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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Literatur.

gezogen wurden, lagen zwischen den öden Strecken. Das junge Weib war acht
los dahingeschritten, sie schien so in Gedanken versunken, daß sie kann: die dunkle
Kvpfhülle tiefer in die Stirne hineinzog, um sich vor den Sonnenstrahlen zu
schützen, welche nun bereits heiß und brennend über ihren Weg fielen. In
einer Art Höhlung, die sie zu durchschreiten hatte, war ein Holzkreuz aufgerichtet,
an dessen Fuß ein paar große Feldsteine zur Befestigung wie zum gelegentlichen
Sitz für Andächtige herangewälzt waren. Margherita ließ sich ermüdet auf die
Steine nieder und lehnte Haupt und Rücken an den Stcmun des Kreuzes. Sie
einPfand jetzt, daß sie die Nacht nahezu ruhelos zugebracht hatte. Mit ge¬
schlossenen Anger, schweratmend, rastete sie einige Zeit hindurch, und verwor¬
rene Bilder zogen durch ihr Hirn. Sie sprach leise vor sich hin, in der Sprache,
zu der sie nnr im Traum und in so tiefer Einsamkeit zurückkehrte, als die war,
welche sie im Augenblicke umfing.

Mich dürstet, und ich werde erst zur Zisterne vor San Jsidoro gehen müssen,
ehe ich Pater Girolamo aufsuchen kann. Ich hätte ein Stück von unsrer Melone
zu mir stecken sollen. doch mich verlangt nicht darnach. Hätte ich eine Schale
voll glührvter Erdbeeren, wie sie im Buchenwald unter meines Vaters Burg
wuchsen -- ich bilde mir ein, sie müßten mir den Durst auf immer löschen!
Ich weiß nicht, was mich so unruhig und unselig macht -- aber wenn noch
viele Nächte kämen, wie die von gestern und heute, so mein' ich, ich müßte sterben.
Pater Girolamo muß mir Trost geben, und ich darf ihm nicht länger verschweigen,
was ich allein weiß. Er wird mir auch sagen, ob Tvniv erfahren muß, was
mich rastlos quält, oder ob es mein Geheimnis bleiben darf. Wie ich hier nach
einem Trunk Regenwasser lechze -- allmächtiger Gott! und mir ists doch wie
heute, daß die Waldquellen hell um mich rauschte" und hinter jedem Gebüsch
die frischen Beeren zu tausenden wuchsen!

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.

JUuslrirter Weihnachts-Catalog für den Deutschen Buchhandel und Litterarischer
Jahresbericht, herausgegeben von E. Dohmke. A. Oppel, O. Seemann. Zwölfter Jahr¬
gang. Leipzig, E. A. Seemann (1882).

Der Leser kennt die Geschichte von der Braut, die unter ihren Hochzeits-
gcscheuken sieben silberne Fischkellen bekam. Fast noch schlimmer erging es vorm
Jahre einer Dann' in Leipzig, die aus ihrem Weihnachtstische drei, sage drei Exem¬
plare Ma Ebers' "Frau Bürgemeisterin" vorfand. Faktum! Unglücksfälle wie der
letztere - der erwähnte ist gewiß nicht der einzige seiner Art gewesen -- sind


Literatur.

gezogen wurden, lagen zwischen den öden Strecken. Das junge Weib war acht
los dahingeschritten, sie schien so in Gedanken versunken, daß sie kann: die dunkle
Kvpfhülle tiefer in die Stirne hineinzog, um sich vor den Sonnenstrahlen zu
schützen, welche nun bereits heiß und brennend über ihren Weg fielen. In
einer Art Höhlung, die sie zu durchschreiten hatte, war ein Holzkreuz aufgerichtet,
an dessen Fuß ein paar große Feldsteine zur Befestigung wie zum gelegentlichen
Sitz für Andächtige herangewälzt waren. Margherita ließ sich ermüdet auf die
Steine nieder und lehnte Haupt und Rücken an den Stcmun des Kreuzes. Sie
einPfand jetzt, daß sie die Nacht nahezu ruhelos zugebracht hatte. Mit ge¬
schlossenen Anger, schweratmend, rastete sie einige Zeit hindurch, und verwor¬
rene Bilder zogen durch ihr Hirn. Sie sprach leise vor sich hin, in der Sprache,
zu der sie nnr im Traum und in so tiefer Einsamkeit zurückkehrte, als die war,
welche sie im Augenblicke umfing.

