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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Börse und Publikum.

lang geheim, um mit Hilfe der Börsenmakler und der "befreundeten" Presse
ihre Aktien zum Teil über pari an das große Publikum zu bringen, was mich
vollkommen glückte, worauf dann ein ungeheurer Kurssturz eintrat. Selbstver¬
ständlich fielen dann zu deu reduzirten Kursen die Aktien wieder an die Eingeweihten
zurück. Der unmittelbare Verlust bei dieser Affäre erreichte die Summe von
10 000 000 Mark, welche sämmtlich an die Gebrüder Mayer in Newyork ge¬
gangen waren. Diese Firma lvsie sich ans, erstand aber sogleich wieder in Ge¬
stalt zweier neuen Firmen, die sich dem amerikanischen und deutschen Publikum
alsbald empfahlen mit -- "besten Referenzen."

Der indirekte, durch die Agiotage der Eingeweihten hervorgerufene Verlust
dieser Affäre der Deutschen Handelsgesellschaft dürfte aber den Betrag von
10 000 000 Mark noch erheblich übersteigen. Die kleinen Leute wurden zu jener
kritischen Zeit, deren Bedeutung jedoch nnr die Eingeweihten kannten, dnrch die
Börsenmakler zum Ankauf von Deutschen Handelsgesellschafts-Aktien förmlich
haranguirt und verloren sämmtlich mehr als die Hälfte des aufgewandten Ka¬
pitals.

Gegen die Direktoren wurde zwar Anklage erhoben. Aber der Strafantrag
gegen beide lautete nur ans -- Geldstrafe. Der Gerichtshof erkannte gegen den
ersten Direktor allerdings auf drei Monate Gefängnis; allein derselbe ging in
aller Ruhe nach Amerika seinen Millionen nach. Es fand sich eben in unsern
Strafgesetzen kein Punkt, von dem der Direktor hätte gründlich gefaßt werden
können. Belastungszeugen gab es in der betreffenden Gerichtsverhandlung gar keine.
Es waren überhaupt als Zeugen nur ein Aufsichtsratsmitglied und ein Komman¬
ditär der befohlenen Gesellschaft anwesend. Und diese Zeugen -- der eine ein
früherer Armeelieferant und späterer Gründer, der andre ein wütiger Waaren¬
spekulant -- schienen nur anwesend zu sein, um zu beweisen, daß in diesen
Kreisen alle Scham verschwunden ist. Aus deu Zeugenaussagen klang es heraus
wie Staunen und Verwunderung, daß Herr Mnyer nicht alles, was überhaupt
da war, gestohlen, daß er sich mit lumpigen zehn Millionen begnügt und nicht
deu kleinen Rest auch noch genommen. Gewehre Hütte es ihm niemand. Der
Aufsichtsrat war zufrieden, wenn er alljährlich seine fetten Tantismen einstreichen
konnte; seine Sitzungen hielt er ganz u,ä libitum, und von minore;. Von einer
gründlichen Prüfung des Standes und der Geschäfte der Gesellschaft war keine
Rede. Die Mvnatsabschlüsse der Direktoren enthielten Fälschungen im Betrage
von einem halben Dutzend Millionen, aber dem Aufsichtsrat waren die Ab¬
schlüsse auch so recht. Deu geladenen Zeugen erschien daher der Direktor als
ein wahrer Ausbund von Ehrlichkeit, und die Juristen waren sich vffeubnr nicht
klar darüber, ob Fälschungen mich wirklich Fälschungen seien.

Jedenfalls ergiebt sich aus diesem Vorfalle, daß die Direktoren einer Aktien¬
gesellschaft allein oder gemeinsam mit dem Aufsichtsrat die Aktionäre um das
ganze Aktienkapital bestellen können, ohne etwas anderes als eine formelle Strafe


Börse und Publikum.

lang geheim, um mit Hilfe der Börsenmakler und der „befreundeten" Presse
ihre Aktien zum Teil über pari an das große Publikum zu bringen, was mich
vollkommen glückte, worauf dann ein ungeheurer Kurssturz eintrat. Selbstver¬
ständlich fielen dann zu deu reduzirten Kursen die Aktien wieder an die Eingeweihten
zurück. Der unmittelbare Verlust bei dieser Affäre erreichte die Summe von
10 000 000 Mark, welche sämmtlich an die Gebrüder Mayer in Newyork ge¬
gangen waren. Diese Firma lvsie sich ans, erstand aber sogleich wieder in Ge¬
stalt zweier neuen Firmen, die sich dem amerikanischen und deutschen Publikum
alsbald empfahlen mit — „besten Referenzen."

Der indirekte, durch die Agiotage der Eingeweihten hervorgerufene Verlust
dieser Affäre der Deutschen Handelsgesellschaft dürfte aber den Betrag von
10 000 000 Mark noch erheblich übersteigen. Die kleinen Leute wurden zu jener
kritischen Zeit, deren Bedeutung jedoch nnr die Eingeweihten kannten, dnrch die
Börsenmakler zum Ankauf von Deutschen Handelsgesellschafts-Aktien förmlich
haranguirt und verloren sämmtlich mehr als die Hälfte des aufgewandten Ka¬
pitals.

