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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Der jüngste Tag.

Als er den Vers ausgesungen hatte, öffnete er seine halbgeschlossenen Augen
und sah Jonas an der Thür stehen.

Herr Vorsitzender Ältester, sagte Jonas, indem er vergeblich versuchte, mit
einiger Ernsthaftigkeit und Verehrung zu sprechen, ich komme, um mir Ihre Ein¬
willigung zur Verheiratung mit eiuer von Ihrer Herde zu erbitten. Es ist das
beste Lamm, das Sie in der ganzen Herde haben.

El der Tausend, Herr Harrison, sagte Vater Williams, der alte Älteste,
lachend, ich habe ja gar kein Recht zu bewilligen oder zu verbieten. Fragen
Sie doch die Dame selbst.'

Die Dame fragen! erwiederte Jonas. Hab ich das doch schon gethan.
Und hat Herr Goshoru nicht der Dame nnter Androhung der vorgeschriebenen
Strafen und Bußen verboten, mich zu heiraten, und hat nicht Herr Hall nnter
Goshorns Verbot sein Siegel gesetzt? Und ich sagte zu ihr,,.Cyuthy, sagte ich,
ich werde über diese Lebensfrage keinen geringern als einen Ältesten oder einen
Bischof entscheiden lassen. Wenn ich ein Schaf haben will, so gehe ich nicht
zum Schafknechte, sondern zum Oberhirten, und so habe ich diese Appellation
wis Grund eines 1appel8 vorpn" oder wie man's nennen will, bei Ihnen ein¬
gereicht.

Der Vorsitzende Älteste lachte wieder und sah sich Jonns genau an. Dann
ging er nach der Thür und rief den Kreisprediger, Herrn Hall, und deu Klassen¬
führer, Herrn Goshorn, herein, die sich beide zufällig in der nächsten Stube be¬
fanden und in hitziger Weise mit einem Bruder disputirteu, welcher el" wenig
vom Millerismus angesteckt war.

Was ist das, wenn Herr Harrisott mir sagt, Sie hätten ihm in seiner Sache
die Trauung verweigert?

Er ist ein Newlight, sagte Bruder Hall, indem er seineu Abscheu in seinen,
Gesichte zeigte, und es schien mir, daß die Verheiratung eiuer Methvdistiu mit
einem Newlight eine Sünde wäre -- eine unpassende Zusammenschmiedn"",
un't einem Uuglüubigeu. Sie wissen ja, Vater Williams, daß die Newlights
Arianer sind.

^ Der alte Mann schien sich hierüber noch mehr als vorher zu ergötzen,
wildem er sich an Jonas wandte, fragte er ihn, ob er ein Arianer wäre.

So viel ich weiß, bin ich keiner, mein ehrwürdiger Freund. Ich mag diese
Kwnkheit gekriegt haben als ich die Masern hatte, oder auch als ein kleines
flint ein Arianer gewesen sein, oder vielleicht bin ich ein Arianer mütterlicher¬
es, wissen Sie; aber da ich nicht weiß, wer oder was eS ist, so bin ich durchaus
weht verantwortlich dafür -- nicht verantwortlicher als Bruder Goshorn dafür
^se, daß er eine so demütige Miene hat. Aber ich nehme nu, daß Arianer eiuer
^"n den anmutigen Namen ist, deren ihr euch bedient, wenn ihr mit den New-
ughtpredigerii christliche Gespräche führt, wo ihr euch gegenseitig toll macht,
^es bin eiuer von denen, welche gerades Wegs zum Himmel wollen und nie¬
mals stillstehen, um mit Steinen nach den Methodisten, den Presbyterianern


Der jüngste Tag.

Als er den Vers ausgesungen hatte, öffnete er seine halbgeschlossenen Augen
und sah Jonas an der Thür stehen.

Herr Vorsitzender Ältester, sagte Jonas, indem er vergeblich versuchte, mit
einiger Ernsthaftigkeit und Verehrung zu sprechen, ich komme, um mir Ihre Ein¬
willigung zur Verheiratung mit eiuer von Ihrer Herde zu erbitten. Es ist das
beste Lamm, das Sie in der ganzen Herde haben.

El der Tausend, Herr Harrison, sagte Vater Williams, der alte Älteste,
lachend, ich habe ja gar kein Recht zu bewilligen oder zu verbieten. Fragen
Sie doch die Dame selbst.'

Die Dame fragen! erwiederte Jonas. Hab ich das doch schon gethan.
Und hat Herr Goshoru nicht der Dame nnter Androhung der vorgeschriebenen
Strafen und Bußen verboten, mich zu heiraten, und hat nicht Herr Hall nnter
Goshorns Verbot sein Siegel gesetzt? Und ich sagte zu ihr,,.Cyuthy, sagte ich,
ich werde über diese Lebensfrage keinen geringern als einen Ältesten oder einen
Bischof entscheiden lassen. Wenn ich ein Schaf haben will, so gehe ich nicht
zum Schafknechte, sondern zum Oberhirten, und so habe ich diese Appellation
wis Grund eines 1appel8 vorpn« oder wie man's nennen will, bei Ihnen ein¬
gereicht.

Der Vorsitzende Älteste lachte wieder und sah sich Jonns genau an. Dann
ging er nach der Thür und rief den Kreisprediger, Herrn Hall, und deu Klassen¬
führer, Herrn Goshorn, herein, die sich beide zufällig in der nächsten Stube be¬
fanden und in hitziger Weise mit einem Bruder disputirteu, welcher el» wenig
vom Millerismus angesteckt war.

