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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Neue Dichtungen.

der Bauernkriege. . . . Über ein Jahrhundert später fuhrt aber die Sage seine
Gestalt noch einmal herauf." Diese Sätze geben die Grundlage an, ans der
die Dichtung aufgebaut ist.

Niklvt, der letzte Weudeukönig, ist ein Bauer, wie seine Landsleute alle;
friedlich und unbemerkt würde auch sein Königsdasein, wie das seiner Vorgänger,
dahinfließen, wenn nicht der alte Jazko, durch den er zum König erwählt worden
ist, und der grimmige Rndoslaus in wildem Hasse gegen die Deutschen einen
Aufstand gegen des Kaisers Vogt plänkelt und Niklot für diesen Plan gewonnen.
Niklot aber tritt zu den Deutschen dadurch in näheres Verhältnis, das; er des
Grafen von Lynar Tochter ans Todesgefahr rettet. Im Umgange mit ihnen
lernt er deu höhern Wert der deutscheu Kultur keime" und möchte sich ihnen
ganz anschließen. Aber der Graf von Lynar entdeckt die Liebe Niklots zu seiner
Tochter und jagt den wendischen Bauer, den er noch dazu als König und ver¬
meintlichen Schürcr des Hasses gegen die Deutschen kennen gelernt hat, schimpflich
dnvvn. Trotzdem zieht sich Niklot von der Kriegspartei zurück und nimmt, von
Radvslaus überdies tötlich beleidigt, an dem von Jazko ins Werk gesetzten
Sturme gegen des Grafen Schloß nicht teil, findet aber während desselben bei
dein Versuche, Mathilde zu entführen, den Tod, in den ihm diese nachfolgt,
wahrend Radvslaus und Jazko in heißem Kampfe fallen. Libnssa, des Jazko
hochgesinnte Tochter, die deu Niklvt liebt und um derentwillen Jazko ihn: die
Krone zugewendet, hat schon früher, wie sie ihre Liebe von Niklot um der Grafen¬
tochter willen verschmäht sieht, in wilder Verzweiflung den Tod gesucht.

Diese bewegte und noch mehrfach verwickelte Handlung spielt auf einem
^oden, der durch seine Eigenart eine besondre Anziehungskraft hat, im Spree-
Walde; und so bot sich dem Dichter Gelegenheit zu reizvollen Schilderungen
teuer eigentümlichen Verbindung von Wasser, Wald und Flur, die dieses schöne
Stück Erde kennzeichnet.

Freilich ist das eigenartige Leben, das sich dort ja noch heutigen Tages
erhalten hat, in dem Gedichte nicht so ausgiebig verwertet worden, als es mög-
^es gewesen wäre; in Sitten und Bräuchen hebt sich diese Welt von ihrer Um¬
gebung in der Dichtung nicht so scharf ab wie in der Wirklichkeit noch heute.

Noch auffälliger als dieser Mangel aber ist die Unklarheit, in der uns der
Dichter über die Zeit läßt, in welche er uus versetzen will. Die Schilderung
der Verhültuisse, die er dem Radvslans in den Mund legt, zeigt eine bedenk¬
liche Verwirrung.


Der Kaiser,
Dem wir unterthänig, dessen Zepter
Doch in unsre Wildnis nie gedrungen,
Hat uns jenein macht'gen nord'schen Fürsten
Überliefert, jenem Brandenburger,
Der aus seinem Land die Schweden jagte,

^renzlwieu IV. 1882. M
Neue Dichtungen.

der Bauernkriege. . . . Über ein Jahrhundert später fuhrt aber die Sage seine
Gestalt noch einmal herauf." Diese Sätze geben die Grundlage an, ans der
die Dichtung aufgebaut ist.

Niklvt, der letzte Weudeukönig, ist ein Bauer, wie seine Landsleute alle;
friedlich und unbemerkt würde auch sein Königsdasein, wie das seiner Vorgänger,
dahinfließen, wenn nicht der alte Jazko, durch den er zum König erwählt worden
ist, und der grimmige Rndoslaus in wildem Hasse gegen die Deutschen einen
Aufstand gegen des Kaisers Vogt plänkelt und Niklot für diesen Plan gewonnen.
Niklot aber tritt zu den Deutschen dadurch in näheres Verhältnis, das; er des
Grafen von Lynar Tochter ans Todesgefahr rettet. Im Umgange mit ihnen
lernt er deu höhern Wert der deutscheu Kultur keime» und möchte sich ihnen
ganz anschließen. Aber der Graf von Lynar entdeckt die Liebe Niklots zu seiner
Tochter und jagt den wendischen Bauer, den er noch dazu als König und ver¬
meintlichen Schürcr des Hasses gegen die Deutschen kennen gelernt hat, schimpflich
dnvvn. Trotzdem zieht sich Niklot von der Kriegspartei zurück und nimmt, von
Radvslaus überdies tötlich beleidigt, an dem von Jazko ins Werk gesetzten
Sturme gegen des Grafen Schloß nicht teil, findet aber während desselben bei
dein Versuche, Mathilde zu entführen, den Tod, in den ihm diese nachfolgt,
wahrend Radvslaus und Jazko in heißem Kampfe fallen. Libnssa, des Jazko
hochgesinnte Tochter, die deu Niklvt liebt und um derentwillen Jazko ihn: die
Krone zugewendet, hat schon früher, wie sie ihre Liebe von Niklot um der Grafen¬
tochter willen verschmäht sieht, in wilder Verzweiflung den Tod gesucht.

