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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der Nan^elvortrag und seine Bedeutung.

schwinde! nicht um Vereinzelungen, sondern NIN ein in das soziale Leben eitt-
gedrmigeues System, dessen Wirkungen sich ans jedermann direkt oder indirekt
erstrecken. Um aber dieses System zu überwinden, kann es nicht genügen, wenn
der Staat seine Gesetzgebung so entwickelt, daß die Börse und ihre Anhängsel
ans ihrer abgesonderten Stellung herausgehoben werde"; es ist vor allem not¬
wendig, das; das kapitalbesitzende Publikum selbst von seiner unheilvollen
Neigung, seine Finanzangelegenheiten, sein wirtschaftliches Wohl und Wehe Kom¬
missionären preiszugeben, sich befreie.




Der Kclnzelvortrag und seine Bedeutung.

^.<Mo in ctiovncto um". civium!>,tur . . .
Aktiv M'im^s ltodissö DöinoslÜKZiuzs <ti<.;iun',
tinui rvK"k>t.ur, amici in <1i<;su<1o vssob xri-
mnw, nule? "o<;mulet>s, er>i(! den'litt.s.

Cicero.

egen die Übersetzung des eieeronianischen -u;t.lo i" clivmräo durch
"Vortrag" ist nichts einzuwenden, wenn es in dem Sinne wie
bei Goethe in den Worten: "Allein der Vortrug macht des
Redners Glück" gilt, wenn darunter die Art der Darstellung der
Gedanken dnrch die Rede in Bezug auf Pronnnzintivn, Dekla¬
mation und Gestikulation verstanden wird. Über Vortrag in diesem Sinne und
zwar über den K'anzclvvrtrng unserer Geistlichen beabsichtige ich mich möglichst
eindringlich auszulassen, und obwohl schon die Überschrift dieses besagt, so glaube
ich doch besonders hervorheben zu müssen, das; ich nicht jene "papierene" Be-
redtsamkeit im Auge habe, über die unsere Geistliche" in demselben erfreulichen
Maße wie unsre sogenannten protkWores vio^uknUirs verfügen, sonder" das
"Wie sie reden," in welchen: Punkte diese xrofk^höre" noch gar viel von unsern
Knnzelrednern lernen könne", nachdem diese erst selbst sich hierin einer gründ¬
lichen Schulung und Ausbildung werde" unterzogen haben.

Freilich bin ich weit entfernt davon, behaupte" zu wollen, daß ein tüch¬
tiges, freies Wort über jene "papierene" Beredsamkeit, über de" Stil der
Ka"zelred"er nicht sehr am Platze wäre. Und gottlob lebe" wir ja "icht mehr
im Zeitalter Muhameds, der einfach durch Landesgesetz verordnete, daß sich
niemand erdreisten solle, besser zu schreiben als er, der vom Geiste Gottes ge¬
triebene, sondern in dem Jahrhundert des königlichen Verfassers der "Walhalla-


Der Nan^elvortrag und seine Bedeutung.

schwinde! nicht um Vereinzelungen, sondern NIN ein in das soziale Leben eitt-
gedrmigeues System, dessen Wirkungen sich ans jedermann direkt oder indirekt
erstrecken. Um aber dieses System zu überwinden, kann es nicht genügen, wenn
der Staat seine Gesetzgebung so entwickelt, daß die Börse und ihre Anhängsel
ans ihrer abgesonderten Stellung herausgehoben werde»; es ist vor allem not¬
wendig, das; das kapitalbesitzende Publikum selbst von seiner unheilvollen
Neigung, seine Finanzangelegenheiten, sein wirtschaftliches Wohl und Wehe Kom¬
missionären preiszugeben, sich befreie.




Der Kclnzelvortrag und seine Bedeutung.

