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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Freindwörterseuche.

in dem unglaublichste" Mischdeutsch. Ich führe nur folgende Proben um:
pikanteres Objekt, desperat, intim, verifiziren, Introduktion von frappantester Eigen¬
art, ältseigneurial, spezifisches Objekt, es-dlL raso, pur, rouöL, ü, laut prix, Nuance,
Comitv, emigrirt, u. oorxs xcuäu, modifiziren, Totalrevolution, raffinirte physio¬
logisch-psychologische Persvnenmalerei, minutiöses Detail, Manier, Porträt, Effekt,
strikt, flankiren, und in dieser geistreichen und geschmackvollen Art schier endlos
weiter. Das war die Wirkung. Die Redaktion Hütte sich ihre Mühe völlig
sparen können. Wenn es ihr Ernst ist um die gute Sache, nehme sie selbst die
Büchse in die Hand und schieße ohne Erbarmen das Wild und Raubzeug nieder,
welches ihr ins Gehege kommt. Mit andern Worten: sie reinige selbst solch
ein zusammengeflicktes Geschreibsel und stelle erst ein verstündiges Deutsch her,
ehe sie solche Beiträge zum Druck giebt. Dies ist das einzige Mittel, dnrch
welches sie ihr Blatt vor der Sprachsudelei retten und schützen kann. Doch ist
es ihr denn wirklich Ernst darum? Wer weiß es! So wenig aber wie hier
eine einzelne Redaktion von der Einsicht und dem guten Willen irgend etwas
erreicht hat, ebensowenig wird das Vereinen und Gesellschaften, Ermahnungen
und Büchern gelingen. Ich erwarte von solchen Mitteln nichts, gnrnichts, oder
soviel wie nichts, wenigstens nicht unter den jetzt obwaltenden Verhältnissen lind
Stimmungen.

Man hat auch gesehen, daß derartige Bestrebungen, weil sie zum Teil von
Männern getragen wurden, welche nicht immer über alle notwendigen Erforder¬
nisse verfügten, oft und leicht dem Fluche der Lächerlichkeit anheimfielen. Schon
die Frnchtbringeudc Gesellschaft hat in dieser Hinsicht die lehrreichsten Er¬
fahrungen gegeben, und was die Ungeschicklichkeit der deutschtümelnden Turn¬
lehrer und Schulmeister vor dreißig und vierzig Jahren geschadet hat, wird noch
in der Erinnerung vieler sein. Oft wissen solche Leute nicht einmal, was ein
Fremdwort ist. Sie glauben, daß jedes Wort, dessen Stamm aus einer andern
Sprache kommt oder dessen Stamm auch in andern Sprachen vorkommt, ein
Fremdwort sei; und so legen sie ihre Lanzen ein sogut gegen die Nase wie
gegen die Post, gegen das Fenster wie gegen den Groschen. Als ob der Ur¬
sprung allein das entscheidende Merkmal des Fremdwortes sei und nicht viel¬
mehr die noch bewahrte ausländische Form, die im Zusammenhang der deutschen
Sprache eben fremd erscheint. Nur um diese letzter", eigentlichen Fremdwörter,
soweit sie unnötig und ersetzbar sind, kaun es sich ja handeln, was auch im
Vorworte des Grimmschen Wörterbuches klar und deutlich hingestellt ist. Jede
falsche Maßregel aber, jede Übertreibung schadet. Es ist also große Vorsicht
und völlige Sachkenntnis nötig, die nicht bei jedem Schulmeister und jedem
Mitgliede eines Vereins ohne weiteres vorauszusetzen sind.

Wenn nun aber von allen diesen Bestrebungen nichts sicheres und bedeu-
tendes zu erwarten ist: was soll, was kauu dann geschehen? -- Ich will mich
kurz fassen.


Die Freindwörterseuche.

in dem unglaublichste» Mischdeutsch. Ich führe nur folgende Proben um:
pikanteres Objekt, desperat, intim, verifiziren, Introduktion von frappantester Eigen¬
art, ältseigneurial, spezifisches Objekt, es-dlL raso, pur, rouöL, ü, laut prix, Nuance,
Comitv, emigrirt, u. oorxs xcuäu, modifiziren, Totalrevolution, raffinirte physio¬
logisch-psychologische Persvnenmalerei, minutiöses Detail, Manier, Porträt, Effekt,
strikt, flankiren, und in dieser geistreichen und geschmackvollen Art schier endlos
weiter. Das war die Wirkung. Die Redaktion Hütte sich ihre Mühe völlig
sparen können. Wenn es ihr Ernst ist um die gute Sache, nehme sie selbst die
Büchse in die Hand und schieße ohne Erbarmen das Wild und Raubzeug nieder,
welches ihr ins Gehege kommt. Mit andern Worten: sie reinige selbst solch
ein zusammengeflicktes Geschreibsel und stelle erst ein verstündiges Deutsch her,
ehe sie solche Beiträge zum Druck giebt. Dies ist das einzige Mittel, dnrch
welches sie ihr Blatt vor der Sprachsudelei retten und schützen kann. Doch ist
es ihr denn wirklich Ernst darum? Wer weiß es! So wenig aber wie hier
eine einzelne Redaktion von der Einsicht und dem guten Willen irgend etwas
erreicht hat, ebensowenig wird das Vereinen und Gesellschaften, Ermahnungen
und Büchern gelingen. Ich erwarte von solchen Mitteln nichts, gnrnichts, oder
soviel wie nichts, wenigstens nicht unter den jetzt obwaltenden Verhältnissen lind
Stimmungen.

Man hat auch gesehen, daß derartige Bestrebungen, weil sie zum Teil von
Männern getragen wurden, welche nicht immer über alle notwendigen Erforder¬
nisse verfügten, oft und leicht dem Fluche der Lächerlichkeit anheimfielen. Schon
die Frnchtbringeudc Gesellschaft hat in dieser Hinsicht die lehrreichsten Er¬
fahrungen gegeben, und was die Ungeschicklichkeit der deutschtümelnden Turn¬
lehrer und Schulmeister vor dreißig und vierzig Jahren geschadet hat, wird noch
in der Erinnerung vieler sein. Oft wissen solche Leute nicht einmal, was ein
Fremdwort ist. Sie glauben, daß jedes Wort, dessen Stamm aus einer andern
Sprache kommt oder dessen Stamm auch in andern Sprachen vorkommt, ein
Fremdwort sei; und so legen sie ihre Lanzen ein sogut gegen die Nase wie
gegen die Post, gegen das Fenster wie gegen den Groschen. Als ob der Ur¬
sprung allein das entscheidende Merkmal des Fremdwortes sei und nicht viel¬
mehr die noch bewahrte ausländische Form, die im Zusammenhang der deutschen
Sprache eben fremd erscheint. Nur um diese letzter», eigentlichen Fremdwörter,
soweit sie unnötig und ersetzbar sind, kaun es sich ja handeln, was auch im
Vorworte des Grimmschen Wörterbuches klar und deutlich hingestellt ist. Jede
falsche Maßregel aber, jede Übertreibung schadet. Es ist also große Vorsicht
und völlige Sachkenntnis nötig, die nicht bei jedem Schulmeister und jedem
Mitgliede eines Vereins ohne weiteres vorauszusetzen sind.

Wenn nun aber von allen diesen Bestrebungen nichts sicheres und bedeu-
tendes zu erwarten ist: was soll, was kauu dann geschehen? — Ich will mich
kurz fassen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/534>, abgerufen am 29.06.2024.