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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fremdwörtersenche.

noch essiren und trinkiren auf, damit unser Essen und Trinken den höhern Schliff
erhalte. Warum nicht? Der Italiener sagt ja trino-M, der Franzose sagt
trinankr: warum soll der Deutsche nicht trinqnireu sagen? Seine Mittel er¬
lauben ihm das, und es wäre ein so feines, zierliches, bezeichnendes Wort für
kneipen, zechen und fünfen. Doch ich vergesse die gute "Taute Therese." Also
weiter: Arrangement, Etablissement, vis-u-vis eis i'i<>", Arrangeur, Misere, exenss,
Causeuse, Portiere, Revenue, Niveau, charmant. Vorüber, ihr Schafe, vorüber!
Ich habe genng von dieser Dichtersprache. "Jetztzeit" scheint mir ein Muster
von Geschmack gegen diese Geschmacklosigkeiten und Geschmnckswidrigkeiten. Aber
Liudnu ist und bleibt der Splitter-Richter. In einer Besprechung von Fanny
Lewalds "Vater und Sohn" wirft er der Verfasserin allerlei verwunderliche
Ungewöhnlichkeiten ihres Stiles vor und nützt selbst den Ausdruck "stattgehabten
Wechsel" und die Wendung "danach achte dich" auf.^) Gewiß find das schlimme
Dinge. Aber der Balken, der Balken!

Viele, viele Namen von Schriftstellern, die Romane, Erzählungen, Novellen,
Schauspiele und andres in Prosa geschrieben haben und schreiben, ließen sich noch
anführen. Aber es giebt schlimmeres. Selbst in die eigentliche Dichtung hat
sich das Ungeziefer geschmackswidriger Fremdwörter auf eine erschreckende Art
eingeschlichen. Leuthold, der wahrlich keiner von den kleinen war, entstellt seine
Gedichte und Lieder oft mit Worten, wie risquiren, ordinär, arbiträr, Forts,
Pompgeschmückt, Monstredampfmaschine, elegant, honett, lamentiren u. s. w.

Auch Julius Wolff, der so schnell zu großem Rufe gelangte, ist nicht frei
von dieser sehr unerfreulichen Einmengerei fremder Ausdrücke. Ganz besonders
hat er es auf die Fremdwörter aus der Zeit unsrer alten höfischen Dichtung
abgesehen, die, Gott sei Dank! doch meist veraltet und unverständlich geworden
sind. So bringt er z. V. in seinem "Rattenfänger von Hameln" forchten,
fayliren. kalopiren, floitiren, trombouiren, Fablianx, Mnledij, Plumiteu, May-
gvllin, Tresur, Bringat, Galrey, Buat, Siglat, Palmae?e. Viele, wohl die meisten
dieser Wörter sind in den Fremdwörterbüchern nicht zu finden, auch in deu fran¬
zösischem und italienischen Handwörterbüchern nicht. Der Leserkreis seiner Dichtung
kennt sie nicht und kam, auch ihre Bedeutung nicht leicht ermitteln. Über alledem
aber sind sie entstellend und geschmacklos. Aber Wolff liebt auch die in unsrer
Zeit gebräuchlichen Fremdwörter. Er erzählt von einem devoter Gruße, vou
komplimentiren, Pike haben, Präsidiren, revidiren, präludiren, von Kurs, Spalier,
Guirlande, Amouren lind Grazie. Und er leistet sogar folgende zwei Verse:


Grav itätisch präsentirend
Faßte der Trabant jetzt Posto.

Das Werk des Dichters ist die höchste und vornehmste Quelle zur Förderung
der Sprache; aber kann durch ein solches Werk unsre Sprache gefördert werden?



*) Gegenwart 1831, S. 171.
Die Fremdwörtersenche.

noch essiren und trinkiren auf, damit unser Essen und Trinken den höhern Schliff
erhalte. Warum nicht? Der Italiener sagt ja trino-M, der Franzose sagt
trinankr: warum soll der Deutsche nicht trinqnireu sagen? Seine Mittel er¬
lauben ihm das, und es wäre ein so feines, zierliches, bezeichnendes Wort für
kneipen, zechen und fünfen. Doch ich vergesse die gute „Taute Therese." Also
weiter: Arrangement, Etablissement, vis-u-vis eis i'i<>», Arrangeur, Misere, exenss,
Causeuse, Portiere, Revenue, Niveau, charmant. Vorüber, ihr Schafe, vorüber!
Ich habe genng von dieser Dichtersprache. „Jetztzeit" scheint mir ein Muster
von Geschmack gegen diese Geschmacklosigkeiten und Geschmnckswidrigkeiten. Aber
Liudnu ist und bleibt der Splitter-Richter. In einer Besprechung von Fanny
Lewalds „Vater und Sohn" wirft er der Verfasserin allerlei verwunderliche
Ungewöhnlichkeiten ihres Stiles vor und nützt selbst den Ausdruck „stattgehabten
Wechsel" und die Wendung „danach achte dich" auf.^) Gewiß find das schlimme
Dinge. Aber der Balken, der Balken!

Viele, viele Namen von Schriftstellern, die Romane, Erzählungen, Novellen,
Schauspiele und andres in Prosa geschrieben haben und schreiben, ließen sich noch
anführen. Aber es giebt schlimmeres. Selbst in die eigentliche Dichtung hat
sich das Ungeziefer geschmackswidriger Fremdwörter auf eine erschreckende Art
eingeschlichen. Leuthold, der wahrlich keiner von den kleinen war, entstellt seine
Gedichte und Lieder oft mit Worten, wie risquiren, ordinär, arbiträr, Forts,
Pompgeschmückt, Monstredampfmaschine, elegant, honett, lamentiren u. s. w.

