Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus dein englischen Parlamente.

schlag läßt sich hören, nach welchem "der Antrag aus Fragestellung und Ab¬
stimmung nicht als bejaht gelten soll, wofern es sich nicht ergiebt, daß er von
zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Hauses unterstützt worden ist."
Doch läßt die Fassung desselben noch viel zu rechnen übrig, und die Stimmen¬
zähler des Hauses würden infolge dessen, wenn das Haus ihn unverändert an¬
nähme, ihre Not haben. Drummond Wolffs Amendement, daß dem Vorsitzenden
des Ausschusses keine Gewalt, den Debattenschluß herbeizuführen gegeben, werden
möge, war insofern wohlbegründet, als dieser Beamte an Würde tief unter dein
Sprecher steht und mehr als dieser Gefahr läuft, mit dem Getriebe der Parteien
in Berührung zu kommen und deren Einflüssen nachzugeben. Aber andrerseits
hatten diejenigen vollkommen recht, welche darauf hinwiesen, daß die Hemmung
und Verschleppung der Geschäfte vorzüglich im Ausschüsse stattfindet.

Wenn manche erwarteten, Gladstone werde erklären, daß sein Kabinet mit
der einfachen vlütur" stehe oder falle, so haben sie vergessen, daß der Premier,
indem er sich erbot, die Zweidrittelmajoritüt zuzugestehen, bekundet hat, daß er
in der Sache nachgiebig sein kann. Er wird also anch jetzt wahrscheinlich zu
Konzessionen zu bewegen sein. Aber ohne Zweifel wird er dem Hause nochmals
zu verstehen geben, daß die olüturv durch einfache Mehrheit diejenige Methode
ist, welche Ihrer Majestät Regierung für die zur Beseitigung aller Obstruktion
der parlamentarischen Thätigkeit geeignetste hält, und daß er und seine Gefolg¬
schaft sich alle Mühe geben werden, durchzusetzen, daß sie in die Geschäfts¬
ordnung des Unterhauses als Regel aufgenommen wird. Er wird indeß, wenigstens
mit Worten, "die Entscheidung dem Hause überlassen," und kein zartbesaitetes
liberales Gewissen braucht zu zittern, daß es durch ein Votum gegen die ein¬
fache unbeschränkte olöturg sein Ministerium stürzen oder eine Parlamentsauf¬
lösung herbeiführen werde.

Wie die Angelegenheit schließlich auch werdeu möge, sicher wird sie viel Zeit
in Anspruch nehmen und sich durch eine Reihe langwieriger Verhandlungen ohne
viel Fortschritt und Erfolg hinziehen, die nur einen neuen Beweis liefern werden,
wie notwendig eine Reform der Geschäftsordnung in dieser Beziehung ist. Wer
es nicht schon empfunden hat, daß hier Wandel geschafft werden muß, der wird
hierdurch davon überzeugt werden. Die Ausgabe ist nicht Aufhebung, sondern
zweckmäßige Beschränkung der Redefreiheit. Es muß eine billige, sichere und
praktische Methode gefunden werden, aller mutwillig herbeigeführten Hemmung
der Gesetzgebung ein Ende zu macheu, und beide Seiten des Unterhauses müssen
sich vereinige", um jeder eS ehrlich meinenden Negierung eine Waffe gegen dieses
Unwesen zu schaffen. Vielen ist das Mittel gegen die Obstruktivnisteu vor¬
züglich deshalb zuwider, weil es aus dem Auslande geholt ist, andre fürchten
Parteiische und rücksichtslose Anwendung desselben. Alle aber sollten doch ein-
gestehen, daß die Hände der obersten Autorität des Unterhauses gestärkt werden
müssen, wenn dieselbe imstande sein soll, künstig die wohlberechneten Manöver


Aus dein englischen Parlamente.

