Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.Der jüngste Tag, Abigail, die sich gerade von ihrem zwanzigsten tötlichen Anfalle erholt hatte, Führt sie weg! Sie hat mich umgebracht! Sie will, daß ich sterbe. Ich Und Julia ging ans ihr eignes Zinnner und schloß sich ein in Dunkelheit Die Nachbarinnen kamen herein und geberdeten sich, als ob sie etwas für Harne dich nicht ab, kleine Turteltaube. Gieb nichts auf das Gefasel des Julia legte sich eine Weile hin und richtete sich dann auf und blickte in Der jüngste Tag, Abigail, die sich gerade von ihrem zwanzigsten tötlichen Anfalle erholt hatte, Führt sie weg! Sie hat mich umgebracht! Sie will, daß ich sterbe. Ich Und Julia ging ans ihr eignes Zinnner und schloß sich ein in Dunkelheit Die Nachbarinnen kamen herein und geberdeten sich, als ob sie etwas für Harne dich nicht ab, kleine Turteltaube. Gieb nichts auf das Gefasel des Julia legte sich eine Weile hin und richtete sich dann auf und blickte in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0575" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193916"/> <fw type="header" place="top"> Der jüngste Tag,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1971" prev="#ID_1970"> Abigail, die sich gerade von ihrem zwanzigsten tötlichen Anfalle erholt hatte,<lb/> sah sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_1972"> Führt sie weg! Sie hat mich umgebracht! Sie will, daß ich sterbe. Ich<lb/> weiß es. Bringt sie weg!</p><lb/> <p xml:id="ID_1973"> Und Julia ging ans ihr eignes Zinnner und schloß sich ein in Dunkelheit<lb/> und Bekümmernis; aber in dieser ganzen unseligen Nacht kam sie auch nicht<lb/> Mi einzigesmal Rene darüber an, daß sie dem scheidenden August ihre Hand<lb/> gereicht hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1974"> Die Nachbarinnen kamen herein und geberdeten sich, als ob sie etwas für<lb/> die Kranke thun wollten, aber in Wahrheit setzten sie sich an den Küchenofeu<lb/> und pumpten Cynthy Ann und den Doktor aus, richteten sich die Sache so<lb/> zurecht, daß Julia in Verbindung mit der Krankheit ihrer Mutter gebracht<lb/> wurde, und schüttelten die Köpfe. So geschah es, daß, als Julia um Mitter¬<lb/> nacht sich die Treppe herabschlich, in der Hoffnung, nützlich sein zu können, sie<lb/> fand, daß mau sie mit Jnquisitorblicken maß, und daß sie so sehr Gegenstand<lb/> der Aufmerksamkeit war, daß sie gern den Rat Cynthy Anus befolgte und<lb/> wieder in ihrer eignen Stube Zuflucht suchte. Auf der Treppe begegnete sie<lb/> Jonas, welcher zu ihr im Vorübergehen sagte:</p><lb/> <p xml:id="ID_1975"> Harne dich nicht ab, kleine Turteltaube. Gieb nichts auf das Gefasel des<lb/> alten Ketchup. Deine Mutter wird nicht sterben, sie wird mich nicht einmal<lb/> auf den Wolken seines Maisschwitzbades zur Herrlichkeit der Kiuder Gottes<lb/> emporschweben. Du hast heute abend deine verdammte Pflicht und Schuldig¬<lb/> keit gethan wie eiuer von Foxens Märtyrern und wie George Washington mit<lb/> seinem Kirschbnumchen und seiner kleinen Axt. Und du wirst deinen Lohn em¬<lb/> pfangen, wo nicht in der zukünftigen Welt, so doch in der hienieden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1976" next="#ID_1977"> Julia legte sich eine Weile hin und richtete sich dann auf und blickte in<lb/> die Finsternis hinaus. Vielleicht zürnte ihr Gott, weil sie August liebte, viel¬<lb/> leicht trieb sie Abgötterei mit ihm. Als Julia ans den Gedanken kam, daß ihre<lb/> Liebe zu August im Widerstreit mit ihrer Liebe zu Gott stünde, so zögerte sie<lb/> uicht, für wen sie sich entscheiden sollte. Alles, was das beste in ihrem Wesen<lb/> ^ar, war treu mit August verbunden, den sie „gesehen hatte," wie der Apostel<lb/> Johannes es ausdrückt. Sie konnte es sich nicht mit Vernunftgründen klar<lb/> wache», aber ein Gott, der gegen die reinste und beste Regung ihres Herzens<lb/> auftrat, war ein Gott, den sie nicht lieben konnte. August nud die Liebe Au-<lb/> Msts waren bekannte Quantitäten. Gott und die Liebe Gottes waren unbe¬<lb/> kannte, und der Gott, von welchem Cynthy sprach (und von welchem mancher<lb/> Prediger mißverständlich gesprochen hat), der eifersüchtig auf die Liebe Frau<lb/> Pearsous zu ihrem Kinde war und es sterben ließ, weil es sein Nebenbuhler<lb/> ^ar, war kein Gott, den sie lieben konnte, ohne Verrat an allein dein Guten<lb/> Zu üben, das Gott in ihr Herz gelegt hatte. Der Gott, der August von ihr<lb/> smchielt, weil er eifersüchtig ans das einzige Schöne in ihrem Leben war, war</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0575]
Der jüngste Tag,
Abigail, die sich gerade von ihrem zwanzigsten tötlichen Anfalle erholt hatte,
sah sie.
