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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fremdwörtersenche,

aufgerichtet. Aber damit ist nicht alles gethan. Noch machen sich im Innern
mächtige reichsfeindliche Bestrebungen geltend. Die einen rütteln ans böser Ab¬
sicht, die ander" in thörichter Verblendung um dem kumm unter Dach gebrachten
Bau. Wieviel sittliche Kraft des Volkes ist hier noch vonnöten, und wie un¬
erläßlich ist es, diese Kraft zu stärken! Noch auch stehen im Osten und Westen
gewaltige Nachbarn bis an die Zähne gerüstet, lauernd und spähend an unsern
Grenzen. Wir können über Nacht in den schwersten lind fürchterlichsten aller
Kriege gestürzt werden, und wie sollen wir ihn bestehen ohne die höchste sitt¬
liche Kraft! Das nationale Bewußtsein des deutschen Volkes müssen wir nähren,
hegen und pflegen, damit es fest am nationalen Gedanken halte und die innern
Feinde des Reiches erfolgreich zügle, damit es am Tage der Gefahr in helle
Begeisterung sich entflamme und in sicherster Beharrlichkeit den vaterländischen
Boden Schutze.

Glaubt man aber mit einer bequemen Duldung des täglich zunehmenden
sprachlichen Mischmasches das echte und rechte Nationalgefühl im deutschen Volke
heben zu können? Ich will mich bescheiden, hier Antwort zu geben. Jeder
echte und rechte Deutsche kann sie sich selbst geben. Doch will ich zum Zeugnis,
daß auch diese Wechselwirkung zwischen Sprache und Nationalbewußtsein längst
erkannt ist, nochmals die Worte zweier großen Männer der Vergangenheit
wiederum anführen. Leibniz beginnt seine "Unvorgreiflichen Gedanken" mit dem
Satze: "Es ist bekannt, daß die Sprach ein Spiegel des Verstandes, und daß
die Volker, wenn sie den Verstand hoch schwingen, auch zugleich die Sprache
Wohl ausüben." Und Arndt sagt in seiner Schrift "Über den Gebrauch einer
fremden Sprache": "Die Sprache ist ein Spiegel des Volkes, das sie spricht."
Und weiter: "Weil denn die Sprache eines Volkes das innigste Gemüth, die
verborgei:e Geschichte, die älteste Entwickelung, kurz die ganze Art seines Em¬
pfindens, Denkens, Darstellens und Lebens verschließt, so verändert, was die
Sprache verändert, notwendig auch das Volk; was die Sprache verwirrt und
verrückt, mit Fremdartigen und Ungleichen vermengt und ans irgend eine Weise
den klaren und lauteren Fluß derselben trübt, das hat mich den Einfluß der
Verwirrung, Verrückung, Hemmung und Trübung des ganzen Volkes. Denn
ein geistigeres und innigeres Element des Lebens als die Sprache hat ein Volk
nicht. Will also ein Volk nicht verlieren, wodurch es Volk ist, will es seine
Art mit allen seinen Eigentümlichkeiten bewahren, so hat es ans nichts so sehr
zu wachen, als daß ihm seine Sprache nicht verdorben und zerstört werde."
Unsre Sprache ist aber leider vielfach verdorben lind selbst schon gefahrdrohend
zerstört, indem, von andern zu schweigen, viele Wörter derselben vernichtet oder
beseitigt worden sind zu Gunsten fremder Eininischlinge. Deshalb ist die Wieder¬
herstellung der nationalen Sprache in ihrer Echtheit, Reinheit und Schönheit
nicht bloß eine Sache der Sprache an und für sich, sondern eine nationale Auf¬
gabe des deutschen Volkes, seiner Vertreter und seiner Leiter.


Die Fremdwörtersenche,

aufgerichtet. Aber damit ist nicht alles gethan. Noch machen sich im Innern
mächtige reichsfeindliche Bestrebungen geltend. Die einen rütteln ans böser Ab¬
sicht, die ander» in thörichter Verblendung um dem kumm unter Dach gebrachten
Bau. Wieviel sittliche Kraft des Volkes ist hier noch vonnöten, und wie un¬
erläßlich ist es, diese Kraft zu stärken! Noch auch stehen im Osten und Westen
gewaltige Nachbarn bis an die Zähne gerüstet, lauernd und spähend an unsern
Grenzen. Wir können über Nacht in den schwersten lind fürchterlichsten aller
Kriege gestürzt werden, und wie sollen wir ihn bestehen ohne die höchste sitt¬
liche Kraft! Das nationale Bewußtsein des deutschen Volkes müssen wir nähren,
hegen und pflegen, damit es fest am nationalen Gedanken halte und die innern
Feinde des Reiches erfolgreich zügle, damit es am Tage der Gefahr in helle
Begeisterung sich entflamme und in sicherster Beharrlichkeit den vaterländischen
Boden Schutze.

Glaubt man aber mit einer bequemen Duldung des täglich zunehmenden
sprachlichen Mischmasches das echte und rechte Nationalgefühl im deutschen Volke
heben zu können? Ich will mich bescheiden, hier Antwort zu geben. Jeder
echte und rechte Deutsche kann sie sich selbst geben. Doch will ich zum Zeugnis,
daß auch diese Wechselwirkung zwischen Sprache und Nationalbewußtsein längst
erkannt ist, nochmals die Worte zweier großen Männer der Vergangenheit
wiederum anführen. Leibniz beginnt seine „Unvorgreiflichen Gedanken" mit dem
Satze: „Es ist bekannt, daß die Sprach ein Spiegel des Verstandes, und daß
die Volker, wenn sie den Verstand hoch schwingen, auch zugleich die Sprache
Wohl ausüben." Und Arndt sagt in seiner Schrift „Über den Gebrauch einer
fremden Sprache": „Die Sprache ist ein Spiegel des Volkes, das sie spricht."
Und weiter: „Weil denn die Sprache eines Volkes das innigste Gemüth, die
verborgei:e Geschichte, die älteste Entwickelung, kurz die ganze Art seines Em¬
pfindens, Denkens, Darstellens und Lebens verschließt, so verändert, was die
Sprache verändert, notwendig auch das Volk; was die Sprache verwirrt und
verrückt, mit Fremdartigen und Ungleichen vermengt und ans irgend eine Weise
den klaren und lauteren Fluß derselben trübt, das hat mich den Einfluß der
Verwirrung, Verrückung, Hemmung und Trübung des ganzen Volkes. Denn
ein geistigeres und innigeres Element des Lebens als die Sprache hat ein Volk
nicht. Will also ein Volk nicht verlieren, wodurch es Volk ist, will es seine
Art mit allen seinen Eigentümlichkeiten bewahren, so hat es ans nichts so sehr
zu wachen, als daß ihm seine Sprache nicht verdorben und zerstört werde."
Unsre Sprache ist aber leider vielfach verdorben lind selbst schon gefahrdrohend
zerstört, indem, von andern zu schweigen, viele Wörter derselben vernichtet oder
beseitigt worden sind zu Gunsten fremder Eininischlinge. Deshalb ist die Wieder¬
herstellung der nationalen Sprache in ihrer Echtheit, Reinheit und Schönheit
nicht bloß eine Sache der Sprache an und für sich, sondern eine nationale Auf¬
gabe des deutschen Volkes, seiner Vertreter und seiner Leiter.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/543>, abgerufen am 22.07.2024.