schlag läßt sich hören, nach welchem „der Antrag aus Fragestellung und Ab¬
stimmung nicht als bejaht gelten soll, wofern es sich nicht ergiebt, daß er von
zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Hauses unterstützt worden ist."
Doch läßt die Fassung desselben noch viel zu rechnen übrig, und die Stimmen¬
zähler des Hauses würden infolge dessen, wenn das Haus ihn unverändert an¬
nähme, ihre Not haben. Drummond Wolffs Amendement, daß dem Vorsitzenden
des Ausschusses keine Gewalt, den Debattenschluß herbeizuführen gegeben, werden
möge, war insofern wohlbegründet, als dieser Beamte an Würde tief unter dein
Sprecher steht und mehr als dieser Gefahr läuft, mit dem Getriebe der Parteien
in Berührung zu kommen und deren Einflüssen nachzugeben. Aber andrerseits
hatten diejenigen vollkommen recht, welche darauf hinwiesen, daß die Hemmung
und Verschleppung der Geschäfte vorzüglich im Ausschüsse stattfindet.

Wenn manche erwarteten, Gladstone werde erklären, daß sein Kabinet mit
der einfachen vlütur« stehe oder falle, so haben sie vergessen, daß der Premier,
indem er sich erbot, die Zweidrittelmajoritüt zuzugestehen, bekundet hat, daß er
in der Sache nachgiebig sein kann. Er wird also anch jetzt wahrscheinlich zu
Konzessionen zu bewegen sein. Aber ohne Zweifel wird er dem Hause nochmals
zu verstehen geben, daß die olüturv durch einfache Mehrheit diejenige Methode
ist, welche Ihrer Majestät Regierung für die zur Beseitigung aller Obstruktion
der parlamentarischen Thätigkeit geeignetste hält, und daß er und seine Gefolg¬
schaft sich alle Mühe geben werden, durchzusetzen, daß sie in die Geschäfts¬
ordnung des Unterhauses als Regel aufgenommen wird. Er wird indeß, wenigstens
mit Worten, „die Entscheidung dem Hause überlassen," und kein zartbesaitetes
liberales Gewissen braucht zu zittern, daß es durch ein Votum gegen die ein¬
fache unbeschränkte olöturg sein Ministerium stürzen oder eine Parlamentsauf¬
lösung herbeiführen werde.

Wie die Angelegenheit schließlich auch werdeu möge, sicher wird sie viel Zeit
in Anspruch nehmen und sich durch eine Reihe langwieriger Verhandlungen ohne
viel Fortschritt und Erfolg hinziehen, die nur einen neuen Beweis liefern werden,
wie notwendig eine Reform der Geschäftsordnung in dieser Beziehung ist. Wer
es nicht schon empfunden hat, daß hier Wandel geschafft werden muß, der wird
hierdurch davon überzeugt werden. Die Ausgabe ist nicht Aufhebung, sondern
zweckmäßige Beschränkung der Redefreiheit. Es muß eine billige, sichere und
praktische Methode gefunden werden, aller mutwillig herbeigeführten Hemmung
der Gesetzgebung ein Ende zu macheu, und beide Seiten des Unterhauses müssen
sich vereinige«, um jeder eS ehrlich meinenden Negierung eine Waffe gegen dieses
Unwesen zu schaffen. Vielen ist das Mittel gegen die Obstruktivnisteu vor¬
züglich deshalb zuwider, weil es aus dem Auslande geholt ist, andre fürchten
Parteiische und rücksichtslose Anwendung desselben. Alle aber sollten doch ein-
gestehen, daß die Hände der obersten Autorität des Unterhauses gestärkt werden
müssen, wenn dieselbe imstande sein soll, künstig die wohlberechneten Manöver


