Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
vorse "ut Publikum.

iiblich geworden. Bei Entrirung derartiger Geschäfte findet das Publikum bei
den "Bankiers" stets das freundlichste Entgegenkommen. Der Bankier ist zu
allem bereit. In einem Falle, wo ein Spekulationspapier ans diese Weise ge¬
kauft wurde, indem nämlich der doppelte Betrag der vorhandenen Mittel an¬
gelegt, der fehlende Betrag aber gegen Hinterlegung des ganzen Ankaufs beim
Bankier beschafft werden sollte, empfahl der letztere einen viel höhern Betrag
-- bis zu 80 Prozent -- zu kaufen; er sei zur Vorstreckung bis zu dieser Höhe
gern bereit.

Es liegt auf der Hand, daß das Publikum auf ein so "evulautes" Aner¬
bieten nur allzu leicht eingeht. Das dem Publikum beigebrachte Motiv zu dein
Verfahren des Mehrankaufs und der "Lombardiruug" der gekauften Titel ist
nämlich zunächst eine etwas höhere Verzinsung des angelegten Kapitals, die sich
"se ergiebt, indem der Ertrag der betreffenden Titel etwas höher ist als der
Zinssatz, der an den Bankier für die Veleihuug gezahlt werden muß. Und
selbstverständlich muß dann der Zinsertrag je mehr wachsen, je mehr "fremdes"
billigeres Kapital für den Ankauf verwandt werden kann.

Dieses scheinbar für den kleinen Kapitalisten so vorteilhafte Verhältnis
das ihm, wie er sich einbildet und wie ihm der Bankier bestätigt, ohne weiteres
Zuthun eine außerordentliche Erhöhung derRente bringt -- findet sich leider nicht nnr
un Börsengeschäft, sondern auch auf andern spekulativen Gebieten in sehr gefähr¬
licher Weise entwickelt. Thatsächlich ist es das Grab des mittlern und kleinen
Besitzes. Auf diese Weise manipnliren auch meist die Bauwucherer, indem sie
dein Besitzer eines kleinen Vermögens beibringen, daß, wenn er nur den Ban-
Platz zu bezahlen und den Grund zu legen imstande sei, ihm gern das zum
>lusban fehlende Geld "geliehen" werden würde. Dies geschieht dann auch;
aber bald genng erlebt man auch hier das Endergebnis: daß das ganze Halts
dem "Darleiher" gehört, während der Beliehene das Nachsehen hat.

Ganz dasselbe findet statt bei dem vbeubezeichueten Lvmbardverhältnis. In
beiden Füllen giebt sich der Düpirte dem verhängnisvollen Irrtum hin, er
mache bei dem andern ein Darlehn. In Wahrheit giebt er diesem nnr die
Handhabe, fremdes Eigentum auf die "rechtlichste" Weise an sich zu bringen.
Denn jeder Lombardvertrag enthält eine Klausel, nach welcher beim Sinken des
Kurses der lvmbardirten Titel im Verhältnis des Sinkens weitere Deckung ge¬
geben werden muß. Auf diese Weise ist der Börseulcne durch sein famoses Kanf-
und Leihgeschüft in den Zug der Börsenspekulation hineingeworfen, er weiß nicht
wie. Besonders bei Börsentiteln, welche starken und raschen Kursschwankungen
unterworfen siud, ist die Gefahr in dieser Hinsicht groß. Gerade auf diese Börseutitel
werden aber am bereitwilligsten große Leihbetrüge gegeben. Man motivirt dies damit,
daß man mit ihnen am leichtesten "herauskommen" könne. Thatsächlich ist aber
nnr der Prozeß der Eigentums-"Verwechslung" ein rascherer; der nominelle
Besitzer des Lombarddepots wird rascher mürbe. Denn selbstverständlich wird


vorse »ut Publikum.

iiblich geworden. Bei Entrirung derartiger Geschäfte findet das Publikum bei
den „Bankiers" stets das freundlichste Entgegenkommen. Der Bankier ist zu
allem bereit. In einem Falle, wo ein Spekulationspapier ans diese Weise ge¬
kauft wurde, indem nämlich der doppelte Betrag der vorhandenen Mittel an¬
gelegt, der fehlende Betrag aber gegen Hinterlegung des ganzen Ankaufs beim
Bankier beschafft werden sollte, empfahl der letztere einen viel höhern Betrag
— bis zu 80 Prozent — zu kaufen; er sei zur Vorstreckung bis zu dieser Höhe
gern bereit.