Diese bewegte und noch mehrfach verwickelte Handlung spielt auf einem
^oden, der durch seine Eigenart eine besondre Anziehungskraft hat, im Spree-
Walde; und so bot sich dem Dichter Gelegenheit zu reizvollen Schilderungen
teuer eigentümlichen Verbindung von Wasser, Wald und Flur, die dieses schöne
Stück Erde kennzeichnet.

Freilich ist das eigenartige Leben, das sich dort ja noch heutigen Tages
erhalten hat, in dem Gedichte nicht so ausgiebig verwertet worden, als es mög-
^es gewesen wäre; in Sitten und Bräuchen hebt sich diese Welt von ihrer Um¬
gebung in der Dichtung nicht so scharf ab wie in der Wirklichkeit noch heute.

Noch auffälliger als dieser Mangel aber ist die Unklarheit, in der uns der
Dichter über die Zeit läßt, in welche er uus versetzen will. Die Schilderung
der Verhültuisse, die er dem Radvslans in den Mund legt, zeigt eine bedenk¬
liche Verwirrung.


Der Kaiser,
Dem wir unterthänig, dessen Zepter
Doch in unsre Wildnis nie gedrungen,
Hat uns jenein macht'gen nord'schen Fürsten
Überliefert, jenem Brandenburger,
Der aus seinem Land die Schweden jagte,

^renzlwieu IV. 1882. M
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[0301] Neue Dichtungen. der Bauernkriege. . . . Über ein Jahrhundert später fuhrt aber die Sage seine Gestalt noch einmal herauf." Diese Sätze geben die Grundlage an, ans der die Dichtung aufgebaut ist. Niklvt, der letzte Weudeukönig, ist ein Bauer, wie seine Landsleute alle; friedlich und unbemerkt würde auch sein Königsdasein, wie das seiner Vorgänger, dahinfließen, wenn nicht der alte Jazko, durch den er zum König erwählt worden ist, und der grimmige Rndoslaus in wildem Hasse gegen die Deutschen einen Aufstand gegen des Kaisers Vogt plänkelt und Niklot für diesen Plan gewonnen. Niklot aber tritt zu den Deutschen dadurch in näheres Verhältnis, das; er des Grafen von Lynar Tochter ans Todesgefahr rettet. Im Umgange mit ihnen lernt er deu höhern Wert der deutscheu Kultur keime» und möchte sich ihnen ganz anschließen. Aber der Graf von Lynar entdeckt die Liebe Niklots zu seiner Tochter und jagt den wendischen Bauer, den er noch dazu als König und ver¬ meintlichen Schürcr des Hasses gegen die Deutschen kennen gelernt hat, schimpflich dnvvn. Trotzdem zieht sich Niklot von der Kriegspartei zurück und nimmt, von Radvslaus überdies tötlich beleidigt, an dem von Jazko ins Werk gesetzten Sturme gegen des Grafen Schloß nicht teil, findet aber während desselben bei dein Versuche, Mathilde zu entführen, den Tod, in den ihm diese nachfolgt, wahrend Radvslaus und Jazko in heißem Kampfe fallen. Libnssa, des Jazko hochgesinnte Tochter, die deu Niklvt liebt und um derentwillen Jazko ihn: die Krone zugewendet, hat schon früher, wie sie ihre Liebe von Niklot um der Grafen¬ tochter willen verschmäht sieht, in wilder Verzweiflung den Tod gesucht. Diese bewegte und noch mehrfach verwickelte Handlung spielt auf einem ^oden, der durch seine Eigenart eine besondre Anziehungskraft hat, im Spree- Walde; und so bot sich dem Dichter Gelegenheit zu reizvollen Schilderungen teuer eigentümlichen Verbindung von Wasser, Wald und Flur, die dieses schöne Stück Erde kennzeichnet. Freilich ist das eigenartige Leben, das sich dort ja noch heutigen Tages erhalten hat, in dem Gedichte nicht so ausgiebig verwertet worden, als es mög- ^es gewesen wäre; in Sitten und Bräuchen hebt sich diese Welt von ihrer Um¬ gebung in der Dichtung nicht so scharf ab wie in der Wirklichkeit noch heute. Noch auffälliger als dieser Mangel aber ist die Unklarheit, in der uns der Dichter über die Zeit läßt, in welche er uus versetzen will. Die Schilderung der Verhültuisse, die er dem Radvslans in den Mund legt, zeigt eine bedenk¬ liche Verwirrung. Der Kaiser, Dem wir unterthänig, dessen Zepter Doch in unsre Wildnis nie gedrungen, Hat uns jenein macht'gen nord'schen Fürsten Überliefert, jenem Brandenburger, Der aus seinem Land die Schweden jagte, ^renzlwieu IV. 1882. M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/301>, abgerufen am 26.06.2024.