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194244"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus dein englischen Parlamente.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_966" prev="#ID_965"> schlag läßt sich hören, nach welchem &#x201E;der Antrag aus Fragestellung und Ab¬<lb/>
stimmung nicht als bejaht gelten soll, wofern es sich nicht ergiebt, daß er von<lb/>
zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Hauses unterstützt worden ist."<lb/>
Doch läßt die Fassung desselben noch viel zu rechnen übrig, und die Stimmen¬<lb/>
zähler des Hauses würden infolge dessen, wenn das Haus ihn unverändert an¬<lb/>
nähme, ihre Not haben. Drummond Wolffs Amendement, daß dem Vorsitzenden<lb/>
des Ausschusses keine Gewalt, den Debattenschluß herbeizuführen gegeben, werden<lb/>
möge, war insofern wohlbegründet, als dieser Beamte an Würde tief unter dein<lb/>
Sprecher steht und mehr als dieser Gefahr läuft, mit dem Getriebe der Parteien<lb/>
in Berührung zu kommen und deren Einflüssen nachzugeben. Aber andrerseits<lb/>
hatten diejenigen vollkommen recht, welche darauf hinwiesen, daß die Hemmung<lb/>
und Verschleppung der Geschäfte vorzüglich im Ausschüsse stattfindet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_967"> Wenn manche erwarteten, Gladstone werde erklären, daß sein Kabinet mit<lb/>
der einfachen vlütur« stehe oder falle, so haben sie vergessen, daß der Premier,<lb/>
indem er sich erbot, die Zweidrittelmajoritüt zuzugestehen, bekundet hat, daß er<lb/>
in der Sache nachgiebig sein kann. Er wird also anch jetzt wahrscheinlich zu<lb/>
Konzessionen zu bewegen sein. Aber ohne Zweifel wird er dem Hause nochmals<lb/>
zu verstehen geben, daß die olüturv durch einfache Mehrheit diejenige Methode<lb/>
ist, welche Ihrer Majestät Regierung für die zur Beseitigung aller Obstruktion<lb/>
der parlamentarischen Thätigkeit geeignetste hält, und daß er und seine Gefolg¬<lb/>
schaft sich alle Mühe geben werden, durchzusetzen, daß sie in die Geschäfts¬<lb/>
ordnung des Unterhauses als Regel aufgenommen wird. Er wird indeß, wenigstens<lb/>
mit Worten, &#x201E;die Entscheidung dem Hause überlassen," und kein zartbesaitetes<lb/>
liberales Gewissen braucht zu zittern, daß es durch ein Votum gegen die ein¬<lb/>
fache unbeschränkte olöturg sein Ministerium stürzen oder eine Parlamentsauf¬<lb/>
lösung herbeiführen werde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_968" next="#ID_969"> Wie die Angelegenheit schließlich auch werdeu möge, sicher wird sie viel Zeit<lb/>
in Anspruch nehmen und sich durch eine Reihe langwieriger Verhandlungen ohne<lb/>
viel Fortschritt und Erfolg hinziehen, die nur einen neuen Beweis liefern werden,<lb/>
wie notwendig eine Reform der Geschäftsordnung in dieser Beziehung ist. Wer<lb/>
es nicht schon empfunden hat, daß hier Wandel geschafft werden muß, der wird<lb/>
hierdurch davon überzeugt werden. Die Ausgabe ist nicht Aufhebung, sondern<lb/>
zweckmäßige Beschränkung der Redefreiheit. Es muß eine billige, sichere und<lb/>
praktische Methode gefunden werden, aller mutwillig herbeigeführten Hemmung<lb/>
der Gesetzgebung ein Ende zu macheu, und beide Seiten des Unterhauses müssen<lb/>
sich vereinige«, um jeder eS ehrlich meinenden Negierung eine Waffe gegen dieses<lb/>
Unwesen zu schaffen. Vielen ist das Mittel gegen die Obstruktivnisteu vor¬<lb/>
züglich deshalb zuwider, weil es aus dem Auslande geholt ist, andre fürchten<lb/>
Parteiische und rücksichtslose Anwendung desselben. Alle aber sollten doch ein-<lb/>
