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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Literatur.

Reue ergriffen, den Rückweg einschlugen oder krank und elend am Wege liegen
blieben, weil ihre schwachen Kräfte versagten. Die Sehnsucht im eignen Herzen
und der Wundersaume Taumel, der uns alle berauschte, hatten mich hinweg¬
gerissen und aufrecht erhalten. Doch wie ich zuerst die Gefährten sah, die matt
niedersanken und die wir hinter uns ließen, und wie ich von meinem Pferde
herab inne ward, wie viele sich nur mühselig weiterschleppten und wie nur eines
Tages ein wackerer Köhler, in dessen Hütte wir eine Stunde ruhten, den Schwarm
von fahrenden Volk und schlimmem Gesindel zeigte, der immer größer denn
Zuge der jugendlichen Pilger folgte, da überfiel mich mitten in meiner Ent-
rückung eine tiefe Angst, und ich besann mich wieder, daß wir Kinder seien, und
kraftlos und hilflos in eine fremde, wilde Welt hinausirrteu! Da betete ich
umsonst zu Gott, daß er nach nicht an die Heimat, nicht an meinen fernen
Vater, nicht an Herrn Gero, sondern nur an das heilige Land denken lassen
möge. Ich mußte an daheim denken, an das Leben der Meinen und an die
Zeit, wo ich vou der Kreuzfahrt zurückkehre" sollte. Noch lebte ich im seligen
Glauben, daß wir unser Ziel erreichen und auf Gottes Ruf die Erlösung des
heiligen Grabes vollbringen würden.

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.
Maslnrna "der Servius Tullius. Mit einer Einleitung über die Ausdehnung des
Etrnskerreiches. Von V. Gardthausen. Mit einer Tnfel. Leipzig, Veit u. Comp., 1882.

Die alte Frage, ob die Etrusker auf dem Land- oder Seewege nach Ccun-
panien gekommen, beantwortet der Verfasser der vorliegenden Schrift nach ein¬
gehender Behandlung der überlieferten Stellen und sorgfältiger Untersuchung der
Nmuensformeu einer Reihe von ladinischen Städten zwischen Tiber und Liris,
d. h. zwischen dem nord- und südetruskischen Reiche, mit Glück dahin, daß er deu
Nachweis führt, daß um das Jahr 600 vor unsrer Zeitrechnung der Norden und
die ganze Westhälfte Italiens bis zum Golf voll Neapel etruskischen Herrschern
unterworfen war. Um dieselbe Zeit setzt aber die Tradition bekanntlich das Auf¬
kommen der etruskisch-tarquimschen Kvnigsherrschnft in Rom an. Das Schicksal dieser
letztern nun, die mit dem etruskischen Regiment über Mittelitalien stand und fiel,
läßt sich mit Hilfe einiger in dem Familiengrabe der Tarquinier gefundenen In¬
schriften und Bilder, der bekannten Rede des Claudius auf der Lyoner Brvnze-
tafel, und einiger glücklich uns erhaltenen, vom Verfasser mit vielem Scharfsinn
interpretirten antiken Mitteilungen eruiren trotz der im Laufe so vieler Jahrhunderte
umgestalteten Tradition. Nirs-I'um-r ist nämlich N. ^arcnur (^r^ninins).

In interessantester Weise zeigt der Verfasser, wie Tarquinius Priscus seine Herr¬
schaft in Rom ausübte, gestützt auf die herrschende Klasse der eingewanderten Etrusker.


Literatur.

Reue ergriffen, den Rückweg einschlugen oder krank und elend am Wege liegen
blieben, weil ihre schwachen Kräfte versagten. Die Sehnsucht im eignen Herzen
und der Wundersaume Taumel, der uns alle berauschte, hatten mich hinweg¬
gerissen und aufrecht erhalten. Doch wie ich zuerst die Gefährten sah, die matt
niedersanken und die wir hinter uns ließen, und wie ich von meinem Pferde
herab inne ward, wie viele sich nur mühselig weiterschleppten und wie nur eines
Tages ein wackerer Köhler, in dessen Hütte wir eine Stunde ruhten, den Schwarm
von fahrenden Volk und schlimmem Gesindel zeigte, der immer größer denn
Zuge der jugendlichen Pilger folgte, da überfiel mich mitten in meiner Ent-
rückung eine tiefe Angst, und ich besann mich wieder, daß wir Kinder seien, und
kraftlos und hilflos in eine fremde, wilde Welt hinausirrteu! Da betete ich
umsonst zu Gott, daß er nach nicht an die Heimat, nicht an meinen fernen
Vater, nicht an Herrn Gero, sondern nur an das heilige Land denken lassen
möge. Ich mußte an daheim denken, an das Leben der Meinen und an die
Zeit, wo ich vou der Kreuzfahrt zurückkehre« sollte. Noch lebte ich im seligen
Glauben, daß wir unser Ziel erreichen und auf Gottes Ruf die Erlösung des
heiligen Grabes vollbringen würden.

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.
Maslnrna »der Servius Tullius. Mit einer Einleitung über die Ausdehnung des
Etrnskerreiches. Von V. Gardthausen. Mit einer Tnfel. Leipzig, Veit u. Comp., 1882.

