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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

Instrumenten ätherischer Gestalten oder aus der Erde hervor von Geigen und
Harfen der Berggeister. Sie blieben verwundert stehen und lauschten. Bald
toute es wie eine weinende Klage, bald wie ein rasender Tanz, immer aber
überirdisch, märchenhaft.

Als sie endlich ihren Weg fortsetzten und ans dem Walde hervortraten an
den Rand des Thales, in welchem das Schloß lag, drangen die Töne, denen
sie fast wortlos gelauscht, in bestimmterer Form zu ihnen, und zugleich sahen
sie helle Lichter aus den dunkeln Baumaruppen des fürstliche" Parks hervor¬
blicken. Sie beeilten ihre Schritte und fanden im Näherkommen das Schloß
selbst in strahlendster Beleuchtung seiner langen Reihen von Gemächern und
Korridore mit hundert Fenstern, die in die Nacht hinaus schienen, dazu die
Alleen und Plätze des Parks im bunten Glanz chinesischer Laternen, und aus
diesem Lichtmeer hervordringend die Musik eines fremdartigen Musikkvrps. In
grelle Farben gekleidet, mit roten Schärpen und glitzerndem Metallschmuck saßen
an zwanzig dunkelfarbige Männer mit blitzenden Augen und heftigen Bewegungen
der braunen Arme anf einer Terrasse hinter dem Schlosse und spielten einer
eleganten Gesellschaft zum Tanz anf grünem Rasen auf.

Graf Festetics hatte eine Zigeunerbnnde ans Ungarn kommen lassen, um
seiner Braut, die sich einmal neugierig uach der Musik dieser Leute erkundigt
hatte, ein Vergnügen zu machen, und die wildeu und brausenden, bald tief sehn¬
süchtigen, bald jauchzenden Melodien der Pußta erklangen nun zur großen Er-
götzung der Hochzeitgäste inmitten des deutschen Schloßparkes. Die Illumination
der weitläufigen Gebäude, weit in die Ferne scheinend, und der Klang der un¬
garischen Musik hatten die ländliche Bevölkerung aus der gauzeu Runde umher
zusammengelockt, und eine dichte Menge drängte sich schaulustig an dem dünnen
Drahtzaun, der den inneren Schloßgarten von dem übrigen Park abschied.

Hierher begab sich auch der Förster vou Einsiedeln mit seiner Gesellschaft.
Aber sie blieben nicht lange dort. Einer der fürstlichen Diener hatte den ihm
wohlbekannten Waidmann entdeckt lind öffnete ein Pförtchen, durch welches sie
eintraten, um dann in einem Winkel nahe dem Küchengebäude Platz zu finden.
Die Diener trugen in gastlicher Feststimmung Wem und Speisen für die kleine^
Gesellschaft herbei.

Diese Wendung der Dinge war den jungen Leuten nicht unangenehm, und
auch Ephraim ließ es sich gefallen, den hochzeitlichen Wein zu kosten, weil ihn
der Reiz der Umgebung fesselte und er mehr Geschmack an der Beobachtung
fand als an der strengen Aufrechthaltung seiner gesellschaftlichen Stellung.
Flörchen strahlte vor Vergnügen über das ungewohnte Schauspiel.

Und in der That bot es einen fesselnden Anblick, diese festliche Einrichtung
und die vornehmen Gäste des fürstlichen Hauses, die eleganten Damen in hellen
Gewändern, die Offiziere in ihren glänzenden Uniformen inmitten der reichen
und schönen Umgebung prächtiger Architektur und Parkanlagen unter dem


Bakchen und Thyrsosträger.

Instrumenten ätherischer Gestalten oder aus der Erde hervor von Geigen und
Harfen der Berggeister. Sie blieben verwundert stehen und lauschten. Bald
toute es wie eine weinende Klage, bald wie ein rasender Tanz, immer aber
überirdisch, märchenhaft.

Als sie endlich ihren Weg fortsetzten und ans dem Walde hervortraten an
den Rand des Thales, in welchem das Schloß lag, drangen die Töne, denen
sie fast wortlos gelauscht, in bestimmterer Form zu ihnen, und zugleich sahen
sie helle Lichter aus den dunkeln Baumaruppen des fürstliche» Parks hervor¬
blicken. Sie beeilten ihre Schritte und fanden im Näherkommen das Schloß
selbst in strahlendster Beleuchtung seiner langen Reihen von Gemächern und
Korridore mit hundert Fenstern, die in die Nacht hinaus schienen, dazu die
Alleen und Plätze des Parks im bunten Glanz chinesischer Laternen, und aus
diesem Lichtmeer hervordringend die Musik eines fremdartigen Musikkvrps. In
grelle Farben gekleidet, mit roten Schärpen und glitzerndem Metallschmuck saßen
an zwanzig dunkelfarbige Männer mit blitzenden Augen und heftigen Bewegungen
der braunen Arme anf einer Terrasse hinter dem Schlosse und spielten einer
eleganten Gesellschaft zum Tanz anf grünem Rasen auf.

Graf Festetics hatte eine Zigeunerbnnde ans Ungarn kommen lassen, um
seiner Braut, die sich einmal neugierig uach der Musik dieser Leute erkundigt
hatte, ein Vergnügen zu machen, und die wildeu und brausenden, bald tief sehn¬
süchtigen, bald jauchzenden Melodien der Pußta erklangen nun zur großen Er-
götzung der Hochzeitgäste inmitten des deutschen Schloßparkes. Die Illumination
der weitläufigen Gebäude, weit in die Ferne scheinend, und der Klang der un¬
garischen Musik hatten die ländliche Bevölkerung aus der gauzeu Runde umher
zusammengelockt, und eine dichte Menge drängte sich schaulustig an dem dünnen
Drahtzaun, der den inneren Schloßgarten von dem übrigen Park abschied.

Hierher begab sich auch der Förster vou Einsiedeln mit seiner Gesellschaft.
Aber sie blieben nicht lange dort. Einer der fürstlichen Diener hatte den ihm
wohlbekannten Waidmann entdeckt lind öffnete ein Pförtchen, durch welches sie
eintraten, um dann in einem Winkel nahe dem Küchengebäude Platz zu finden.
Die Diener trugen in gastlicher Feststimmung Wem und Speisen für die kleine^
Gesellschaft herbei.

Diese Wendung der Dinge war den jungen Leuten nicht unangenehm, und
auch Ephraim ließ es sich gefallen, den hochzeitlichen Wein zu kosten, weil ihn
der Reiz der Umgebung fesselte und er mehr Geschmack an der Beobachtung
fand als an der strengen Aufrechthaltung seiner gesellschaftlichen Stellung.
Flörchen strahlte vor Vergnügen über das ungewohnte Schauspiel.

Und in der That bot es einen fesselnden Anblick, diese festliche Einrichtung
und die vornehmen Gäste des fürstlichen Hauses, die eleganten Damen in hellen
Gewändern, die Offiziere in ihren glänzenden Uniformen inmitten der reichen
und schönen Umgebung prächtiger Architektur und Parkanlagen unter dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/54>, abgerufen am 01.07.2024.