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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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^> v. Noordens Europäische Geschichte im achtzehnten Icchichundert.

pflichtnng, die, nuf Grund eines Waffenstillstandes, der französischen Regierung
zur sofortigen Auslieferung des spanischen Königreiches zu erwachsen oder nicht
zu erwachsen habe. Man erörterte eine ans diplomatischem Wege nimmermehr
zu schlichtende Frage."

Es ist das Verhängnis der großen Allianz geworden, daß ihre Lenker,
indem sie das spanische Königreich auf den niederländischen und italienischen
Schlachtfeldern zu fällen gedachten, dem spanischen Kriegsschauplatze zu wenig
Aufmerksamkeit und Kräfte zugewandt haben. Die Friedensvcrhandlnng mit
Ludwig stellte das Mißverhältnis heraus, daß der eine Teil fordern mußte,
was der andre auch bei gutem Willen zu geben nicht imstande war. Selbst
die Subsidicnzahlung, zu der sich Ludwig an die Verbündeten verstehen wollte,
für den Fall, daß der König von Spanien seinen Thron nicht gutwillig aufgeben
würde, war für diese unannehmbar. "Ein derartiges Vcrtrügnis ließ die
Wendung zu, daß Ludwig XIV. nach kurzer Erholungspause in der Rolle des
Schiedsrichters zwischen die Parteien trat, um zuletzt deu Verbündeten in die
Weiche zu stoßen." "So glichen -- urteilt Nvordeu zusammeufcisseud von den
Friedensverhandlungen --, weil der thatsächliche Eigner des spanischen König¬
reiches abseits stand, Rede und Gegenrede zu Gertruideuberg dem Flugsand,
der von Düne zu Düne streicht."

Nur einen Ausweg aus dieser Verwicklung gab es: ehrlichen Verzicht der
Verbündeten auf ein Reich, das ihre Waffen uicht erobert hatten. Dafür hätte
man Philipp V. merkantile Zugestüudnisse, Ludwig XIV. weitere Bürgschaften
und Abtretungen abnötigen können. Zu rechter Zeit von England, der führenden
Macht, vorgeschlagen, würde dieser Ausweg weder in Holland uoch am kaiser¬
lichen Hofe Widerspruch gefunden haben. Beiden Teilen war der spanische
Krieg seit Jahren ein lästiges Ungemach. Nur auf ihre Barriere kam es den
Niederländern, nur auf den Besitz Italiens kam es dem Kaiser an. Für England
aber war es gleich, ob ihm ein bourbouischcr oder ein habsburgischer König
von Spanien Handelsprivilegien und Flvttenstativnen im Mittelmeer zugestand.
Marlborough wäre vielleicht der Mann dazu gewesen, diesen Ausweg gangbar
zu machen. Aber als die Unterhandlungen gepflogen wurden, war seine heimische
Stellung schon erschüttert, seines eignen politischen Daseins uicht sicher, beob¬
achtete er und schwieg er. So ging die große Koalition ihrer Auflösung ent¬
gegen, doch nicht Verblendung und maßloses Überfordern bereitete ihr das Ende,
sondern eine Verkettung politischer Verhältnisse, welche zu bewältigen nicht in
der Macht ihrer Häupter stand. Ihre Aufgabe hatte sie darum uicht minder
erfüllt, nämlich die Zertrümmerung französischer Vorherrschaft in Europa.




^> v. Noordens Europäische Geschichte im achtzehnten Icchichundert.

pflichtnng, die, nuf Grund eines Waffenstillstandes, der französischen Regierung
zur sofortigen Auslieferung des spanischen Königreiches zu erwachsen oder nicht
zu erwachsen habe. Man erörterte eine ans diplomatischem Wege nimmermehr
zu schlichtende Frage."

Es ist das Verhängnis der großen Allianz geworden, daß ihre Lenker,
indem sie das spanische Königreich auf den niederländischen und italienischen
Schlachtfeldern zu fällen gedachten, dem spanischen Kriegsschauplatze zu wenig
Aufmerksamkeit und Kräfte zugewandt haben. Die Friedensvcrhandlnng mit
Ludwig stellte das Mißverhältnis heraus, daß der eine Teil fordern mußte,
was der andre auch bei gutem Willen zu geben nicht imstande war. Selbst
die Subsidicnzahlung, zu der sich Ludwig an die Verbündeten verstehen wollte,
für den Fall, daß der König von Spanien seinen Thron nicht gutwillig aufgeben
würde, war für diese unannehmbar. „Ein derartiges Vcrtrügnis ließ die
Wendung zu, daß Ludwig XIV. nach kurzer Erholungspause in der Rolle des
Schiedsrichters zwischen die Parteien trat, um zuletzt deu Verbündeten in die
Weiche zu stoßen." „So glichen — urteilt Nvordeu zusammeufcisseud von den
Friedensverhandlungen —, weil der thatsächliche Eigner des spanischen König¬
reiches abseits stand, Rede und Gegenrede zu Gertruideuberg dem Flugsand,
der von Düne zu Düne streicht."

Nur einen Ausweg aus dieser Verwicklung gab es: ehrlichen Verzicht der
Verbündeten auf ein Reich, das ihre Waffen uicht erobert hatten. Dafür hätte
man Philipp V. merkantile Zugestüudnisse, Ludwig XIV. weitere Bürgschaften
und Abtretungen abnötigen können. Zu rechter Zeit von England, der führenden
Macht, vorgeschlagen, würde dieser Ausweg weder in Holland uoch am kaiser¬
lichen Hofe Widerspruch gefunden haben. Beiden Teilen war der spanische
Krieg seit Jahren ein lästiges Ungemach. Nur auf ihre Barriere kam es den
Niederländern, nur auf den Besitz Italiens kam es dem Kaiser an. Für England
aber war es gleich, ob ihm ein bourbouischcr oder ein habsburgischer König
von Spanien Handelsprivilegien und Flvttenstativnen im Mittelmeer zugestand.
Marlborough wäre vielleicht der Mann dazu gewesen, diesen Ausweg gangbar
zu machen. Aber als die Unterhandlungen gepflogen wurden, war seine heimische
Stellung schon erschüttert, seines eignen politischen Daseins uicht sicher, beob¬
achtete er und schwieg er. So ging die große Koalition ihrer Auflösung ent¬
gegen, doch nicht Verblendung und maßloses Überfordern bereitete ihr das Ende,
sondern eine Verkettung politischer Verhältnisse, welche zu bewältigen nicht in
der Macht ihrer Häupter stand. Ihre Aufgabe hatte sie darum uicht minder
erfüllt, nämlich die Zertrümmerung französischer Vorherrschaft in Europa.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/556>, abgerufen am 22.07.2024.