Was ist das, wenn Herr Harrisott mir sagt, Sie hätten ihm in seiner Sache
die Trauung verweigert?

Er ist ein Newlight, sagte Bruder Hall, indem er seineu Abscheu in seinen,
Gesichte zeigte, und es schien mir, daß die Verheiratung eiuer Methvdistiu mit
einem Newlight eine Sünde wäre — eine unpassende Zusammenschmiedn»«,
un't einem Uuglüubigeu. Sie wissen ja, Vater Williams, daß die Newlights
Arianer sind.

^ Der alte Mann schien sich hierüber noch mehr als vorher zu ergötzen,
wildem er sich an Jonas wandte, fragte er ihn, ob er ein Arianer wäre.

So viel ich weiß, bin ich keiner, mein ehrwürdiger Freund. Ich mag diese
Kwnkheit gekriegt haben als ich die Masern hatte, oder auch als ein kleines
flint ein Arianer gewesen sein, oder vielleicht bin ich ein Arianer mütterlicher¬
es, wissen Sie; aber da ich nicht weiß, wer oder was eS ist, so bin ich durchaus
weht verantwortlich dafür — nicht verantwortlicher als Bruder Goshorn dafür
^se, daß er eine so demütige Miene hat. Aber ich nehme nu, daß Arianer eiuer
^»n den anmutigen Namen ist, deren ihr euch bedient, wenn ihr mit den New-
ughtpredigerii christliche Gespräche führt, wo ihr euch gegenseitig toll macht,
^es bin eiuer von denen, welche gerades Wegs zum Himmel wollen und nie¬
mals stillstehen, um mit Steinen nach den Methodisten, den Presbyterianern


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[0249] Der jüngste Tag. Als er den Vers ausgesungen hatte, öffnete er seine halbgeschlossenen Augen und sah Jonas an der Thür stehen. Herr Vorsitzender Ältester, sagte Jonas, indem er vergeblich versuchte, mit einiger Ernsthaftigkeit und Verehrung zu sprechen, ich komme, um mir Ihre Ein¬ willigung zur Verheiratung mit eiuer von Ihrer Herde zu erbitten. Es ist das beste Lamm, das Sie in der ganzen Herde haben. El der Tausend, Herr Harrison, sagte Vater Williams, der alte Älteste, lachend, ich habe ja gar kein Recht zu bewilligen oder zu verbieten. Fragen Sie doch die Dame selbst.' Die Dame fragen! erwiederte Jonas. Hab ich das doch schon gethan. Und hat Herr Goshoru nicht der Dame nnter Androhung der vorgeschriebenen Strafen und Bußen verboten, mich zu heiraten, und hat nicht Herr Hall nnter Goshorns Verbot sein Siegel gesetzt? Und ich sagte zu ihr,,.Cyuthy, sagte ich, ich werde über diese Lebensfrage keinen geringern als einen Ältesten oder einen Bischof entscheiden lassen. Wenn ich ein Schaf haben will, so gehe ich nicht zum Schafknechte, sondern zum Oberhirten, und so habe ich diese Appellation wis Grund eines 1appel8 vorpn« oder wie man's nennen will, bei Ihnen ein¬ gereicht. Der Vorsitzende Älteste lachte wieder und sah sich Jonns genau an. Dann ging er nach der Thür und rief den Kreisprediger, Herrn Hall, und deu Klassen¬ führer, Herrn Goshorn, herein, die sich beide zufällig in der nächsten Stube be¬ fanden und in hitziger Weise mit einem Bruder disputirteu, welcher el» wenig vom Millerismus angesteckt war. Was ist das, wenn Herr Harrisott mir sagt, Sie hätten ihm in seiner Sache die Trauung verweigert? Er ist ein Newlight, sagte Bruder Hall, indem er seineu Abscheu in seinen, Gesichte zeigte, und es schien mir, daß die Verheiratung eiuer Methvdistiu mit einem Newlight eine Sünde wäre — eine unpassende Zusammenschmiedn»«, un't einem Uuglüubigeu. Sie wissen ja, Vater Williams, daß die Newlights Arianer sind. ^ Der alte Mann schien sich hierüber noch mehr als vorher zu ergötzen, wildem er sich an Jonas wandte, fragte er ihn, ob er ein Arianer wäre. So viel ich weiß, bin ich keiner, mein ehrwürdiger Freund. Ich mag diese Kwnkheit gekriegt haben als ich die Masern hatte, oder auch als ein kleines flint ein Arianer gewesen sein, oder vielleicht bin ich ein Arianer mütterlicher¬ es, wissen Sie; aber da ich nicht weiß, wer oder was eS ist, so bin ich durchaus weht verantwortlich dafür — nicht verantwortlicher als Bruder Goshorn dafür ^se, daß er eine so demütige Miene hat. Aber ich nehme nu, daß Arianer eiuer ^»n den anmutigen Namen ist, deren ihr euch bedient, wenn ihr mit den New- ughtpredigerii christliche Gespräche führt, wo ihr euch gegenseitig toll macht, ^es bin eiuer von denen, welche gerades Wegs zum Himmel wollen und nie¬ mals stillstehen, um mit Steinen nach den Methodisten, den Presbyterianern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/249>, abgerufen am 28.09.2024.