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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Der jüngste Tag.
von Goward Lgg leston.

(Fortsehnn^.)
Fünfunddreißigstes Kapitel.
Man macht sich bereit für das (Lüde.

le Julia zwei Stunden seliger Traurigkeit in der Burg verbrachte,
wie August, seiue Hand in der ihrigen, fünf Minute" hinter¬
einander ruhig schlief, dann erwachte und sie ansah und dann wieder
einschlummerte, wie sie seine vertrockneten Lippen anfeuchtete und
ihm Wein gab, wie sie zuletzt schmerzlichen Abschied von ihm nehmen
mußte, wie die Mutter ihr auf deutsch ihren Segen und einen
Kuß gab, wie Wilhelmine mit Thränen an ihr hing, wie Jonas sie einen
Turteltaubenengel nannte, wie Bruder Hall, der Prediger, nach welchem mau
auf Verlangen der Mutter geschickt hatte, um mit dem Sterbenden zu sprechen,
rui paar tröstende Worte um sie richtete, wie Gottlieb Jonas seine Absicht
anvertraute, niemals wieder was gegen die Bankee-Mädchen zu sagen, und
^vie Onkel Andrew zuletzt mit ihr nach Hause ging, alles das ausführlich
5" erzählen, habe ich keine Zeit. Als der Philosoph ihr Lebewohl sagte/ gab
^ ihr Namen, die sie nicht verstand. Aber sie drehte sich nach ihm um und
wgte nach einem kurzen Zögern mit halberstickter Stimme: Onkel Andrew, wenn
^6 mit ihm schlimmer werden sollte -- so mochte ich --

Ich weiß, meine Tochter, du möchtest, daß er als dein Gatte stürbe.
, . Ja, wenn er es wünscht. Schicke nach mir bei Tage oder bei Nacht, und
us werde kommen trotz aller Welt.

Gott segne dich, meine Tochter! sagte Andrew. Und er wartete, bis sie
Wohlbehalten'und ohne entdeckt zu werden, ins Haus gelangte, worauf er be¬
friedigt und stolz uach seiner Burg zurückkehrte.

Natürlich starb nun August, und Julia widmete sich Philanthropischen Ar¬
beiten. Es ist ja jetzt Mode, daß Romane ein solches trauriges Ende nehmen,
und der Leser wird nicht wollen, daß ich gegen die Mode verstoße.

Aber August starb nicht. Freude ist ein bessres Reizmittel zum Wieder¬
aufleben als Wein. Liebe ist das beste tonische Mittel in der ganzen Pharma-
wpöe. Und von der Stunde um, wo August Weste Julien in die Augen ge-




Der jüngste Tag.
von Goward Lgg leston.

(Fortsehnn^.)
Fünfunddreißigstes Kapitel.
Man macht sich bereit für das (Lüde.

le Julia zwei Stunden seliger Traurigkeit in der Burg verbrachte,
wie August, seiue Hand in der ihrigen, fünf Minute» hinter¬
einander ruhig schlief, dann erwachte und sie ansah und dann wieder
einschlummerte, wie sie seine vertrockneten Lippen anfeuchtete und
ihm Wein gab, wie sie zuletzt schmerzlichen Abschied von ihm nehmen
mußte, wie die Mutter ihr auf deutsch ihren Segen und einen
Kuß gab, wie Wilhelmine mit Thränen an ihr hing, wie Jonas sie einen
Turteltaubenengel nannte, wie Bruder Hall, der Prediger, nach welchem mau
auf Verlangen der Mutter geschickt hatte, um mit dem Sterbenden zu sprechen,
rui paar tröstende Worte um sie richtete, wie Gottlieb Jonas seine Absicht
anvertraute, niemals wieder was gegen die Bankee-Mädchen zu sagen, und
^vie Onkel Andrew zuletzt mit ihr nach Hause ging, alles das ausführlich
5« erzählen, habe ich keine Zeit. Als der Philosoph ihr Lebewohl sagte/ gab
^ ihr Namen, die sie nicht verstand. Aber sie drehte sich nach ihm um und
wgte nach einem kurzen Zögern mit halberstickter Stimme: Onkel Andrew, wenn
^6 mit ihm schlimmer werden sollte — so mochte ich —

Ich weiß, meine Tochter, du möchtest, daß er als dein Gatte stürbe.
, . Ja, wenn er es wünscht. Schicke nach mir bei Tage oder bei Nacht, und
us werde kommen trotz aller Welt.

