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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der jüngste Tag.

in die ihr Bruder geraten ist, und durch sein Heimtvnuneu keine ruhigere Zeit
haben, sagte Cyuthy Am,.

Na, ich denke nicht, das; sie sich aus ihm viel macht, erwiederte Jonas.
Weißt du wohl, das ist gar nicht möglich. Ihn lieben? Na, meine liebe
Cynthy Anm -- hier machte sich Cyuthy Anm Vorwürfe, daß sie auf etwas so
Angenehmes wie die Worte "meine liebe" hörte -- na, meine liebe Cyuthy
Ann, siehst dn, dn konntest am Ende einen Igel lieben und füttern, aber ich
denke, das ist bei dir nicht recht wahrscheinlich. Ich habe noch von niemandem,
sagen hören, daß er Klettenköpfe an seinem Busen trägt. Du siehst, daß es an
Norman Anderson keine Stelle giebt, wo Liebe sich anhalten könnte, ohne sich zu
stechen oder zu kratzen.

Aber ich denke doch, daß seine Mutter ihn liebt, sagte Cyuthy Ann.

Na ja, das thut sie. Liebt ihr Bild im Spiegel, mag sein, und ungefähr
so liebt Norman sie, weil er so viel von ihrer Tenfelei in sich hat. Ich denke,
gleich und gleich gesellt sich gern. Aber ich glaube, 's ist ein höllischer Unter¬
schied mit Julchen. Seit seiner Geburt schon hat es Norman mehr Vergnügen
gemacht, Julchen zu auäleu als es einem gelben Köter mit einem weißen
Schwänze Spaß macht, einen gesteckten Kater einen Pfirsichbanm hinanfznjagen.
Und jetzt, wo er unter diesen Verhältnissen nach Hause kommt, wird er ihr die
Hölle mit tausenderlei Verdruß und Ärger heiß mache".

Zu der Zeit, wo dieses Gespräch stattfand, waren etwa zwei Wochen seit
Frau Andcrsons "Anfall" verflossen. Julia hatte noch nichts von August ge¬
hört. Der "Habicht" hatte noch sein Hauptquartier im Hause, beobachtete aber
jetzt ein andres Revier. Frau Abigail war imstande, so kräftig zu zanken wie
le vorher, wenn diese Funktion überhaupt einmal unterbrochen worden war.
Und in diesem Augenblicke zankte sie gerade den Lehrer ans, der Norman weg¬
gejagt hatte. Die Gewohnheit, Lehrer zu bekämpfen, war bei ihr so chronisch
wie ihre Herzkrankheit. Norman war von der ganzen Rasse der Pädagogen
unrer gemißhandelt worden. Es bestand von Anfang an eine Verschwörung
gegen ihn, und jetzt hatten sie ihn um seine letzte Aussicht betrogen, eine Er¬
ziehung zu erlangen. Alles das glaubte Norman steif und fest.

Natürlich nahm Norman die Partei seiner Mutter gegen den Dutchman.
verächtlicher ein Mensch ist, desto mehr verachtet er einen Menschen deshalb,
^eil er nicht zu seiner Rasse oder Nation gehört. Und Norman fühlte, daß
er durch irgendwelche Verbindung mit einem Dutchman in alle Ewigkeit ge¬
schändet werden würde. Er stürzte sich mit viel Feuer in den Kampf. Es half
Hin andre Dinge vergessen.

Julie, sagte er, indem er ans sie zuging, als sie eines Tages allein in der
Veranda saß, ich schäme mich deinetwegen bis in die innerste Seele hinein.
Hinzugeben und sich mit einem Dutchman zu verlieben wie dieser August Weste
und uns alle in Schande zu bringen!


Der jüngste Tag.

in die ihr Bruder geraten ist, und durch sein Heimtvnuneu keine ruhigere Zeit
haben, sagte Cyuthy Am,.

Na, ich denke nicht, das; sie sich aus ihm viel macht, erwiederte Jonas.
Weißt du wohl, das ist gar nicht möglich. Ihn lieben? Na, meine liebe
Cynthy Anm — hier machte sich Cyuthy Anm Vorwürfe, daß sie auf etwas so
Angenehmes wie die Worte „meine liebe" hörte — na, meine liebe Cyuthy
Ann, siehst dn, dn konntest am Ende einen Igel lieben und füttern, aber ich
denke, das ist bei dir nicht recht wahrscheinlich. Ich habe noch von niemandem,
sagen hören, daß er Klettenköpfe an seinem Busen trägt. Du siehst, daß es an
Norman Anderson keine Stelle giebt, wo Liebe sich anhalten könnte, ohne sich zu
stechen oder zu kratzen.

Aber ich denke doch, daß seine Mutter ihn liebt, sagte Cyuthy Ann.

Na ja, das thut sie. Liebt ihr Bild im Spiegel, mag sein, und ungefähr
so liebt Norman sie, weil er so viel von ihrer Tenfelei in sich hat. Ich denke,
gleich und gleich gesellt sich gern. Aber ich glaube, 's ist ein höllischer Unter¬
schied mit Julchen. Seit seiner Geburt schon hat es Norman mehr Vergnügen
gemacht, Julchen zu auäleu als es einem gelben Köter mit einem weißen
Schwänze Spaß macht, einen gesteckten Kater einen Pfirsichbanm hinanfznjagen.
Und jetzt, wo er unter diesen Verhältnissen nach Hause kommt, wird er ihr die
Hölle mit tausenderlei Verdruß und Ärger heiß mache».

Zu der Zeit, wo dieses Gespräch stattfand, waren etwa zwei Wochen seit
Frau Andcrsons „Anfall" verflossen. Julia hatte noch nichts von August ge¬
hört. Der „Habicht" hatte noch sein Hauptquartier im Hause, beobachtete aber
jetzt ein andres Revier. Frau Abigail war imstande, so kräftig zu zanken wie
le vorher, wenn diese Funktion überhaupt einmal unterbrochen worden war.
Und in diesem Augenblicke zankte sie gerade den Lehrer ans, der Norman weg¬
gejagt hatte. Die Gewohnheit, Lehrer zu bekämpfen, war bei ihr so chronisch
wie ihre Herzkrankheit. Norman war von der ganzen Rasse der Pädagogen
unrer gemißhandelt worden. Es bestand von Anfang an eine Verschwörung
gegen ihn, und jetzt hatten sie ihn um seine letzte Aussicht betrogen, eine Er¬
ziehung zu erlangen. Alles das glaubte Norman steif und fest.

Natürlich nahm Norman die Partei seiner Mutter gegen den Dutchman.
verächtlicher ein Mensch ist, desto mehr verachtet er einen Menschen deshalb,
^eil er nicht zu seiner Rasse oder Nation gehört. Und Norman fühlte, daß
er durch irgendwelche Verbindung mit einem Dutchman in alle Ewigkeit ge¬
schändet werden würde. Er stürzte sich mit viel Feuer in den Kampf. Es half
Hin andre Dinge vergessen.

Julie, sagte er, indem er ans sie zuging, als sie eines Tages allein in der
Veranda saß, ich schäme mich deinetwegen bis in die innerste Seele hinein.
Hinzugeben und sich mit einem Dutchman zu verlieben wie dieser August Weste
und uns alle in Schande zu bringen!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/581>, abgerufen am 03.07.2024.