Es liegt auf der Hand, daß das Publikum auf ein so „evulautes" Aner¬
bieten nur allzu leicht eingeht. Das dem Publikum beigebrachte Motiv zu dein
Verfahren des Mehrankaufs und der „Lombardiruug" der gekauften Titel ist
nämlich zunächst eine etwas höhere Verzinsung des angelegten Kapitals, die sich
»se ergiebt, indem der Ertrag der betreffenden Titel etwas höher ist als der
Zinssatz, der an den Bankier für die Veleihuug gezahlt werden muß. Und
selbstverständlich muß dann der Zinsertrag je mehr wachsen, je mehr „fremdes"
billigeres Kapital für den Ankauf verwandt werden kann.

Dieses scheinbar für den kleinen Kapitalisten so vorteilhafte Verhältnis
das ihm, wie er sich einbildet und wie ihm der Bankier bestätigt, ohne weiteres
Zuthun eine außerordentliche Erhöhung derRente bringt — findet sich leider nicht nnr
un Börsengeschäft, sondern auch auf andern spekulativen Gebieten in sehr gefähr¬
licher Weise entwickelt. Thatsächlich ist es das Grab des mittlern und kleinen
Besitzes. Auf diese Weise manipnliren auch meist die Bauwucherer, indem sie
dein Besitzer eines kleinen Vermögens beibringen, daß, wenn er nur den Ban-
Platz zu bezahlen und den Grund zu legen imstande sei, ihm gern das zum
>lusban fehlende Geld „geliehen" werden würde. Dies geschieht dann auch;
aber bald genng erlebt man auch hier das Endergebnis: daß das ganze Halts
dem „Darleiher" gehört, während der Beliehene das Nachsehen hat.

Ganz dasselbe findet statt bei dem vbeubezeichueten Lvmbardverhältnis. In
beiden Füllen giebt sich der Düpirte dem verhängnisvollen Irrtum hin, er
mache bei dem andern ein Darlehn. In Wahrheit giebt er diesem nnr die
Handhabe, fremdes Eigentum auf die „rechtlichste" Weise an sich zu bringen.
Denn jeder Lombardvertrag enthält eine Klausel, nach welcher beim Sinken des
Kurses der lvmbardirten Titel im Verhältnis des Sinkens weitere Deckung ge¬
geben werden muß. Auf diese Weise ist der Börseulcne durch sein famoses Kanf-
und Leihgeschüft in den Zug der Börsenspekulation hineingeworfen, er weiß nicht
wie. Besonders bei Börsentiteln, welche starken und raschen Kursschwankungen
unterworfen siud, ist die Gefahr in dieser Hinsicht groß. Gerade auf diese Börseutitel
werden aber am bereitwilligsten große Leihbetrüge gegeben. Man motivirt dies damit,
daß man mit ihnen am leichtesten „herauskommen" könne. Thatsächlich ist aber
nnr der Prozeß der Eigentums-„Verwechslung" ein rascherer; der nominelle
Besitzer des Lombarddepots wird rascher mürbe. Denn selbstverständlich wird


