Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.bischer Vertretung, die in dem Oktoberdiplom enthalten gewesen waren, fast Die Kritik des Verfassers über die Geschäftsführung des Grafen Taafse bischer Vertretung, die in dem Oktoberdiplom enthalten gewesen waren, fast Die Kritik des Verfassers über die Geschäftsführung des Grafen Taafse <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0071" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193412"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_233" prev="#ID_232"> bischer Vertretung, die in dem Oktoberdiplom enthalten gewesen waren, fast<lb/> gänzlich beseitigte, fügte doch jene „Interessenvertretung" ein, welche den Fort¬<lb/> schrittlern von Anfang an ein Greuel war, und sie wurde überhaupt nach Ablauf<lb/> der parlamentarischen Flitterwochen als eine Ausgeburt des „Scheiukonstitutiona-<lb/> lismus" von denselben geschmäht, die zuerst für das Geschenk sehr dankbar<lb/> gewesen waren. Der Parlamentarismus besteht erst seit 1867, und ein im all¬<lb/> gemeinen so vorurteilsfreier Politiker, wie unser Autor, wird gewiß nicht be¬<lb/> haupten, daß die Verfassungen von 1860 und 1861 als absolut nudnrchfllhrbar,<lb/> für Österreich unpassend sich erwiesen hätten. Der Liberalismus wollte das<lb/> parlamentarische System 8sin8 pdr^so haben, die Staatsmänner am Ruder waren<lb/> zu selbstgefällig und zu bequem, um dein von der Presse kräftigst unterstützten<lb/> Schuhe nach links nachhaltig Widerstand leisten zu köunen, und ein unglück¬<lb/> licher Krieg und ein nach Popularität lüsterner Minister aus der Fremde voll¬<lb/> endeten das „Reformwerk." Die Anhänger des Parlamentarismus sind nnr<lb/> konsequent, wenn sie die noch aufrecht erhaltene besondre Vertretung des großen<lb/> Grundbesitzes und der Handels- und Gewerbekammcrn als systemwidrig anfeinden.<lb/> Wer aber, wie der Verfasser der „Austriaca," gerade diese Einrichtungen als<lb/> in den Verhältnissen des Reiches wohlbegründet anerkennt, der erkennt damit<lb/> auch an, daß es gerade für diesen Staat noch etwas drittes geben könne als<lb/> Absolutismus und Parlamentarismus. Und gerade er sollte die Möglichkeit<lb/> einer andern Gestaltung der inneren Verhältnisse Österreichs umsoweniger von<lb/> der Hand weisen, als er, ungleich der großen Menge seiner Parteigenossen, sich<lb/> darüber völlig klar ist, daß der Zustand, welchen der Eigensinn und die Ver¬<lb/> blendung der Führer der Verfassungspartei geschaffen haben, mit den Mitteln<lb/> des Parlamentarismus nicht wieder beseitigt werden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_234" next="#ID_235"> Die Kritik des Verfassers über die Geschäftsführung des Grafen Taafse<lb/> ist durchaus gerecht, frei vou der Animosität, welche im Lager der Verfassungs¬<lb/> treuen sonst an der Tagesordnung ist; er kann dort gerecht sein, weil er es<lb/> gegen die eigne Partei ist. Die Herbstler hatten ihrer Regierung den Boden<lb/> unter den Füßen zerwühlt, sie unpopulär und regierungsmüde gemacht, die Hand,<lb/> welche ihnen der Kaiser noch einmal durch Berufung des Freiherrn Pretis reichte,<lb/> brutal zurückgestoßen. Tanffe bildete ein Kabinet aus Mitgliedern der deutschen<lb/> Partei und Beamten, welche dieser nahe standen: dieser Regierung erklärten jene<lb/> vom ersten Tage an den Krieg aufs Messer, anstatt sie zu sich herüber zu<lb/> ziehen; jeder, der nur Miene machte, sich mit ihr zu vertragen, war vogelfrei.<lb/> Allerdings hatte der Ministerpräsident in einzelnen Fällen eine unglückliche Wahl<lb/> getroffen, damals aber würde er ohne Zweifel gern sein Ministerium aus dem<lb/> rechten Flügel der Verfasfnngspartei rekrutirt haben. Daran verhindert, griff<lb/> er nach der andern Seite hinüber. Was blieb ihm übrig? Und so oft ein<lb/> gemäßigtes Mitglied durch ein föderalistisches ersetzt wurde, so oft ein im Ver¬<lb/> dacht der Regierungsfreundlichkeit stehender Abgeordneter verstimmt sich zurückzog,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0071]
bischer Vertretung, die in dem Oktoberdiplom enthalten gewesen waren, fast
gänzlich beseitigte, fügte doch jene „Interessenvertretung" ein, welche den Fort¬
schrittlern von Anfang an ein Greuel war, und sie wurde überhaupt nach Ablauf
der parlamentarischen Flitterwochen als eine Ausgeburt des „Scheiukonstitutiona-
lismus" von denselben geschmäht, die zuerst für das Geschenk sehr dankbar
gewesen waren. Der Parlamentarismus besteht erst seit 1867, und ein im all¬
gemeinen so vorurteilsfreier Politiker, wie unser Autor, wird gewiß nicht be¬
haupten, daß die Verfassungen von 1860 und 1861 als absolut nudnrchfllhrbar,
für Österreich unpassend sich erwiesen hätten. Der Liberalismus wollte das
parlamentarische System 8sin8 pdr^so haben, die Staatsmänner am Ruder waren
zu selbstgefällig und zu bequem, um dein von der Presse kräftigst unterstützten
Schuhe nach links nachhaltig Widerstand leisten zu köunen, und ein unglück¬
licher Krieg und ein nach Popularität lüsterner Minister aus der Fremde voll¬
endeten das „Reformwerk." Die Anhänger des Parlamentarismus sind nnr
konsequent, wenn sie die noch aufrecht erhaltene besondre Vertretung des großen
Grundbesitzes und der Handels- und Gewerbekammcrn als systemwidrig anfeinden.
Wer aber, wie der Verfasser der „Austriaca," gerade diese Einrichtungen als
in den Verhältnissen des Reiches wohlbegründet anerkennt, der erkennt damit
auch an, daß es gerade für diesen Staat noch etwas drittes geben könne als
Absolutismus und Parlamentarismus. Und gerade er sollte die Möglichkeit
einer andern Gestaltung der inneren Verhältnisse Österreichs umsoweniger von
der Hand weisen, als er, ungleich der großen Menge seiner Parteigenossen, sich
darüber völlig klar ist, daß der Zustand, welchen der Eigensinn und die Ver¬
blendung der Führer der Verfassungspartei geschaffen haben, mit den Mitteln
des Parlamentarismus nicht wieder beseitigt werden kann.
Die Kritik des Verfassers über die Geschäftsführung des Grafen Taafse
ist durchaus gerecht, frei vou der Animosität, welche im Lager der Verfassungs¬
treuen sonst an der Tagesordnung ist; er kann dort gerecht sein, weil er es
gegen die eigne Partei ist. Die Herbstler hatten ihrer Regierung den Boden
unter den Füßen zerwühlt, sie unpopulär und regierungsmüde gemacht, die Hand,
welche ihnen der Kaiser noch einmal durch Berufung des Freiherrn Pretis reichte,
brutal zurückgestoßen. Tanffe bildete ein Kabinet aus Mitgliedern der deutschen
Partei und Beamten, welche dieser nahe standen: dieser Regierung erklärten jene
vom ersten Tage an den Krieg aufs Messer, anstatt sie zu sich herüber zu
ziehen; jeder, der nur Miene machte, sich mit ihr zu vertragen, war vogelfrei.
Allerdings hatte der Ministerpräsident in einzelnen Fällen eine unglückliche Wahl
getroffen, damals aber würde er ohne Zweifel gern sein Ministerium aus dem
rechten Flügel der Verfasfnngspartei rekrutirt haben. Daran verhindert, griff
er nach der andern Seite hinüber. Was blieb ihm übrig? Und so oft ein
gemäßigtes Mitglied durch ein föderalistisches ersetzt wurde, so oft ein im Ver¬
dacht der Regierungsfreundlichkeit stehender Abgeordneter verstimmt sich zurückzog,
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