Mich dürstet, und ich werde erst zur Zisterne vor San Jsidoro gehen müssen,
ehe ich Pater Girolamo aufsuchen kann. Ich hätte ein Stück von unsrer Melone
zu mir stecken sollen. doch mich verlangt nicht darnach. Hätte ich eine Schale
voll glührvter Erdbeeren, wie sie im Buchenwald unter meines Vaters Burg
wuchsen — ich bilde mir ein, sie müßten mir den Durst auf immer löschen!
Ich weiß nicht, was mich so unruhig und unselig macht — aber wenn noch
viele Nächte kämen, wie die von gestern und heute, so mein' ich, ich müßte sterben.
Pater Girolamo muß mir Trost geben, und ich darf ihm nicht länger verschweigen,
was ich allein weiß. Er wird mir auch sagen, ob Tvniv erfahren muß, was
mich rastlos quält, oder ob es mein Geheimnis bleiben darf. Wie ich hier nach
einem Trunk Regenwasser lechze — allmächtiger Gott! und mir ists doch wie
heute, daß die Waldquellen hell um mich rauschte» und hinter jedem Gebüsch
die frischen Beeren zu tausenden wuchsen!

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.

JUuslrirter Weihnachts-Catalog für den Deutschen Buchhandel und Litterarischer
Jahresbericht, herausgegeben von E. Dohmke. A. Oppel, O. Seemann. Zwölfter Jahr¬
gang. Leipzig, E. A. Seemann (1882).

Der Leser kennt die Geschichte von der Braut, die unter ihren Hochzeits-
gcscheuken sieben silberne Fischkellen bekam. Fast noch schlimmer erging es vorm
Jahre einer Dann' in Leipzig, die aus ihrem Weihnachtstische drei, sage drei Exem¬
plare Ma Ebers' „Frau Bürgemeisterin" vorfand. Faktum! Unglücksfälle wie der
letztere - der erwähnte ist gewiß nicht der einzige seiner Art gewesen — sind


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[0467] Literatur. gezogen wurden, lagen zwischen den öden Strecken. Das junge Weib war acht los dahingeschritten, sie schien so in Gedanken versunken, daß sie kann: die dunkle Kvpfhülle tiefer in die Stirne hineinzog, um sich vor den Sonnenstrahlen zu schützen, welche nun bereits heiß und brennend über ihren Weg fielen. In einer Art Höhlung, die sie zu durchschreiten hatte, war ein Holzkreuz aufgerichtet, an dessen Fuß ein paar große Feldsteine zur Befestigung wie zum gelegentlichen Sitz für Andächtige herangewälzt waren. Margherita ließ sich ermüdet auf die Steine nieder und lehnte Haupt und Rücken an den Stcmun des Kreuzes. Sie einPfand jetzt, daß sie die Nacht nahezu ruhelos zugebracht hatte. Mit ge¬ schlossenen Anger, schweratmend, rastete sie einige Zeit hindurch, und verwor¬ rene Bilder zogen durch ihr Hirn. Sie sprach leise vor sich hin, in der Sprache, zu der sie nnr im Traum und in so tiefer Einsamkeit zurückkehrte, als die war, welche sie im Augenblicke umfing. Mich dürstet, und ich werde erst zur Zisterne vor San Jsidoro gehen müssen, ehe ich Pater Girolamo aufsuchen kann. Ich hätte ein Stück von unsrer Melone zu mir stecken sollen. doch mich verlangt nicht darnach. Hätte ich eine Schale voll glührvter Erdbeeren, wie sie im Buchenwald unter meines Vaters Burg wuchsen — ich bilde mir ein, sie müßten mir den Durst auf immer löschen! Ich weiß nicht, was mich so unruhig und unselig macht — aber wenn noch viele Nächte kämen, wie die von gestern und heute, so mein' ich, ich müßte sterben. Pater Girolamo muß mir Trost geben, und ich darf ihm nicht länger verschweigen, was ich allein weiß. Er wird mir auch sagen, ob Tvniv erfahren muß, was mich rastlos quält, oder ob es mein Geheimnis bleiben darf. Wie ich hier nach einem Trunk Regenwasser lechze — allmächtiger Gott! und mir ists doch wie heute, daß die Waldquellen hell um mich rauschte» und hinter jedem Gebüsch die frischen Beeren zu tausenden wuchsen! (Fortsetzung folgt.) Literatur. JUuslrirter Weihnachts-Catalog für den Deutschen Buchhandel und Litterarischer Jahresbericht, herausgegeben von E. Dohmke. A. Oppel, O. Seemann. Zwölfter Jahr¬ gang. Leipzig, E. A. Seemann (1882). Der Leser kennt die Geschichte von der Braut, die unter ihren Hochzeits- gcscheuken sieben silberne Fischkellen bekam. Fast noch schlimmer erging es vorm Jahre einer Dann' in Leipzig, die aus ihrem Weihnachtstische drei, sage drei Exem¬ plare Ma Ebers' „Frau Bürgemeisterin" vorfand. Faktum! Unglücksfälle wie der letztere - der erwähnte ist gewiß nicht der einzige seiner Art gewesen — sind

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/467>, abgerufen am 29.06.2024.