Führt sie weg! Sie hat mich umgebracht! Sie will, daß ich sterbe. Ich
weiß es. Bringt sie weg!
Und Julia ging ans ihr eignes Zinnner und schloß sich ein in Dunkelheit
und Bekümmernis; aber in dieser ganzen unseligen Nacht kam sie auch nicht
Mi einzigesmal Rene darüber an, daß sie dem scheidenden August ihre Hand
gereicht hatte.
Die Nachbarinnen kamen herein und geberdeten sich, als ob sie etwas für
die Kranke thun wollten, aber in Wahrheit setzten sie sich an den Küchenofeu
und pumpten Cynthy Ann und den Doktor aus, richteten sich die Sache so
zurecht, daß Julia in Verbindung mit der Krankheit ihrer Mutter gebracht
wurde, und schüttelten die Köpfe. So geschah es, daß, als Julia um Mitter¬
nacht sich die Treppe herabschlich, in der Hoffnung, nützlich sein zu können, sie
fand, daß mau sie mit Jnquisitorblicken maß, und daß sie so sehr Gegenstand
der Aufmerksamkeit war, daß sie gern den Rat Cynthy Anus befolgte und
wieder in ihrer eignen Stube Zuflucht suchte. Auf der Treppe begegnete sie
Jonas, welcher zu ihr im Vorübergehen sagte:
Harne dich nicht ab, kleine Turteltaube. Gieb nichts auf das Gefasel des
alten Ketchup. Deine Mutter wird nicht sterben, sie wird mich nicht einmal
auf den Wolken seines Maisschwitzbades zur Herrlichkeit der Kiuder Gottes
emporschweben. Du hast heute abend deine verdammte Pflicht und Schuldig¬
keit gethan wie eiuer von Foxens Märtyrern und wie George Washington mit
seinem Kirschbnumchen und seiner kleinen Axt. Und du wirst deinen Lohn em¬
pfangen, wo nicht in der zukünftigen Welt, so doch in der hienieden.
Julia legte sich eine Weile hin und richtete sich dann auf und blickte in
die Finsternis hinaus. Vielleicht zürnte ihr Gott, weil sie August liebte, viel¬
leicht trieb sie Abgötterei mit ihm. Als Julia ans den Gedanken kam, daß ihre
Liebe zu August im Widerstreit mit ihrer Liebe zu Gott stünde, so zögerte sie
uicht, für wen sie sich entscheiden sollte. Alles, was das beste in ihrem Wesen
^ar, war treu mit August verbunden, den sie „gesehen hatte," wie der Apostel
Johannes es ausdrückt. Sie konnte es sich nicht mit Vernunftgründen klar
wache», aber ein Gott, der gegen die reinste und beste Regung ihres Herzens
auftrat, war ein Gott, den sie nicht lieben konnte. August nud die Liebe Au-
Msts waren bekannte Quantitäten. Gott und die Liebe Gottes waren unbe¬
kannte, und der Gott, von welchem Cynthy sprach (und von welchem mancher
Prediger mißverständlich gesprochen hat), der eifersüchtig auf die Liebe Frau
Pearsous zu ihrem Kinde war und es sterben ließ, weil es sein Nebenbuhler
^ar, war kein Gott, den sie lieben konnte, ohne Verrat an allein dein Guten
Zu üben, das Gott in ihr Herz gelegt hatte. Der Gott, der August von ihr
smchielt, weil er eifersüchtig ans das einzige Schöne in ihrem Leben war, war
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |