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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Politische Lriefe.

ein so weitnussehendes, mit so viel natürlichen Hindernissen umgebenes Werk
sträubte. Wir lassen die entscheidende Stelle wörtlich folgen.

"Ich erwähne ausdrücklich den geringen Umfang, die geringe Tragweite
^der vorgeschlagenen Steuern^ denn von allen Gründen, welche dagegen ein¬
gewendet worden sind, ist meiner Empfindungsweise der am nächsten ver¬
wandt, daß Sie sich eine weitgreifende Steuerreform wünschen. Eine totale
Steuerreform, einschließlich der Zollreform, wer wünschte sie nicht? Aber sie
ist eine Herkulesarbeit, die mau angefaßt haben muß, um ihre Schwierigkeit
vollständig zu übersehen. Mit einem Zug an diesem Netze, uuter dem wir jetzt
in steuerlicher Beziehung gefangen siud, da klirren alle Maschen bis in die
kleinsten Staaten hinein; jeder hat seine besondern Wünsche. Eine vollständige
Reform kann nicht zustande kommen ohne eine bereitwillige, thätige, in die
Hände arbeitende Zusammenwirkung jeder einzelnen Negierung mit dem Reich."

Ob der Redner schon damals geahnt hat, daß es das preußische Abge¬
ordnetenhaus,sein würde, das jeues Zusammenwirken mit dem Reiche am meisten
vermissen lassen würde?

Nachdem der Fürst die Schwierigkeit einer totalen Steuerreform, seine
Scheu davor und die Unerläßlichkeit des willigsten Eingehens aller partikularen
Regierungen, die Parlamente eingeschlossen, hinlänglich zu erkennen gegeben
hatte, ging er dazu über, seine Gedanken über eine solche Reform, wenn das
Ziel einmal gesteckt werden sollte, in großen Umrissen mitzuteilen.

Es ist bewuuderuswert, wie der Staatsmann, den man des Schwankens
und der Inkonsequenz zeiht, sich treu geblieben ist. Der erste Gedanke war die
Verurteilung der direkten Steuern und der möglichst ausgedehnte Ersatz der¬
selben dnrch indirekte, aus denselben Gründen, die der Fürst immer wieder aus¬
geführt hat. Damals schon, vor sieben Jahren, wurde die bestehende Einkommen¬
steuer in die Verurteilung eingeschlossen, ausgenommen nur eine Einkommensteuer
der reichen Leute. Mau höre:

"Ich glaube, daß ich an manches Überzeugung stoße, wenn ich mich von
Hause aus für indirekte Steuern erkläre und die direkten für einen harten und
Plumpen Notbehelf halte, mit alleiniger Ausnahme einer Anstandsstener, die
ich ans den indirekten Steuern immer aufrecht erhalten würde: das ist die Ein¬
kommensteuer der reichen Leute -- aber wohlverstanden nnr der wirklich reichen
Leute.....Das Ideal, nach dem ich strebe, ist: möglichst ausschließlich durch
indirekte Steuern den Staatsbedarf aufzubringen. . . . Lassen wir die direkten
Steuern den städtischen Verwaltungen. Für den Staat ist es meiner Über¬
zeugung uach die Aufgabe, nach dem Beispiel vou England und Frankreich nach
indirekten Steuern zu streben."

Nunmehr entwickelte der Fürst eine,: Gedanken, den die Opposition nicht,
wie die andern Teile der Rede, vergessen hat, weil sie durch diesen Gedanken
den Redner eines flagranten Widerspruches mit seiner späteren Politik zeihen


Politische Lriefe.

ein so weitnussehendes, mit so viel natürlichen Hindernissen umgebenes Werk
sträubte. Wir lassen die entscheidende Stelle wörtlich folgen.

„Ich erwähne ausdrücklich den geringen Umfang, die geringe Tragweite
^der vorgeschlagenen Steuern^ denn von allen Gründen, welche dagegen ein¬
gewendet worden sind, ist meiner Empfindungsweise der am nächsten ver¬
wandt, daß Sie sich eine weitgreifende Steuerreform wünschen. Eine totale
Steuerreform, einschließlich der Zollreform, wer wünschte sie nicht? Aber sie
ist eine Herkulesarbeit, die mau angefaßt haben muß, um ihre Schwierigkeit
vollständig zu übersehen. Mit einem Zug an diesem Netze, uuter dem wir jetzt
in steuerlicher Beziehung gefangen siud, da klirren alle Maschen bis in die
kleinsten Staaten hinein; jeder hat seine besondern Wünsche. Eine vollständige
Reform kann nicht zustande kommen ohne eine bereitwillige, thätige, in die
Hände arbeitende Zusammenwirkung jeder einzelnen Negierung mit dem Reich."

Ob der Redner schon damals geahnt hat, daß es das preußische Abge¬
ordnetenhaus,sein würde, das jeues Zusammenwirken mit dem Reiche am meisten
vermissen lassen würde?

Nachdem der Fürst die Schwierigkeit einer totalen Steuerreform, seine
Scheu davor und die Unerläßlichkeit des willigsten Eingehens aller partikularen
Regierungen, die Parlamente eingeschlossen, hinlänglich zu erkennen gegeben
hatte, ging er dazu über, seine Gedanken über eine solche Reform, wenn das
Ziel einmal gesteckt werden sollte, in großen Umrissen mitzuteilen.

