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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Der jüngste Tag.

allemal, für die ganze Lebenszeit, sondern ein oft und immer N'iederholtcs
Kommen ist.

Jonas und Cynthy Ulm zogen sich nach der Küche zurück, und jener sagte
in seiner rücksichtslosen Weise: Will ein Schafskopf heißen, wenn die nicht
mehr Teufel im Leibe hat, als Maria Mngdalena um schönsten Tage ihres
Lebens. Ich sollte meinen, daß nach einem Leben mit ihr als Mutter die Hölle
eine recht gesunde und angenehme Gegend sein würde. An der kann selbst der
Teufel nichts mehr ausbessern.

Rede doch nicht so, Jonas; du sprichst so kurios, wie wenn du wirklich
etwas gottlos wärest.

Das bin ich eines, meine liebste Cynthy, aber Abigail Anderson ist nicht
bloß etwas gottlos, sondern ganz. Sie flucht, wenn sie betet, Sie verflucht
dieses'arme Mädchen Gott ins Gesicht hinein. Leb wohl, ich muß gehen. Es riecht
hier ganz fürchterlich nach Schwefel und Pech. Die letzten Worte brummte
er indignirt in sich hinein, als er über die Schwelle von Cynthys sauberer
Küche schritt.




Achtunddreißigstes Aapitel.
Ein Habicht verscheucht.

Jonas war aufs schwerste beunruhigt. Er übertrieb bei sich den Schaden,
den Humphreys jetzt August anthun konnte, da er wußte, wo dieser war. August
seinesteils war überzeugt, daß Humphreys nichts gegen ihn unternehmen werde,
sicherlich wenigstens nicht ans dem Wege gesetzlichen Vorgehens. Und was den
Verkauf von Ändersvns Farmer betraf, so machte ihm das keine Sorge. Wie
zu dieser Zeit fast ans jedermann, so hatten die Behauptungen der Milleriten
anch auf August Weste einen starken Eindruck gemacht, und wenn die Welt im
nächsten Monat unterging, so hatten die Farmer nichts zu bedeuten. Erwies
sich aber die Lehre Millers als Täuschung, so wurde Julia durch den Verlust
des Eigentums Samuel Andersons mit ihm, soweit als weltliche Güter in
Rechnung kamen, auf gleiche Stufe gestellt. Das Glück, das dieser letzte Ge¬
danke ihm brachte, beschämte ihn. Warum sollte er sich über Herrn Andersons
Unglück freuen? Warum sollte er deu Wunsch hegen, Julien z" sich herab¬
zuziehen? Aber trotzdem blieb der Gedanke ein angenehmer.

Jonas aber wollte es nicht so haben. Er hatte seinen Plan. Er ging
in jener selben Nacht mit Cynthy An" von der Adventistenversmnmlnug denn
und trat dann unter die Ecke der Veranda, um mit ihr zu plündern, wobei er
fest überzeugt war, daß Humphreys ihnen von oben her zuhören werde. Er
vernahm nach einer Weile, wie sein verstohlener Tritt in der obern Vernndn
ein lockeres Vret ans seiner Lage brachte. Darauf begann er mit Cynthy Ann
in folgendem Tone zu sprechen:

Siehst du, ich darf keine Geheimnisse verraten, Cynthy Ann, auch
deiner königlichen Gutheit nicht, wie ich sagen möchte, da du meine Fran nicht
bist und mich nicht werden wirst, wenn der Bruder Goshorn seinen Willen
durchsetzt. Aber meine Herzköuigiu bist du trotzdem. Wie wärs aber, wenn
ich dir ein Geheimnis wenigstens andeuten wollte?'

Bök, bst! sagte CynthyAnn, teils weil sie eine sündige Freude über die
Schmeichelei empfand, teils weil sie überzeugt war, daß Hnmphreys sich über


Der jüngste Tag.

allemal, für die ganze Lebenszeit, sondern ein oft und immer N'iederholtcs
Kommen ist.

Jonas und Cynthy Ulm zogen sich nach der Küche zurück, und jener sagte
in seiner rücksichtslosen Weise: Will ein Schafskopf heißen, wenn die nicht
mehr Teufel im Leibe hat, als Maria Mngdalena um schönsten Tage ihres
Lebens. Ich sollte meinen, daß nach einem Leben mit ihr als Mutter die Hölle
eine recht gesunde und angenehme Gegend sein würde. An der kann selbst der
Teufel nichts mehr ausbessern.

Rede doch nicht so, Jonas; du sprichst so kurios, wie wenn du wirklich
etwas gottlos wärest.

Das bin ich eines, meine liebste Cynthy, aber Abigail Anderson ist nicht
bloß etwas gottlos, sondern ganz. Sie flucht, wenn sie betet, Sie verflucht
dieses'arme Mädchen Gott ins Gesicht hinein. Leb wohl, ich muß gehen. Es riecht
hier ganz fürchterlich nach Schwefel und Pech. Die letzten Worte brummte
er indignirt in sich hinein, als er über die Schwelle von Cynthys sauberer
Küche schritt.




Achtunddreißigstes Aapitel.
Ein Habicht verscheucht.