gestehen, daß die Hände der obersten Autorität des Unterhauses gestärkt werden<lb/>
müssen, wenn dieselbe imstande sein soll, künstig die wohlberechneten Manöver</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0266] Aus dein englischen Parlamente. schlag läßt sich hören, nach welchem „der Antrag aus Fragestellung und Ab¬ stimmung nicht als bejaht gelten soll, wofern es sich nicht ergiebt, daß er von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Hauses unterstützt worden ist." Doch läßt die Fassung desselben noch viel zu rechnen übrig, und die Stimmen¬ zähler des Hauses würden infolge dessen, wenn das Haus ihn unverändert an¬ nähme, ihre Not haben. Drummond Wolffs Amendement, daß dem Vorsitzenden des Ausschusses keine Gewalt, den Debattenschluß herbeizuführen gegeben, werden möge, war insofern wohlbegründet, als dieser Beamte an Würde tief unter dein Sprecher steht und mehr als dieser Gefahr läuft, mit dem Getriebe der Parteien in Berührung zu kommen und deren Einflüssen nachzugeben. Aber andrerseits hatten diejenigen vollkommen recht, welche darauf hinwiesen, daß die Hemmung und Verschleppung der Geschäfte vorzüglich im Ausschüsse stattfindet. Wenn manche erwarteten, Gladstone werde erklären, daß sein Kabinet mit der einfachen vlütur« stehe oder falle, so haben sie vergessen, daß der Premier, indem er sich erbot, die Zweidrittelmajoritüt zuzugestehen, bekundet hat, daß er in der Sache nachgiebig sein kann. Er wird also anch jetzt wahrscheinlich zu Konzessionen zu bewegen sein. Aber ohne Zweifel wird er dem Hause nochmals zu verstehen geben, daß die olüturv durch einfache Mehrheit diejenige Methode ist, welche Ihrer Majestät Regierung für die zur Beseitigung aller Obstruktion der parlamentarischen Thätigkeit geeignetste hält, und daß er und seine Gefolg¬ schaft sich alle Mühe geben werden, durchzusetzen, daß sie in die Geschäfts¬ ordnung des Unterhauses als Regel aufgenommen wird. Er wird indeß, wenigstens mit Worten, „die Entscheidung dem Hause überlassen," und kein zartbesaitetes liberales Gewissen braucht zu zittern, daß es durch ein Votum gegen die ein¬ fache unbeschränkte olöturg sein Ministerium stürzen oder eine Parlamentsauf¬ lösung herbeiführen werde. Wie die Angelegenheit schließlich auch werdeu möge, sicher wird sie viel Zeit in Anspruch nehmen und sich durch eine Reihe langwieriger Verhandlungen ohne viel Fortschritt und Erfolg hinziehen, die nur einen neuen Beweis liefern werden, wie notwendig eine Reform der Geschäftsordnung in dieser Beziehung ist. Wer es nicht schon empfunden hat, daß hier Wandel geschafft werden muß, der wird hierdurch davon überzeugt werden. Die Ausgabe ist nicht Aufhebung, sondern zweckmäßige Beschränkung der Redefreiheit. Es muß eine billige, sichere und praktische Methode gefunden werden, aller mutwillig herbeigeführten Hemmung der Gesetzgebung ein Ende zu macheu, und beide Seiten des Unterhauses müssen sich vereinige«, um jeder eS ehrlich meinenden Negierung eine Waffe gegen dieses Unwesen zu schaffen. Vielen ist das Mittel gegen die Obstruktivnisteu vor¬ züglich deshalb zuwider, weil es aus dem Auslande geholt ist, andre fürchten Parteiische und rücksichtslose Anwendung desselben. Alle aber sollten doch ein- gestehen, daß die Hände der obersten Autorität des Unterhauses gestärkt werden müssen, wenn dieselbe imstande sein soll, künstig die wohlberechneten Manöver

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/266
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/266>, abgerufen am 29.06.2024.