Es ist bewuuderuswert, wie der Staatsmann, den man des Schwankens
und der Inkonsequenz zeiht, sich treu geblieben ist. Der erste Gedanke war die
Verurteilung der direkten Steuern und der möglichst ausgedehnte Ersatz der¬
selben dnrch indirekte, aus denselben Gründen, die der Fürst immer wieder aus¬
geführt hat. Damals schon, vor sieben Jahren, wurde die bestehende Einkommen¬
steuer in die Verurteilung eingeschlossen, ausgenommen nur eine Einkommensteuer
der reichen Leute. Mau höre:

„Ich glaube, daß ich an manches Überzeugung stoße, wenn ich mich von
Hause aus für indirekte Steuern erkläre und die direkten für einen harten und
Plumpen Notbehelf halte, mit alleiniger Ausnahme einer Anstandsstener, die
ich ans den indirekten Steuern immer aufrecht erhalten würde: das ist die Ein¬
kommensteuer der reichen Leute — aber wohlverstanden nnr der wirklich reichen
Leute.....Das Ideal, nach dem ich strebe, ist: möglichst ausschließlich durch
indirekte Steuern den Staatsbedarf aufzubringen. . . . Lassen wir die direkten
Steuern den städtischen Verwaltungen. Für den Staat ist es meiner Über¬
zeugung uach die Aufgabe, nach dem Beispiel vou England und Frankreich nach
indirekten Steuern zu streben."

Nunmehr entwickelte der Fürst eine,: Gedanken, den die Opposition nicht,
wie die andern Teile der Rede, vergessen hat, weil sie durch diesen Gedanken
den Redner eines flagranten Widerspruches mit seiner späteren Politik zeihen


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[0621] Politische Lriefe. ein so weitnussehendes, mit so viel natürlichen Hindernissen umgebenes Werk sträubte. Wir lassen die entscheidende Stelle wörtlich folgen. „Ich erwähne ausdrücklich den geringen Umfang, die geringe Tragweite ^der vorgeschlagenen Steuern^ denn von allen Gründen, welche dagegen ein¬ gewendet worden sind, ist meiner Empfindungsweise der am nächsten ver¬ wandt, daß Sie sich eine weitgreifende Steuerreform wünschen. Eine totale Steuerreform, einschließlich der Zollreform, wer wünschte sie nicht? Aber sie ist eine Herkulesarbeit, die mau angefaßt haben muß, um ihre Schwierigkeit vollständig zu übersehen. Mit einem Zug an diesem Netze, uuter dem wir jetzt in steuerlicher Beziehung gefangen siud, da klirren alle Maschen bis in die kleinsten Staaten hinein; jeder hat seine besondern Wünsche. Eine vollständige Reform kann nicht zustande kommen ohne eine bereitwillige, thätige, in die Hände arbeitende Zusammenwirkung jeder einzelnen Negierung mit dem Reich." Ob der Redner schon damals geahnt hat, daß es das preußische Abge¬ ordnetenhaus,sein würde, das jeues Zusammenwirken mit dem Reiche am meisten vermissen lassen würde? Nachdem der Fürst die Schwierigkeit einer totalen Steuerreform, seine Scheu davor und die Unerläßlichkeit des willigsten Eingehens aller partikularen Regierungen, die Parlamente eingeschlossen, hinlänglich zu erkennen gegeben hatte, ging er dazu über, seine Gedanken über eine solche Reform, wenn das Ziel einmal gesteckt werden sollte, in großen Umrissen mitzuteilen. Es ist bewuuderuswert, wie der Staatsmann, den man des Schwankens und der Inkonsequenz zeiht, sich treu geblieben ist. Der erste Gedanke war die Verurteilung der direkten Steuern und der möglichst ausgedehnte Ersatz der¬ selben dnrch indirekte, aus denselben Gründen, die der Fürst immer wieder aus¬ geführt hat. Damals schon, vor sieben Jahren, wurde die bestehende Einkommen¬ steuer in die Verurteilung eingeschlossen, ausgenommen nur eine Einkommensteuer der reichen Leute. Mau höre: „Ich glaube, daß ich an manches Überzeugung stoße, wenn ich mich von Hause aus für indirekte Steuern erkläre und die direkten für einen harten und Plumpen Notbehelf halte, mit alleiniger Ausnahme einer Anstandsstener, die ich ans den indirekten Steuern immer aufrecht erhalten würde: das ist die Ein¬ kommensteuer der reichen Leute — aber wohlverstanden nnr der wirklich reichen Leute.....Das Ideal, nach dem ich strebe, ist: möglichst ausschließlich durch indirekte Steuern den Staatsbedarf aufzubringen. . . . Lassen wir die direkten Steuern den städtischen Verwaltungen. Für den Staat ist es meiner Über¬ zeugung uach die Aufgabe, nach dem Beispiel vou England und Frankreich nach indirekten Steuern zu streben." Nunmehr entwickelte der Fürst eine,: Gedanken, den die Opposition nicht, wie die andern Teile der Rede, vergessen hat, weil sie durch diesen Gedanken den Redner eines flagranten Widerspruches mit seiner späteren Politik zeihen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/621>, abgerufen am 22.07.2024.