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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Tage in Frankreich.

gewahr werden, daß sie sich getäuscht haben. Für den Augenblick besteht der
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quidationskommission, seinen internationalen Gerichtshöfen und seinen Kapitu¬
lationen allerdings rechtlich fort. Die englische Regierung mag mit dein Sultan
und dem Chedive einen Vertrag abschließen, der das bisherige Regime dnrch
ein anderes ersetzt, welches dem englischen Interesse besser als jenes entspricht,
und unter welchem die Ägypter Gelegenheit haben, freier als unter jenem für
ihre Wohlfahrt zu sorgen. Aber das alte Abkommen zwischen England und
Frankreich wird dadurch nicht ohne weiteres aufgehoben sein. Dasselbe lebte
mit der Autorität des Chedive sofort wieder auf, und diplomatisch liegen die
Dinge in Ägypten heute wie vor der Revolution Arabis und der Nationnl-
partei. Der Satz bon.ti xossiävnw" ist richtig und leidet auch auf die Eng¬
länder im Nillaude Anwendung, aber vorläufig nur im militärischen Sinne.
Diplomatisch siud dort die Besitzenden alle Mächte, deren Stellung in Ägypten
auf Verträgen beruht, die nicht ausdrücklich für nngiltig erklärt worden sind.
Die Bedingung, unter welcher die Mächte sich mit der britischen Expedition zu¬
frieden gaben, war, daß der territoriale und politische 8t-nu" "zuo, wie er ver¬
tragsmäßig geordnet worden, unverändert bleibe oder nur durch Beschluß Europas
umgestaltet werde. Jede neue Abmachung, welche europäische Traktate altcrirte
oder allgemeine Interessen beträfe, würde -- fo hieß es im Rundschreiben
Salisburys -- nngiltig sein, falls sie nicht zum Gegenstand eiuer förmlichen
Übereinkunft zwischen den Mächten gemacht würde.

Dennoch behält das dsg-ti xossiäsntkL in nnserm Falle seine große Be¬
deutung, der von den Mächten Rechnung getragen werden wird, und zwar
schwerlich zu Gunsten Frankreichs, d. h. wie Gambetta dessen Interesse auffaßt.
Nicht uneben, uur etwas zu hitzig äußert sich darüber die konservative Wochen¬
schrift "England." "Diese schwankende Republik, bemerkt das Blatt, die uns
soeben dreitausend Franzosen zu gemeinsamer Bewachung des Snezlanals ver¬
weigert hat, will jetzt gemeinsam mit uns Ägypten kvutroliren. Die alte zwei¬
köpfige Oberaufsicht soll wiederhergestellt werden, nachdem England Geld und
Vink eingesetzt hat. Die französischen Konsuln, die seit Jahren gegen uns intri-
guirten, die mit jedermann waren, der gegen uns war, mit Arabi, mit dem
Pöbel, mit der Pforte, sollen von neuem Spielraum erhalten zum Dank für
unsre Anstrengungen. Der fanatische Lesseps soll wieder an die Spitze des
Kanals, um England zu Schanden, das sechs Siebentel des Verkehrs ans dem¬
selben liefert. Die de Rings und der ganze Haufen schäbiger Wucherer und
Projektenmacher sollen wieder an die Krippe gebracht werden, abermals das
arme ägyptische Volk plündern und wiederum die Interessen Frankreichs im
Stile Roustans betreiben. Gambettas Drohung mit der Nichtanerkennung der
von Englaud einzuführenden Reformen kann nur die Antwort herausfordern,
daß England festhalten wird, wofür es gekümpft hat, und daß es imstande ist,


Die Tage in Frankreich.

gewahr werden, daß sie sich getäuscht haben. Für den Augenblick besteht der
8tÄtn8 quo ant« KkIInni mit seiner englisch-französischen Kontrole, seiner Li¬
quidationskommission, seinen internationalen Gerichtshöfen und seinen Kapitu¬
lationen allerdings rechtlich fort. Die englische Regierung mag mit dein Sultan
und dem Chedive einen Vertrag abschließen, der das bisherige Regime dnrch
ein anderes ersetzt, welches dem englischen Interesse besser als jenes entspricht,
und unter welchem die Ägypter Gelegenheit haben, freier als unter jenem für
ihre Wohlfahrt zu sorgen. Aber das alte Abkommen zwischen England und
Frankreich wird dadurch nicht ohne weiteres aufgehoben sein. Dasselbe lebte
mit der Autorität des Chedive sofort wieder auf, und diplomatisch liegen die
Dinge in Ägypten heute wie vor der Revolution Arabis und der Nationnl-
partei. Der Satz bon.ti xossiävnw« ist richtig und leidet auch auf die Eng¬
länder im Nillaude Anwendung, aber vorläufig nur im militärischen Sinne.
Diplomatisch siud dort die Besitzenden alle Mächte, deren Stellung in Ägypten
auf Verträgen beruht, die nicht ausdrücklich für nngiltig erklärt worden sind.
Die Bedingung, unter welcher die Mächte sich mit der britischen Expedition zu¬
frieden gaben, war, daß der territoriale und politische 8t-nu« «zuo, wie er ver¬
tragsmäßig geordnet worden, unverändert bleibe oder nur durch Beschluß Europas
umgestaltet werde. Jede neue Abmachung, welche europäische Traktate altcrirte
oder allgemeine Interessen beträfe, würde — fo hieß es im Rundschreiben
Salisburys — nngiltig sein, falls sie nicht zum Gegenstand eiuer förmlichen
Übereinkunft zwischen den Mächten gemacht würde.

Dennoch behält das dsg-ti xossiäsntkL in nnserm Falle seine große Be¬
deutung, der von den Mächten Rechnung getragen werden wird, und zwar
schwerlich zu Gunsten Frankreichs, d. h. wie Gambetta dessen Interesse auffaßt.
Nicht uneben, uur etwas zu hitzig äußert sich darüber die konservative Wochen¬
schrift „England." „Diese schwankende Republik, bemerkt das Blatt, die uns
soeben dreitausend Franzosen zu gemeinsamer Bewachung des Snezlanals ver¬
weigert hat, will jetzt gemeinsam mit uns Ägypten kvutroliren. Die alte zwei¬
köpfige Oberaufsicht soll wiederhergestellt werden, nachdem England Geld und
Vink eingesetzt hat. Die französischen Konsuln, die seit Jahren gegen uns intri-
guirten, die mit jedermann waren, der gegen uns war, mit Arabi, mit dem
Pöbel, mit der Pforte, sollen von neuem Spielraum erhalten zum Dank für
unsre Anstrengungen. Der fanatische Lesseps soll wieder an die Spitze des
Kanals, um England zu Schanden, das sechs Siebentel des Verkehrs ans dem¬
selben liefert. Die de Rings und der ganze Haufen schäbiger Wucherer und
Projektenmacher sollen wieder an die Krippe gebracht werden, abermals das
arme ägyptische Volk plündern und wiederum die Interessen Frankreichs im
Stile Roustans betreiben. Gambettas Drohung mit der Nichtanerkennung der
von Englaud einzuführenden Reformen kann nur die Antwort herausfordern,
daß England festhalten wird, wofür es gekümpft hat, und daß es imstande ist,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/62>, abgerufen am 26.06.2024.