Auch Julius Wolff, der so schnell zu großem Rufe gelangte, ist nicht frei
von dieser sehr unerfreulichen Einmengerei fremder Ausdrücke. Ganz besonders
hat er es auf die Fremdwörter aus der Zeit unsrer alten höfischen Dichtung
abgesehen, die, Gott sei Dank! doch meist veraltet und unverständlich geworden
sind. So bringt er z. V. in seinem „Rattenfänger von Hameln" forchten,
fayliren. kalopiren, floitiren, trombouiren, Fablianx, Mnledij, Plumiteu, May-
gvllin, Tresur, Bringat, Galrey, Buat, Siglat, Palmae?e. Viele, wohl die meisten
dieser Wörter sind in den Fremdwörterbüchern nicht zu finden, auch in deu fran¬
zösischem und italienischen Handwörterbüchern nicht. Der Leserkreis seiner Dichtung
kennt sie nicht und kam, auch ihre Bedeutung nicht leicht ermitteln. Über alledem
aber sind sie entstellend und geschmacklos. Aber Wolff liebt auch die in unsrer
Zeit gebräuchlichen Fremdwörter. Er erzählt von einem devoter Gruße, vou
komplimentiren, Pike haben, Präsidiren, revidiren, präludiren, von Kurs, Spalier,
Guirlande, Amouren lind Grazie. Und er leistet sogar folgende zwei Verse:


Grav itätisch präsentirend
Faßte der Trabant jetzt Posto.

Das Werk des Dichters ist die höchste und vornehmste Quelle zur Förderung
der Sprache; aber kann durch ein solches Werk unsre Sprache gefördert werden?



*) Gegenwart 1831, S. 171.
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[0447] Die Fremdwörtersenche. noch essiren und trinkiren auf, damit unser Essen und Trinken den höhern Schliff erhalte. Warum nicht? Der Italiener sagt ja trino-M, der Franzose sagt trinankr: warum soll der Deutsche nicht trinqnireu sagen? Seine Mittel er¬ lauben ihm das, und es wäre ein so feines, zierliches, bezeichnendes Wort für kneipen, zechen und fünfen. Doch ich vergesse die gute „Taute Therese." Also weiter: Arrangement, Etablissement, vis-u-vis eis i'i<>», Arrangeur, Misere, exenss, Causeuse, Portiere, Revenue, Niveau, charmant. Vorüber, ihr Schafe, vorüber! Ich habe genng von dieser Dichtersprache. „Jetztzeit" scheint mir ein Muster von Geschmack gegen diese Geschmacklosigkeiten und Geschmnckswidrigkeiten. Aber Liudnu ist und bleibt der Splitter-Richter. In einer Besprechung von Fanny Lewalds „Vater und Sohn" wirft er der Verfasserin allerlei verwunderliche Ungewöhnlichkeiten ihres Stiles vor und nützt selbst den Ausdruck „stattgehabten Wechsel" und die Wendung „danach achte dich" auf.^) Gewiß find das schlimme Dinge. Aber der Balken, der Balken! Viele, viele Namen von Schriftstellern, die Romane, Erzählungen, Novellen, Schauspiele und andres in Prosa geschrieben haben und schreiben, ließen sich noch anführen. Aber es giebt schlimmeres. Selbst in die eigentliche Dichtung hat sich das Ungeziefer geschmackswidriger Fremdwörter auf eine erschreckende Art eingeschlichen. Leuthold, der wahrlich keiner von den kleinen war, entstellt seine Gedichte und Lieder oft mit Worten, wie risquiren, ordinär, arbiträr, Forts, Pompgeschmückt, Monstredampfmaschine, elegant, honett, lamentiren u. s. w. Auch Julius Wolff, der so schnell zu großem Rufe gelangte, ist nicht frei von dieser sehr unerfreulichen Einmengerei fremder Ausdrücke. Ganz besonders hat er es auf die Fremdwörter aus der Zeit unsrer alten höfischen Dichtung abgesehen, die, Gott sei Dank! doch meist veraltet und unverständlich geworden sind. So bringt er z. V. in seinem „Rattenfänger von Hameln" forchten, fayliren. kalopiren, floitiren, trombouiren, Fablianx, Mnledij, Plumiteu, May- gvllin, Tresur, Bringat, Galrey, Buat, Siglat, Palmae?e. Viele, wohl die meisten dieser Wörter sind in den Fremdwörterbüchern nicht zu finden, auch in deu fran¬ zösischem und italienischen Handwörterbüchern nicht. Der Leserkreis seiner Dichtung kennt sie nicht und kam, auch ihre Bedeutung nicht leicht ermitteln. Über alledem aber sind sie entstellend und geschmacklos. Aber Wolff liebt auch die in unsrer Zeit gebräuchlichen Fremdwörter. Er erzählt von einem devoter Gruße, vou komplimentiren, Pike haben, Präsidiren, revidiren, präludiren, von Kurs, Spalier, Guirlande, Amouren lind Grazie. Und er leistet sogar folgende zwei Verse: Grav itätisch präsentirend Faßte der Trabant jetzt Posto. Das Werk des Dichters ist die höchste und vornehmste Quelle zur Förderung der Sprache; aber kann durch ein solches Werk unsre Sprache gefördert werden? *) Gegenwart 1831, S. 171.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/447>, abgerufen am 28.09.2024.