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0591" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193932"/>
          <fw type="header" place="top"> vorse »ut Publikum.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2044" prev="#ID_2043"> iiblich geworden. Bei Entrirung derartiger Geschäfte findet das Publikum bei<lb/>
den &#x201E;Bankiers" stets das freundlichste Entgegenkommen. Der Bankier ist zu<lb/>
allem bereit. In einem Falle, wo ein Spekulationspapier ans diese Weise ge¬<lb/>
kauft wurde, indem nämlich der doppelte Betrag der vorhandenen Mittel an¬<lb/>
gelegt, der fehlende Betrag aber gegen Hinterlegung des ganzen Ankaufs beim<lb/>
Bankier beschafft werden sollte, empfahl der letztere einen viel höhern Betrag<lb/>
&#x2014; bis zu 80 Prozent &#x2014; zu kaufen; er sei zur Vorstreckung bis zu dieser Höhe<lb/>
gern bereit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2045"> Es liegt auf der Hand, daß das Publikum auf ein so &#x201E;evulautes" Aner¬<lb/>
bieten nur allzu leicht eingeht. Das dem Publikum beigebrachte Motiv zu dein<lb/>
Verfahren des Mehrankaufs und der &#x201E;Lombardiruug" der gekauften Titel ist<lb/>
nämlich zunächst eine etwas höhere Verzinsung des angelegten Kapitals, die sich<lb/>
»se ergiebt, indem der Ertrag der betreffenden Titel etwas höher ist als der<lb/>
Zinssatz, der an den Bankier für die Veleihuug gezahlt werden muß. Und<lb/>
selbstverständlich muß dann der Zinsertrag je mehr wachsen, je mehr &#x201E;fremdes"<lb/>
billigeres Kapital für den Ankauf verwandt werden kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2046"> Dieses scheinbar für den kleinen Kapitalisten so vorteilhafte Verhältnis<lb/>
das ihm, wie er sich einbildet und wie ihm der Bankier bestätigt, ohne weiteres<lb/>
Zuthun eine außerordentliche Erhöhung derRente bringt &#x2014; findet sich leider nicht nnr<lb/>
un Börsengeschäft, sondern auch auf andern spekulativen Gebieten in sehr gefähr¬<lb/>
licher Weise entwickelt. Thatsächlich ist es das Grab des mittlern und kleinen<lb/>
Besitzes. Auf diese Weise manipnliren auch meist die Bauwucherer, indem sie<lb/>
dein Besitzer eines kleinen Vermögens beibringen, daß, wenn er nur den Ban-<lb/>
Platz zu bezahlen und den Grund zu legen imstande sei, ihm gern das zum<lb/>
&gt;lusban fehlende Geld &#x201E;geliehen" werden würde. Dies geschieht dann auch;<lb/>
aber bald genng erlebt man auch hier das Endergebnis: daß das ganze Halts<lb/>
dem &#x201E;Darleiher" gehört, während der Beliehene das Nachsehen hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2047" next="#ID_2048"> Ganz dasselbe findet statt bei dem vbeubezeichueten Lvmbardverhältnis. In<lb/>
beiden Füllen giebt sich der Düpirte dem verhängnisvollen Irrtum hin, er<lb/>
mache bei dem andern ein Darlehn. In Wahrheit giebt er diesem nnr die<lb/>
Handhabe, fremdes Eigentum auf die &#x201E;rechtlichste" Weise an sich zu bringen.<lb/>
Denn jeder Lombardvertrag enthält eine Klausel, nach welcher beim Sinken des<lb/>
Kurses der lvmbardirten Titel im Verhältnis des Sinkens weitere Deckung ge¬<lb/>
geben werden muß. Auf diese Weise ist der Börseulcne durch sein famoses Kanf-<lb/>
und Leihgeschüft in den Zug der Börsenspekulation hineingeworfen, er weiß nicht<lb/>
wie. Besonders bei Börsentiteln, welche starken und raschen Kursschwankungen<lb/>
unterworfen siud, ist die Gefahr in dieser Hinsicht groß. Gerade auf diese Börseutitel<lb/>
werden aber am bereitwilligsten große Leihbetrüge gegeben. Man motivirt dies damit,<lb/>