^.<Mo in ctiovncto um». civium!>,tur . . .
Aktiv M'im^s ltodissö DöinoslÜKZiuzs <ti<.;iun',
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Cicero.

egen die Übersetzung des eieeronianischen -u;t.lo i» clivmräo durch
„Vortrag" ist nichts einzuwenden, wenn es in dem Sinne wie
bei Goethe in den Worten: „Allein der Vortrug macht des
Redners Glück" gilt, wenn darunter die Art der Darstellung der
Gedanken dnrch die Rede in Bezug auf Pronnnzintivn, Dekla¬
mation und Gestikulation verstanden wird. Über Vortrag in diesem Sinne und
zwar über den K'anzclvvrtrng unserer Geistlichen beabsichtige ich mich möglichst
eindringlich auszulassen, und obwohl schon die Überschrift dieses besagt, so glaube
ich doch besonders hervorheben zu müssen, das; ich nicht jene „papierene" Be-
redtsamkeit im Auge habe, über die unsere Geistliche» in demselben erfreulichen
Maße wie unsre sogenannten protkWores vio^uknUirs verfügen, sonder» das
„Wie sie reden," in welchen: Punkte diese xrofk^höre« noch gar viel von unsern
Knnzelrednern lernen könne», nachdem diese erst selbst sich hierin einer gründ¬
lichen Schulung und Ausbildung werde» unterzogen haben.

Freilich bin ich weit entfernt davon, behaupte» zu wollen, daß ein tüch¬
tiges, freies Wort über jene „papierene" Beredsamkeit, über de» Stil der
Ka»zelred»er nicht sehr am Platze wäre. Und gottlob lebe» wir ja »icht mehr
im Zeitalter Muhameds, der einfach durch Landesgesetz verordnete, daß sich
niemand erdreisten solle, besser zu schreiben als er, der vom Geiste Gottes ge¬
triebene, sondern in dem Jahrhundert des königlichen Verfassers der „Walhalla-


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[0598] Der Nan^elvortrag und seine Bedeutung. schwinde! nicht um Vereinzelungen, sondern NIN ein in das soziale Leben eitt- gedrmigeues System, dessen Wirkungen sich ans jedermann direkt oder indirekt erstrecken. Um aber dieses System zu überwinden, kann es nicht genügen, wenn der Staat seine Gesetzgebung so entwickelt, daß die Börse und ihre Anhängsel ans ihrer abgesonderten Stellung herausgehoben werde»; es ist vor allem not¬ wendig, das; das kapitalbesitzende Publikum selbst von seiner unheilvollen Neigung, seine Finanzangelegenheiten, sein wirtschaftliches Wohl und Wehe Kom¬ missionären preiszugeben, sich befreie. Der Kclnzelvortrag und seine Bedeutung. ^.<Mo in ctiovncto um». civium!>,tur . . . Aktiv M'im^s ltodissö DöinoslÜKZiuzs <ti<.;iun', tinui rvK«k>t.ur, amici in <1i<;su<1o vssob xri- mnw, nule? »o<;mulet>s, er>i(! den'litt.s. Cicero. egen die Übersetzung des eieeronianischen -u;t.lo i» clivmräo durch „Vortrag" ist nichts einzuwenden, wenn es in dem Sinne wie bei Goethe in den Worten: „Allein der Vortrug macht des Redners Glück" gilt, wenn darunter die Art der Darstellung der Gedanken dnrch die Rede in Bezug auf Pronnnzintivn, Dekla¬ mation und Gestikulation verstanden wird. Über Vortrag in diesem Sinne und zwar über den K'anzclvvrtrng unserer Geistlichen beabsichtige ich mich möglichst eindringlich auszulassen, und obwohl schon die Überschrift dieses besagt, so glaube ich doch besonders hervorheben zu müssen, das; ich nicht jene „papierene" Be- redtsamkeit im Auge habe, über die unsere Geistliche» in demselben erfreulichen Maße wie unsre sogenannten protkWores vio^uknUirs verfügen, sonder» das „Wie sie reden," in welchen: Punkte diese xrofk^höre« noch gar viel von unsern Knnzelrednern lernen könne», nachdem diese erst selbst sich hierin einer gründ¬ lichen Schulung und Ausbildung werde» unterzogen haben. Freilich bin ich weit entfernt davon, behaupte» zu wollen, daß ein tüch¬ tiges, freies Wort über jene „papierene" Beredsamkeit, über de» Stil der Ka»zelred»er nicht sehr am Platze wäre. Und gottlob lebe» wir ja »icht mehr im Zeitalter Muhameds, der einfach durch Landesgesetz verordnete, daß sich niemand erdreisten solle, besser zu schreiben als er, der vom Geiste Gottes ge¬ triebene, sondern in dem Jahrhundert des königlichen Verfassers der „Walhalla-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/598>, abgerufen am 25.08.2024.