Gegen die Direktoren wurde zwar Anklage erhoben. Aber der Strafantrag
gegen beide lautete nur ans — Geldstrafe. Der Gerichtshof erkannte gegen den
ersten Direktor allerdings auf drei Monate Gefängnis; allein derselbe ging in
aller Ruhe nach Amerika seinen Millionen nach. Es fand sich eben in unsern
Strafgesetzen kein Punkt, von dem der Direktor hätte gründlich gefaßt werden
können. Belastungszeugen gab es in der betreffenden Gerichtsverhandlung gar keine.
Es waren überhaupt als Zeugen nur ein Aufsichtsratsmitglied und ein Komman¬
ditär der befohlenen Gesellschaft anwesend. Und diese Zeugen — der eine ein
früherer Armeelieferant und späterer Gründer, der andre ein wütiger Waaren¬
spekulant — schienen nur anwesend zu sein, um zu beweisen, daß in diesen
Kreisen alle Scham verschwunden ist. Aus deu Zeugenaussagen klang es heraus
wie Staunen und Verwunderung, daß Herr Mnyer nicht alles, was überhaupt
da war, gestohlen, daß er sich mit lumpigen zehn Millionen begnügt und nicht
deu kleinen Rest auch noch genommen. Gewehre Hütte es ihm niemand. Der
Aufsichtsrat war zufrieden, wenn er alljährlich seine fetten Tantismen einstreichen
konnte; seine Sitzungen hielt er ganz u,ä libitum, und von minore;. Von einer
gründlichen Prüfung des Standes und der Geschäfte der Gesellschaft war keine
Rede. Die Mvnatsabschlüsse der Direktoren enthielten Fälschungen im Betrage
von einem halben Dutzend Millionen, aber dem Aufsichtsrat waren die Ab¬
schlüsse auch so recht. Deu geladenen Zeugen erschien daher der Direktor als
ein wahrer Ausbund von Ehrlichkeit, und die Juristen waren sich vffeubnr nicht
klar darüber, ob Fälschungen mich wirklich Fälschungen seien.

Jedenfalls ergiebt sich aus diesem Vorfalle, daß die Direktoren einer Aktien¬
gesellschaft allein oder gemeinsam mit dem Aufsichtsrat die Aktionäre um das
ganze Aktienkapital bestellen können, ohne etwas anderes als eine formelle Strafe


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[0596] Börse und Publikum. lang geheim, um mit Hilfe der Börsenmakler und der „befreundeten" Presse ihre Aktien zum Teil über pari an das große Publikum zu bringen, was mich vollkommen glückte, worauf dann ein ungeheurer Kurssturz eintrat. Selbstver¬ ständlich fielen dann zu deu reduzirten Kursen die Aktien wieder an die Eingeweihten zurück. Der unmittelbare Verlust bei dieser Affäre erreichte die Summe von 10 000 000 Mark, welche sämmtlich an die Gebrüder Mayer in Newyork ge¬ gangen waren. Diese Firma lvsie sich ans, erstand aber sogleich wieder in Ge¬ stalt zweier neuen Firmen, die sich dem amerikanischen und deutschen Publikum alsbald empfahlen mit — „besten Referenzen." Der indirekte, durch die Agiotage der Eingeweihten hervorgerufene Verlust dieser Affäre der Deutschen Handelsgesellschaft dürfte aber den Betrag von 10 000 000 Mark noch erheblich übersteigen. Die kleinen Leute wurden zu jener kritischen Zeit, deren Bedeutung jedoch nnr die Eingeweihten kannten, dnrch die Börsenmakler zum Ankauf von Deutschen Handelsgesellschafts-Aktien förmlich haranguirt und verloren sämmtlich mehr als die Hälfte des aufgewandten Ka¬ pitals. Gegen die Direktoren wurde zwar Anklage erhoben. Aber der Strafantrag gegen beide lautete nur ans — Geldstrafe. Der Gerichtshof erkannte gegen den ersten Direktor allerdings auf drei Monate Gefängnis; allein derselbe ging in aller Ruhe nach Amerika seinen Millionen nach. Es fand sich eben in unsern Strafgesetzen kein Punkt, von dem der Direktor hätte gründlich gefaßt werden können. Belastungszeugen gab es in der betreffenden Gerichtsverhandlung gar keine. Es waren überhaupt als Zeugen nur ein Aufsichtsratsmitglied und ein Komman¬ ditär der befohlenen Gesellschaft anwesend. Und diese Zeugen — der eine ein früherer Armeelieferant und späterer Gründer, der andre ein wütiger Waaren¬ spekulant — schienen nur anwesend zu sein, um zu beweisen, daß in diesen Kreisen alle Scham verschwunden ist. Aus deu Zeugenaussagen klang es heraus wie Staunen und Verwunderung, daß Herr Mnyer nicht alles, was überhaupt da war, gestohlen, daß er sich mit lumpigen zehn Millionen begnügt und nicht deu kleinen Rest auch noch genommen. Gewehre Hütte es ihm niemand. Der Aufsichtsrat war zufrieden, wenn er alljährlich seine fetten Tantismen einstreichen konnte; seine Sitzungen hielt er ganz u,ä libitum, und von minore;. Von einer gründlichen Prüfung des Standes und der Geschäfte der Gesellschaft war keine Rede. Die Mvnatsabschlüsse der Direktoren enthielten Fälschungen im Betrage von einem halben Dutzend Millionen, aber dem Aufsichtsrat waren die Ab¬ schlüsse auch so recht. Deu geladenen Zeugen erschien daher der Direktor als ein wahrer Ausbund von Ehrlichkeit, und die Juristen waren sich vffeubnr nicht klar darüber, ob Fälschungen mich wirklich Fälschungen seien. Jedenfalls ergiebt sich aus diesem Vorfalle, daß die Direktoren einer Aktien¬ gesellschaft allein oder gemeinsam mit dem Aufsichtsrat die Aktionäre um das ganze Aktienkapital bestellen können, ohne etwas anderes als eine formelle Strafe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/596>, abgerufen am 25.08.2024.