Jonas war aufs schwerste beunruhigt. Er übertrieb bei sich den Schaden,
den Humphreys jetzt August anthun konnte, da er wußte, wo dieser war. August
seinesteils war überzeugt, daß Humphreys nichts gegen ihn unternehmen werde,
sicherlich wenigstens nicht ans dem Wege gesetzlichen Vorgehens. Und was den
Verkauf von Ändersvns Farmer betraf, so machte ihm das keine Sorge. Wie
zu dieser Zeit fast ans jedermann, so hatten die Behauptungen der Milleriten
anch auf August Weste einen starken Eindruck gemacht, und wenn die Welt im
nächsten Monat unterging, so hatten die Farmer nichts zu bedeuten. Erwies
sich aber die Lehre Millers als Täuschung, so wurde Julia durch den Verlust
des Eigentums Samuel Andersons mit ihm, soweit als weltliche Güter in
Rechnung kamen, auf gleiche Stufe gestellt. Das Glück, das dieser letzte Ge¬
danke ihm brachte, beschämte ihn. Warum sollte er sich über Herrn Andersons
Unglück freuen? Warum sollte er deu Wunsch hegen, Julien z» sich herab¬
zuziehen? Aber trotzdem blieb der Gedanke ein angenehmer.

Jonas aber wollte es nicht so haben. Er hatte seinen Plan. Er ging
in jener selben Nacht mit Cynthy An» von der Adventistenversmnmlnug denn
und trat dann unter die Ecke der Veranda, um mit ihr zu plündern, wobei er
fest überzeugt war, daß Humphreys ihnen von oben her zuhören werde. Er
vernahm nach einer Weile, wie sein verstohlener Tritt in der obern Vernndn
ein lockeres Vret ans seiner Lage brachte. Darauf begann er mit Cynthy Ann
in folgendem Tone zu sprechen:

Siehst du, ich darf keine Geheimnisse verraten, Cynthy Ann, auch
deiner königlichen Gutheit nicht, wie ich sagen möchte, da du meine Fran nicht
bist und mich nicht werden wirst, wenn der Bruder Goshorn seinen Willen
durchsetzt. Aber meine Herzköuigiu bist du trotzdem. Wie wärs aber, wenn
ich dir ein Geheimnis wenigstens andeuten wollte?'

Bök, bst! sagte CynthyAnn, teils weil sie eine sündige Freude über die
Schmeichelei empfand, teils weil sie überzeugt war, daß Hnmphreys sich über


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[0210] Der jüngste Tag. allemal, für die ganze Lebenszeit, sondern ein oft und immer N'iederholtcs Kommen ist. Jonas und Cynthy Ulm zogen sich nach der Küche zurück, und jener sagte in seiner rücksichtslosen Weise: Will ein Schafskopf heißen, wenn die nicht mehr Teufel im Leibe hat, als Maria Mngdalena um schönsten Tage ihres Lebens. Ich sollte meinen, daß nach einem Leben mit ihr als Mutter die Hölle eine recht gesunde und angenehme Gegend sein würde. An der kann selbst der Teufel nichts mehr ausbessern. Rede doch nicht so, Jonas; du sprichst so kurios, wie wenn du wirklich etwas gottlos wärest. Das bin ich eines, meine liebste Cynthy, aber Abigail Anderson ist nicht bloß etwas gottlos, sondern ganz. Sie flucht, wenn sie betet, Sie verflucht dieses'arme Mädchen Gott ins Gesicht hinein. Leb wohl, ich muß gehen. Es riecht hier ganz fürchterlich nach Schwefel und Pech. Die letzten Worte brummte er indignirt in sich hinein, als er über die Schwelle von Cynthys sauberer Küche schritt. Achtunddreißigstes Aapitel. Ein Habicht verscheucht. Jonas war aufs schwerste beunruhigt. Er übertrieb bei sich den Schaden, den Humphreys jetzt August anthun konnte, da er wußte, wo dieser war. August seinesteils war überzeugt, daß Humphreys nichts gegen ihn unternehmen werde, sicherlich wenigstens nicht ans dem Wege gesetzlichen Vorgehens. Und was den Verkauf von Ändersvns Farmer betraf, so machte ihm das keine Sorge. Wie zu dieser Zeit fast ans jedermann, so hatten die Behauptungen der Milleriten anch auf August Weste einen starken Eindruck gemacht, und wenn die Welt im nächsten Monat unterging, so hatten die Farmer nichts zu bedeuten. Erwies sich aber die Lehre Millers als Täuschung, so wurde Julia durch den Verlust des Eigentums Samuel Andersons mit ihm, soweit als weltliche Güter in Rechnung kamen, auf gleiche Stufe gestellt. Das Glück, das dieser letzte Ge¬ danke ihm brachte, beschämte ihn. Warum sollte er sich über Herrn Andersons Unglück freuen? Warum sollte er deu Wunsch hegen, Julien z» sich herab¬ zuziehen? Aber trotzdem blieb der Gedanke ein angenehmer. Jonas aber wollte es nicht so haben. Er hatte seinen Plan. Er ging in jener selben Nacht mit Cynthy An» von der Adventistenversmnmlnug denn und trat dann unter die Ecke der Veranda, um mit ihr zu plündern, wobei er fest überzeugt war, daß Humphreys ihnen von oben her zuhören werde. Er vernahm nach einer Weile, wie sein verstohlener Tritt in der obern Vernndn ein lockeres Vret ans seiner Lage brachte. Darauf begann er mit Cynthy Ann in folgendem Tone zu sprechen: Siehst du, ich darf keine Geheimnisse verraten, Cynthy Ann, auch deiner königlichen Gutheit nicht, wie ich sagen möchte, da du meine Fran nicht bist und mich nicht werden wirst, wenn der Bruder Goshorn seinen Willen durchsetzt. Aber meine Herzköuigiu bist du trotzdem. Wie wärs aber, wenn ich dir ein Geheimnis wenigstens andeuten wollte?' Bök, bst! sagte CynthyAnn, teils weil sie eine sündige Freude über die Schmeichelei empfand, teils weil sie überzeugt war, daß Hnmphreys sich über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/210>, abgerufen am 22.07.2024.