daß man mit ihnen am leichtesten &#x201E;herauskommen" könne. Thatsächlich ist aber<lb/>
nnr der Prozeß der Eigentums-&#x201E;Verwechslung" ein rascherer; der nominelle<lb/>
Besitzer des Lombarddepots wird rascher mürbe.  Denn selbstverständlich wird</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0591] vorse »ut Publikum. iiblich geworden. Bei Entrirung derartiger Geschäfte findet das Publikum bei den „Bankiers" stets das freundlichste Entgegenkommen. Der Bankier ist zu allem bereit. In einem Falle, wo ein Spekulationspapier ans diese Weise ge¬ kauft wurde, indem nämlich der doppelte Betrag der vorhandenen Mittel an¬ gelegt, der fehlende Betrag aber gegen Hinterlegung des ganzen Ankaufs beim Bankier beschafft werden sollte, empfahl der letztere einen viel höhern Betrag — bis zu 80 Prozent — zu kaufen; er sei zur Vorstreckung bis zu dieser Höhe gern bereit. Es liegt auf der Hand, daß das Publikum auf ein so „evulautes" Aner¬ bieten nur allzu leicht eingeht. Das dem Publikum beigebrachte Motiv zu dein Verfahren des Mehrankaufs und der „Lombardiruug" der gekauften Titel ist nämlich zunächst eine etwas höhere Verzinsung des angelegten Kapitals, die sich »se ergiebt, indem der Ertrag der betreffenden Titel etwas höher ist als der Zinssatz, der an den Bankier für die Veleihuug gezahlt werden muß. Und selbstverständlich muß dann der Zinsertrag je mehr wachsen, je mehr „fremdes" billigeres Kapital für den Ankauf verwandt werden kann. Dieses scheinbar für den kleinen Kapitalisten so vorteilhafte Verhältnis das ihm, wie er sich einbildet und wie ihm der Bankier bestätigt, ohne weiteres Zuthun eine außerordentliche Erhöhung derRente bringt — findet sich leider nicht nnr un Börsengeschäft, sondern auch auf andern spekulativen Gebieten in sehr gefähr¬ licher Weise entwickelt. Thatsächlich ist es das Grab des mittlern und kleinen Besitzes. Auf diese Weise manipnliren auch meist die Bauwucherer, indem sie dein Besitzer eines kleinen Vermögens beibringen, daß, wenn er nur den Ban- Platz zu bezahlen und den Grund zu legen imstande sei, ihm gern das zum >lusban fehlende Geld „geliehen" werden würde. Dies geschieht dann auch; aber bald genng erlebt man auch hier das Endergebnis: daß das ganze Halts dem „Darleiher" gehört, während der Beliehene das Nachsehen hat. Ganz dasselbe findet statt bei dem vbeubezeichueten Lvmbardverhältnis. In beiden Füllen giebt sich der Düpirte dem verhängnisvollen Irrtum hin, er mache bei dem andern ein Darlehn. In Wahrheit giebt er diesem nnr die Handhabe, fremdes Eigentum auf die „rechtlichste" Weise an sich zu bringen. Denn jeder Lombardvertrag enthält eine Klausel, nach welcher beim Sinken des Kurses der lvmbardirten Titel im Verhältnis des Sinkens weitere Deckung ge¬ geben werden muß. Auf diese Weise ist der Börseulcne durch sein famoses Kanf- und Leihgeschüft in den Zug der Börsenspekulation hineingeworfen, er weiß nicht wie. Besonders bei Börsentiteln, welche starken und raschen Kursschwankungen unterworfen siud, ist die Gefahr in dieser Hinsicht groß. Gerade auf diese Börseutitel werden aber am bereitwilligsten große Leihbetrüge gegeben. Man motivirt dies damit, daß man mit ihnen am leichtesten „herauskommen" könne. Thatsächlich ist aber nnr der Prozeß der Eigentums-„Verwechslung" ein rascherer; der nominelle Besitzer des Lombarddepots wird rascher mürbe. Denn selbstverständlich wird

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/591
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/591>, abgerufen am 24.08.2024.