwischen ihrem Herde und dein Dünenhügel hin lind her, in
dessem Sande Tvniv eine Art Vorratskeller augelegt hatte, sie wars von Zeit
zu Zeit einen Blick uach dem flacheren Strande hinaus, der im Sonnenlicht
blitzte und gegen den die große Flut so leise und fast trag heranwogte, als sei
sie niemals bewegter und stürmischer gewesen. Margherita hielt es für möglich,
daß Toniv mit seinem Boote durch die Meerpforte bei Sau Niccolo und um
den Ostrand des Lido herum heimkehre, sie vergaß nnr, daß sie in diesem
Falle ihren Mann erst nach mehreren Stunden zurückerwarten dürfe. Sie
konnte sich nicht versagen, wieder und wieder nach der See Hinanszusehen, doch
der sonnige Himmel und die lichtschimmernde Flut blendeten sie derart, daß sie
rasch abließ und endlich nnr auf die nahen Marmorblöcke hinsah, die zwei¬
hundert Schritt von ihrem kleinen Hause tief im Sande des Ufers eingesunken
lagen. Dicht neben ihnen waren ein paar Pfühle eingerammt, Tonio Pflegte
dort sein Fahrzeug anzulegen und zur weitern Sicherung zwischen die großen
Steinblöcke zu schieben, bis zu denen die Flut herantrat. Margherita hatte
manchen Abend auf ihnen gesessen, allein und mit Tonio, sie wußte, daß
einst an dieser Stelle eine .Kapelle hatte errichtet werden sollen. Der Bau war
nicht beendet worden, verfallen und nichts von ihm übrig geblieben, als die


Grenzboten IV. 1382. 7U


Die Kscherin von Malamocco.
Novelle von Adolf Stern.

(Fortsetzung.)

lief dies zog'und''wogte durch Margheritas Seele/indeß sie allein
in der einsamen Hütte schaltete, den Wohnraum mit ein paar
Schilfmatten an Thür- und Fensteröffnung vor der Mittngsglut
zu schlitzen suchte, indeß sie das Gerät im Vorraum der Hütte
ordnete und dazwischen nur Feuer stand, nur die einfache Kost zu
bereiten. Gewandt erfüllte sie alle ihre kleinen Pflichten, aber leicht wäre zu
sehen gewesen, daß sie mit keinem ihrer Gedanken bei dieser Hausarbeit verweilte.
Sie ging mehrfach zwischen ihrem Herde und dein Dünenhügel hin lind her, in
dessem Sande Tvniv eine Art Vorratskeller augelegt hatte, sie wars von Zeit
zu Zeit einen Blick uach dem flacheren Strande hinaus, der im Sonnenlicht
blitzte und gegen den die große Flut so leise und fast trag heranwogte, als sei
sie niemals bewegter und stürmischer gewesen. Margherita hielt es für möglich,
daß Toniv mit seinem Boote durch die Meerpforte bei Sau Niccolo und um
den Ostrand des Lido herum heimkehre, sie vergaß nnr, daß sie in diesem
Falle ihren Mann erst nach mehreren Stunden zurückerwarten dürfe. Sie
konnte sich nicht versagen, wieder und wieder nach der See Hinanszusehen, doch
der sonnige Himmel und die lichtschimmernde Flut blendeten sie derart, daß sie
rasch abließ und endlich nnr auf die nahen Marmorblöcke hinsah, die zwei¬
hundert Schritt von ihrem kleinen Hause tief im Sande des Ufers eingesunken
lagen. Dicht neben ihnen waren ein paar Pfühle eingerammt, Tonio Pflegte
dort sein Fahrzeug anzulegen und zur weitern Sicherung zwischen die großen
Steinblöcke zu schieben, bis zu denen die Flut herantrat. Margherita hatte
manchen Abend auf ihnen gesessen, allein und mit Tonio, sie wußte, daß
einst an dieser Stelle eine .Kapelle hatte errichtet werden sollen. Der Bau war
nicht beendet worden, verfallen und nichts von ihm übrig geblieben, als die


Grenzboten IV. 1382. 7U
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[0621] [Abbildung] Die Kscherin von Malamocco. Novelle von Adolf Stern. (Fortsetzung.) lief dies zog'und''wogte durch Margheritas Seele/indeß sie allein in der einsamen Hütte schaltete, den Wohnraum mit ein paar Schilfmatten an Thür- und Fensteröffnung vor der Mittngsglut zu schlitzen suchte, indeß sie das Gerät im Vorraum der Hütte ordnete und dazwischen nur Feuer stand, nur die einfache Kost zu bereiten. Gewandt erfüllte sie alle ihre kleinen Pflichten, aber leicht wäre zu sehen gewesen, daß sie mit keinem ihrer Gedanken bei dieser Hausarbeit verweilte. Sie ging mehrfach zwischen ihrem Herde und dein Dünenhügel hin lind her, in dessem Sande Tvniv eine Art Vorratskeller augelegt hatte, sie wars von Zeit zu Zeit einen Blick uach dem flacheren Strande hinaus, der im Sonnenlicht blitzte und gegen den die große Flut so leise und fast trag heranwogte, als sei sie niemals bewegter und stürmischer gewesen. Margherita hielt es für möglich, daß Toniv mit seinem Boote durch die Meerpforte bei Sau Niccolo und um den Ostrand des Lido herum heimkehre, sie vergaß nnr, daß sie in diesem Falle ihren Mann erst nach mehreren Stunden zurückerwarten dürfe. Sie konnte sich nicht versagen, wieder und wieder nach der See Hinanszusehen, doch der sonnige Himmel und die lichtschimmernde Flut blendeten sie derart, daß sie rasch abließ und endlich nnr auf die nahen Marmorblöcke hinsah, die zwei¬ hundert Schritt von ihrem kleinen Hause tief im Sande des Ufers eingesunken lagen. Dicht neben ihnen waren ein paar Pfühle eingerammt, Tonio Pflegte dort sein Fahrzeug anzulegen und zur weitern Sicherung zwischen die großen Steinblöcke zu schieben, bis zu denen die Flut herantrat. Margherita hatte manchen Abend auf ihnen gesessen, allein und mit Tonio, sie wußte, daß einst an dieser Stelle eine .Kapelle hatte errichtet werden sollen. Der Bau war nicht beendet worden, verfallen und nichts von ihm übrig geblieben, als die Grenzboten IV. 1382. 7U

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/621>, abgerufen am 01.07.2024.