Die alte Frage, ob die Etrusker auf dem Land- oder Seewege nach Ccun-
panien gekommen, beantwortet der Verfasser der vorliegenden Schrift nach ein¬
gehender Behandlung der überlieferten Stellen und sorgfältiger Untersuchung der
Nmuensformeu einer Reihe von ladinischen Städten zwischen Tiber und Liris,
d. h. zwischen dem nord- und südetruskischen Reiche, mit Glück dahin, daß er deu
Nachweis führt, daß um das Jahr 600 vor unsrer Zeitrechnung der Norden und
die ganze Westhälfte Italiens bis zum Golf voll Neapel etruskischen Herrschern
unterworfen war. Um dieselbe Zeit setzt aber die Tradition bekanntlich das Auf¬
kommen der etruskisch-tarquimschen Kvnigsherrschnft in Rom an. Das Schicksal dieser
letztern nun, die mit dem etruskischen Regiment über Mittelitalien stand und fiel,
läßt sich mit Hilfe einiger in dem Familiengrabe der Tarquinier gefundenen In¬
schriften und Bilder, der bekannten Rede des Claudius auf der Lyoner Brvnze-
tafel, und einiger glücklich uns erhaltenen, vom Verfasser mit vielem Scharfsinn
interpretirten antiken Mitteilungen eruiren trotz der im Laufe so vieler Jahrhunderte
umgestalteten Tradition. Nirs-I'um-r ist nämlich N. ^arcnur (^r^ninins).

In interessantester Weise zeigt der Verfasser, wie Tarquinius Priscus seine Herr¬
schaft in Rom ausübte, gestützt auf die herrschende Klasse der eingewanderten Etrusker.


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[0518] Literatur. Reue ergriffen, den Rückweg einschlugen oder krank und elend am Wege liegen blieben, weil ihre schwachen Kräfte versagten. Die Sehnsucht im eignen Herzen und der Wundersaume Taumel, der uns alle berauschte, hatten mich hinweg¬ gerissen und aufrecht erhalten. Doch wie ich zuerst die Gefährten sah, die matt niedersanken und die wir hinter uns ließen, und wie ich von meinem Pferde herab inne ward, wie viele sich nur mühselig weiterschleppten und wie nur eines Tages ein wackerer Köhler, in dessen Hütte wir eine Stunde ruhten, den Schwarm von fahrenden Volk und schlimmem Gesindel zeigte, der immer größer denn Zuge der jugendlichen Pilger folgte, da überfiel mich mitten in meiner Ent- rückung eine tiefe Angst, und ich besann mich wieder, daß wir Kinder seien, und kraftlos und hilflos in eine fremde, wilde Welt hinausirrteu! Da betete ich umsonst zu Gott, daß er nach nicht an die Heimat, nicht an meinen fernen Vater, nicht an Herrn Gero, sondern nur an das heilige Land denken lassen möge. Ich mußte an daheim denken, an das Leben der Meinen und an die Zeit, wo ich vou der Kreuzfahrt zurückkehre« sollte. Noch lebte ich im seligen Glauben, daß wir unser Ziel erreichen und auf Gottes Ruf die Erlösung des heiligen Grabes vollbringen würden. (Fortsetzung folgt.) Literatur. Maslnrna »der Servius Tullius. Mit einer Einleitung über die Ausdehnung des Etrnskerreiches. Von V. Gardthausen. Mit einer Tnfel. Leipzig, Veit u. Comp., 1882. Die alte Frage, ob die Etrusker auf dem Land- oder Seewege nach Ccun- panien gekommen, beantwortet der Verfasser der vorliegenden Schrift nach ein¬ gehender Behandlung der überlieferten Stellen und sorgfältiger Untersuchung der Nmuensformeu einer Reihe von ladinischen Städten zwischen Tiber und Liris, d. h. zwischen dem nord- und südetruskischen Reiche, mit Glück dahin, daß er deu Nachweis führt, daß um das Jahr 600 vor unsrer Zeitrechnung der Norden und die ganze Westhälfte Italiens bis zum Golf voll Neapel etruskischen Herrschern unterworfen war. Um dieselbe Zeit setzt aber die Tradition bekanntlich das Auf¬ kommen der etruskisch-tarquimschen Kvnigsherrschnft in Rom an. Das Schicksal dieser letztern nun, die mit dem etruskischen Regiment über Mittelitalien stand und fiel, läßt sich mit Hilfe einiger in dem Familiengrabe der Tarquinier gefundenen In¬ schriften und Bilder, der bekannten Rede des Claudius auf der Lyoner Brvnze- tafel, und einiger glücklich uns erhaltenen, vom Verfasser mit vielem Scharfsinn interpretirten antiken Mitteilungen eruiren trotz der im Laufe so vieler Jahrhunderte umgestalteten Tradition. Nirs-I'um-r ist nämlich N. ^arcnur (^r^ninins). In interessantester Weise zeigt der Verfasser, wie Tarquinius Priscus seine Herr¬ schaft in Rom ausübte, gestützt auf die herrschende Klasse der eingewanderten Etrusker.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/518>, abgerufen am 29.06.2024.