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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Seine Worte kamen Ephraim entsetzlich albern vor, aber sie schienen Flörchen
sehr gut zu gefallen, denn sie dankte mit ihrem besten Lächeln und war von
einer Holdseligkeit und Geschmeidigkeit, die ebenfalls seit langen Wochen nicht
an ihr zu bemerken gewesen waren. Ephraim that, als achte er nicht darauf,
und trank stillschweigend seinen Wein, aber in seinem Innern kochte es.

Ein erbärmliches Geschlecht, eine rauhe Welt! sagte er sich. Man muß
auch kaufen oder much euch bändigen, wahre Liebe, sollte sie bei euch zu finden
sein? Es ist nicht der Mühe wert, euch zu besitzen, und der wahre Philosoph
wird euch weder heiraten noch verführen. Welch ein Triumph ist es denn, über
ein Herz zu siegen, dem ein Schnnrenrock mit Gold und ein gewichster Schnur¬
bart ewig gefährlich bleiben?

Flörchen ihrerseits cnnüsirte sich himmlisch und bemerkte das in sich ge¬
kehrte Wesen ihres ernsten Verehrers gar nicht. Noch nie war es ihr so gut
geworden. Der österreichische Offizier war ein Gras, wie ihr eiuer der Diener
mitteilte. Seinen Namen hatte sie uicht verstanden, aber das that auch nichts
zur Sache, es genügte der Ratstochter das Wonnegefühl, mit einem Grafen
getanzt zu haben, der noch dazu ein Offizier, und ein Husar, der sogar über
alledem ein schöner Mann war und ihr versprochen hatte, sie noch einmal zum
Tauze zu holen. Sie wiederholte sich jedes Wort, das er gesprochen hatte. Alles
war höchst witzig und treffend gewesen, und sie hatte stets laut lachen müssen.
Er hatte weder von der Gottheit noch der Geometrie gesprochen, sondern ihr
mit einem entzückenden ungarischen Fluch versichert, er habe in seinem ganzen
Leben noch kein so hübsches Mädchen gesehen wie sie. Er war sehr dreist ge¬
wesen, denn im Wirbel des Tanzes hatte er sie geküßt, ohne irgend eine Vorrede
zu machen. Aber so viel sie wußte, hatte es niemand gesehen, und wenn er
dachte, sie sei so sehr hübsch, war ihm eine solche Kühnheit vielleicht zu verzeihe".

Inzwischen fiel den: Förster, der in eine sehr glückliche Weinlaune gekommen
war, die finstere Miene Ephraims auf, und da er ein gutmütiger Mann war,
suchte er ihn aufzuheitern. Mit harmlosen, Spott traf er aber, ohne es zu
wissen, gerade deu wunden Punkt dessen, den er trösten wollte, und indem sich
in seinen Worten ganz unabsichtlich seiue tiefe Ehrfurcht vor dem fürstlichen
.Hause kundgab, verschärfte er deu Zcchu, der an des Jünglings Seele ungte.
Es schien in des Försters Seele unzweifelhaft festzustehen, daß es aus alle Fälle
eine Ehre für ihn und seine Begleitung sei, wen" ein zur fürstlichen Hochzeit
geladener Offizier mit Flörchen zu tanzen sich herabließ, und die Naivetät, mit
der dies zu Tage kam, machte Ephraim wütend.

Er erhob sich rasch und schlug vor, wieder nach Hause zu gehen. Doch
dieser Vorschlag begegnete dein entschiedensten Widerspruch. Den Gmelins wie
, dem Förster gefiel es sehr wohl im Winkel neben dem Küchengebäude. Der
Gartentisch, an dem sie saßen, war schneeweiß gedeckt, und in der Mitte stand
ein riesiger bekränzter Kuchen. Wildpasteten, Rinderbraten, Fischsalat, ruge-


Seine Worte kamen Ephraim entsetzlich albern vor, aber sie schienen Flörchen
sehr gut zu gefallen, denn sie dankte mit ihrem besten Lächeln und war von
einer Holdseligkeit und Geschmeidigkeit, die ebenfalls seit langen Wochen nicht
an ihr zu bemerken gewesen waren. Ephraim that, als achte er nicht darauf,
und trank stillschweigend seinen Wein, aber in seinem Innern kochte es.

Ein erbärmliches Geschlecht, eine rauhe Welt! sagte er sich. Man muß
auch kaufen oder much euch bändigen, wahre Liebe, sollte sie bei euch zu finden
sein? Es ist nicht der Mühe wert, euch zu besitzen, und der wahre Philosoph
wird euch weder heiraten noch verführen. Welch ein Triumph ist es denn, über
ein Herz zu siegen, dem ein Schnnrenrock mit Gold und ein gewichster Schnur¬
bart ewig gefährlich bleiben?

Flörchen ihrerseits cnnüsirte sich himmlisch und bemerkte das in sich ge¬
kehrte Wesen ihres ernsten Verehrers gar nicht. Noch nie war es ihr so gut
geworden. Der österreichische Offizier war ein Gras, wie ihr eiuer der Diener
mitteilte. Seinen Namen hatte sie uicht verstanden, aber das that auch nichts
zur Sache, es genügte der Ratstochter das Wonnegefühl, mit einem Grafen
getanzt zu haben, der noch dazu ein Offizier, und ein Husar, der sogar über
alledem ein schöner Mann war und ihr versprochen hatte, sie noch einmal zum
Tauze zu holen. Sie wiederholte sich jedes Wort, das er gesprochen hatte. Alles
war höchst witzig und treffend gewesen, und sie hatte stets laut lachen müssen.
Er hatte weder von der Gottheit noch der Geometrie gesprochen, sondern ihr
mit einem entzückenden ungarischen Fluch versichert, er habe in seinem ganzen
Leben noch kein so hübsches Mädchen gesehen wie sie. Er war sehr dreist ge¬
wesen, denn im Wirbel des Tanzes hatte er sie geküßt, ohne irgend eine Vorrede
zu machen. Aber so viel sie wußte, hatte es niemand gesehen, und wenn er
dachte, sie sei so sehr hübsch, war ihm eine solche Kühnheit vielleicht zu verzeihe«.

Inzwischen fiel den: Förster, der in eine sehr glückliche Weinlaune gekommen
war, die finstere Miene Ephraims auf, und da er ein gutmütiger Mann war,
suchte er ihn aufzuheitern. Mit harmlosen, Spott traf er aber, ohne es zu
wissen, gerade deu wunden Punkt dessen, den er trösten wollte, und indem sich
in seinen Worten ganz unabsichtlich seiue tiefe Ehrfurcht vor dem fürstlichen
.Hause kundgab, verschärfte er deu Zcchu, der an des Jünglings Seele ungte.
Es schien in des Försters Seele unzweifelhaft festzustehen, daß es aus alle Fälle
eine Ehre für ihn und seine Begleitung sei, wen» ein zur fürstlichen Hochzeit
geladener Offizier mit Flörchen zu tanzen sich herabließ, und die Naivetät, mit
der dies zu Tage kam, machte Ephraim wütend.

Er erhob sich rasch und schlug vor, wieder nach Hause zu gehen. Doch
dieser Vorschlag begegnete dein entschiedensten Widerspruch. Den Gmelins wie
, dem Förster gefiel es sehr wohl im Winkel neben dem Küchengebäude. Der
Gartentisch, an dem sie saßen, war schneeweiß gedeckt, und in der Mitte stand
ein riesiger bekränzter Kuchen. Wildpasteten, Rinderbraten, Fischsalat, ruge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/96>, abgerufen am 22.07.2024.