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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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überarbeitet habe; aus dein Zettel folgte dein Namen des Verfassers der Zusatz
"und ^ '"," und als nach der ersten Aufführung der herzlich unbedclltenden
Neuigkeit die guten Freunde heftig applandirten, erlaubte der Regisseur Sonnen-
thal dem geheimen "Dichter" Sonnenthal, dem Pnblikniir seinen Dank abzustatten.
Dieser Sieg der Eitelkeit über die Ordnung wurde denn doch vielen zu arg.
El" Maun, der berufen ist, die Gesetze des Instituts aufrecht zu erhalten, durch¬
brach mit sophistischer Motivirung eins der weisesten Gesetze derselben, nämlich
das, welches den Darstellern untersagt, anders, als wenn ihre Rolle es erheischt,
sich dem Publikum zu zeigen. Nur den gastirenden fremden Schauspielern und
den Verfassern neuer Stücke ist jene Befriedigung gewährt, und auf deu letzter"
Titel konnte sich der glückliche Schauspieler berufen; allein wer konnte sich
darüber täusche!?, daß nun unter seinen Kollegen ein Wettlnuf um die Ehre
ähnlicher geheime" Mitarbeiterschaft beginnen werde! Trug doch so mancher
mit Gram oder Grimm das grausame Verbot, da die glücklichen Opernsänger
die Freiheit genießen, nachdem sie sich gegenseitig umgebracht haben, Hand in Hund
und süßlächelnd dem verehrte" Publikum ihre Berbeuguug zu machen; und hatte
doch Dingelstedt die Hand geboten, andre lästige Bestimmungen zu umgehe",
z. B. das Herkomme", daß außer deu Ferien kein Urlaub zu Gastreiseu bewilligt,
vielmehr der ganze Körper beisammeugehcilteu wurde! Auch das lag klar z"
Tage, was ans dem Repertoire geworden sein würde, we"" man die Regisseure
hätte weiter schalten lassen. Es ist in der Natur ihrer Beschäftigung begründet,
daß Schauspieler an einem Stücke selten mehr sehen als die einzelnen Rolle",
vorzüglich diejenige", welche sie selbst zu spielen wünschen. Wer "gute Rolle""
schreibt, für Abgäiige und Aktschlüsse sorgt, das Publikum gewinnt, der ist ihnen
der genehme Dichter, "ut einen Schutz gegen solche Einseitigkeit gewähren die
Zuschauer nur in jenen mittleren und kleineren Städten, in welchen die lite-
rnrische Bildung überwiegt.

So machte sich denn wiederum die Unentbehrlichkeit eines Direktors fühlbar,
welcher Fachmann aber nicht Schauspieler war; wieder suchten verschiedne deu
Blick auf sich zu lenken -- wer möchte nicht einmal regieren, wenn anch nur
auf den Brettern! -- und wieder stimmten die Mitglieder des Theaters für
denjenigen, welcher wirklich gewählt wurde, Adolph Wilbrandt. Recht eigentlich
dnrch das Burgtheater nach Wien gezogen und an Wie" gefesselt, hatte er in
rastlosem, oft z" hastigem Prodnziren dieser Bühne eine lange Reihe von
Draine" geliefert, die keineswegs immer gelobt werden konnte", aber immer für
sein eminentes dramaturgisches Talent zeugte". Man hoffte daher in ihm einen
tüchtigen Regisseur zu gewinnen, der seine gründliche Kenntnis des Handwerks
im Dienste idealer Kunstauschauungen verwenden werde; zugleich hoffte man das
beste für sein eignes Schaffen, sobald eine praktische Beschäftigung ihn zu lang¬
samerem Arbeiten nötigen werde. Die Schauspieler aber dachte" offenbar über
ihn wie ihre Vorgänger über Heinrich Lanbe.


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überarbeitet habe; aus dein Zettel folgte dein Namen des Verfassers der Zusatz
„und ^ '"," und als nach der ersten Aufführung der herzlich unbedclltenden
Neuigkeit die guten Freunde heftig applandirten, erlaubte der Regisseur Sonnen-
thal dem geheimen „Dichter" Sonnenthal, dem Pnblikniir seinen Dank abzustatten.
Dieser Sieg der Eitelkeit über die Ordnung wurde denn doch vielen zu arg.
El» Maun, der berufen ist, die Gesetze des Instituts aufrecht zu erhalten, durch¬
brach mit sophistischer Motivirung eins der weisesten Gesetze derselben, nämlich
das, welches den Darstellern untersagt, anders, als wenn ihre Rolle es erheischt,
sich dem Publikum zu zeigen. Nur den gastirenden fremden Schauspielern und
den Verfassern neuer Stücke ist jene Befriedigung gewährt, und auf deu letzter»
Titel konnte sich der glückliche Schauspieler berufen; allein wer konnte sich
darüber täusche!?, daß nun unter seinen Kollegen ein Wettlnuf um die Ehre
ähnlicher geheime» Mitarbeiterschaft beginnen werde! Trug doch so mancher
mit Gram oder Grimm das grausame Verbot, da die glücklichen Opernsänger
die Freiheit genießen, nachdem sie sich gegenseitig umgebracht haben, Hand in Hund
und süßlächelnd dem verehrte» Publikum ihre Berbeuguug zu machen; und hatte
doch Dingelstedt die Hand geboten, andre lästige Bestimmungen zu umgehe»,
z. B. das Herkomme», daß außer deu Ferien kein Urlaub zu Gastreiseu bewilligt,
vielmehr der ganze Körper beisammeugehcilteu wurde! Auch das lag klar z»
Tage, was ans dem Repertoire geworden sein würde, we»» man die Regisseure
hätte weiter schalten lassen. Es ist in der Natur ihrer Beschäftigung begründet,
daß Schauspieler an einem Stücke selten mehr sehen als die einzelnen Rolle»,
vorzüglich diejenige», welche sie selbst zu spielen wünschen. Wer „gute Rolle»"
schreibt, für Abgäiige und Aktschlüsse sorgt, das Publikum gewinnt, der ist ihnen
der genehme Dichter, »ut einen Schutz gegen solche Einseitigkeit gewähren die
Zuschauer nur in jenen mittleren und kleineren Städten, in welchen die lite-
rnrische Bildung überwiegt.

So machte sich denn wiederum die Unentbehrlichkeit eines Direktors fühlbar,
welcher Fachmann aber nicht Schauspieler war; wieder suchten verschiedne deu
Blick auf sich zu lenken — wer möchte nicht einmal regieren, wenn anch nur
auf den Brettern! — und wieder stimmten die Mitglieder des Theaters für
denjenigen, welcher wirklich gewählt wurde, Adolph Wilbrandt. Recht eigentlich
dnrch das Burgtheater nach Wien gezogen und an Wie» gefesselt, hatte er in
rastlosem, oft z» hastigem Prodnziren dieser Bühne eine lange Reihe von
Draine» geliefert, die keineswegs immer gelobt werden konnte», aber immer für
sein eminentes dramaturgisches Talent zeugte». Man hoffte daher in ihm einen
tüchtigen Regisseur zu gewinnen, der seine gründliche Kenntnis des Handwerks
im Dienste idealer Kunstauschauungen verwenden werde; zugleich hoffte man das
beste für sein eignes Schaffen, sobald eine praktische Beschäftigung ihn zu lang¬
samerem Arbeiten nötigen werde. Die Schauspieler aber dachte» offenbar über
ihn wie ihre Vorgänger über Heinrich Lanbe.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/46>, abgerufen am 22.07.2024.