Gott segne dich, meine Tochter! sagte Andrew. Und er wartete, bis sie
Wohlbehalten'und ohne entdeckt zu werden, ins Haus gelangte, worauf er be¬
friedigt und stolz uach seiner Burg zurückkehrte.

Natürlich starb nun August, und Julia widmete sich Philanthropischen Ar¬
beiten. Es ist ja jetzt Mode, daß Romane ein solches trauriges Ende nehmen,
und der Leser wird nicht wollen, daß ich gegen die Mode verstoße.

Aber August starb nicht. Freude ist ein bessres Reizmittel zum Wieder¬
aufleben als Wein. Liebe ist das beste tonische Mittel in der ganzen Pharma-
wpöe. Und von der Stunde um, wo August Weste Julien in die Augen ge-


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[0201] [Abbildung] Der jüngste Tag. von Goward Lgg leston. (Fortsehnn^.) Fünfunddreißigstes Kapitel. Man macht sich bereit für das (Lüde. le Julia zwei Stunden seliger Traurigkeit in der Burg verbrachte, wie August, seiue Hand in der ihrigen, fünf Minute» hinter¬ einander ruhig schlief, dann erwachte und sie ansah und dann wieder einschlummerte, wie sie seine vertrockneten Lippen anfeuchtete und ihm Wein gab, wie sie zuletzt schmerzlichen Abschied von ihm nehmen mußte, wie die Mutter ihr auf deutsch ihren Segen und einen Kuß gab, wie Wilhelmine mit Thränen an ihr hing, wie Jonas sie einen Turteltaubenengel nannte, wie Bruder Hall, der Prediger, nach welchem mau auf Verlangen der Mutter geschickt hatte, um mit dem Sterbenden zu sprechen, rui paar tröstende Worte um sie richtete, wie Gottlieb Jonas seine Absicht anvertraute, niemals wieder was gegen die Bankee-Mädchen zu sagen, und ^vie Onkel Andrew zuletzt mit ihr nach Hause ging, alles das ausführlich 5« erzählen, habe ich keine Zeit. Als der Philosoph ihr Lebewohl sagte/ gab ^ ihr Namen, die sie nicht verstand. Aber sie drehte sich nach ihm um und wgte nach einem kurzen Zögern mit halberstickter Stimme: Onkel Andrew, wenn ^6 mit ihm schlimmer werden sollte — so mochte ich — Ich weiß, meine Tochter, du möchtest, daß er als dein Gatte stürbe. , . Ja, wenn er es wünscht. Schicke nach mir bei Tage oder bei Nacht, und us werde kommen trotz aller Welt. Gott segne dich, meine Tochter! sagte Andrew. Und er wartete, bis sie Wohlbehalten'und ohne entdeckt zu werden, ins Haus gelangte, worauf er be¬ friedigt und stolz uach seiner Burg zurückkehrte. Natürlich starb nun August, und Julia widmete sich Philanthropischen Ar¬ beiten. Es ist ja jetzt Mode, daß Romane ein solches trauriges Ende nehmen, und der Leser wird nicht wollen, daß ich gegen die Mode verstoße. Aber August starb nicht. Freude ist ein bessres Reizmittel zum Wieder¬ aufleben als Wein. Liebe ist das beste tonische Mittel in der ganzen Pharma- wpöe. Und von der Stunde um, wo August Weste Julien in die Augen ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/201>, abgerufen am 26.06.2024.