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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der jüngste Tag.

Ich bitte um Verzeihung, Frau Anderson, sagte August mit sehr Weiße"
Lippen, ich bin kein Dieb. ,

So, kein Dieb? Was that er denn, Herr Humphreys, als Sie ihn znerst
entdeckten?

Er kam aus der Stube von Fräulein Anderson, sagte Humphreys mit höf¬
lichem Lächeln.

So, ladest du Herren aas deine Stäbe ein? sagte das wütende Weib zu
Julia, indem sie sich mit einem Schlage zu rächen und zugleich die Halsstarrig¬
keit ihrer Tochter für alle Zeit zu brechen gedachte. Aber Julia war zu besorgt
um August, um die schamlose Beleidigung zu beachten.

Frau Anderson, sagte August, dieser Besuch erfolgte ohne eine Einladung
von selten Juliens. Ich that Unrecht daran, auf diese Weise Ihr Haus zu
betreten, aber nur ich bin dafür verantwortlich, und ich dachte, es wäre die
Stube, wo Jonas wohnt. Ich wußte nicht, daß Julia dieses Zimmer inne hat.
Ich bin zu tadeln, sie nicht.

Und weshalb brachen Sie ein, wenn Sie keinen Diebstahl vorhatten? Es
ist alles aus zwischen Ihnen und Julien; denn ich habe Ihren Brief gesehen.
Ich werde Sie morgen wegen Einbruchs verhaften lassen. Und ich denke, man
sollte Sie durchsuchen. Herr Humphreys, wollen Sie ihn nicht hinauswerfen?

Humphreys trat auf August zu, bemerkte indeß einen grimmen Blick in
dessen Augen und zwei gewaltige deutsche Fäuste, die geballt waren, und so
kehrte er um.

Diese Diebe sind fast immer bewaffnet, sagte er. Ich thäte besser, mir ein
Pistol aus meinem Koffer zu holen.

Ich habe keine Waffen bei mir, und Sie wissen das, elender Feigling,
versetzte August. Ich werde von niemand hinaufgebracht werden, sondern hinaus¬
gehen, sobald der Herr dieses Hauses mich dazu auffordert und ihr andern mir
zum Gehen Platz macht.

Jonas, wirf ihn hinaus! kreischte Frau Anderson.

Konnte ich nicht, sagte Jonas, brächte ich nicht fertig, wenn ichs versuche"
wollte. Sind zu viel Knochen und Muskeln in seinen Armen, und überdies
ist er ein Ehrenmann. Ich bat ihn, mitunter zu kommen nud mich zu besuche",
und er ist gekommen. Es ist wahr, er kam zie"nich spät, aber vermutlich dachte
er, seit wir hier soviel Uhrpetschafte und Hosenstrippen herumlaufen sehen, wäre"
wir so vornehm geworden, daß wir Besuche nur zu den Stunde" annähme",
die Mode sind. Jedenfalls glaube ich, daß er nichts böses im Schilde führte,
und er ist mein Besuch, wie Sie sehen. Er wollte durchs Feuster zu mir hereiu-
steigen, weil er wußte, daß die Thür vor ihm geschlossen war. Und er wird
sich von niemand hinauswerfen lassen, es müßte denn ein Mann sein, der mehr
als ein halb Dutzend Uhrpetschafte am Leibe hängen hat, um sich Gewicht und
Ansehen zu geben.


Der jüngste Tag.

Ich bitte um Verzeihung, Frau Anderson, sagte August mit sehr Weiße»
Lippen, ich bin kein Dieb. ,

So, kein Dieb? Was that er denn, Herr Humphreys, als Sie ihn znerst
entdeckten?

Er kam aus der Stube von Fräulein Anderson, sagte Humphreys mit höf¬
lichem Lächeln.

So, ladest du Herren aas deine Stäbe ein? sagte das wütende Weib zu
Julia, indem sie sich mit einem Schlage zu rächen und zugleich die Halsstarrig¬
keit ihrer Tochter für alle Zeit zu brechen gedachte. Aber Julia war zu besorgt
um August, um die schamlose Beleidigung zu beachten.

Frau Anderson, sagte August, dieser Besuch erfolgte ohne eine Einladung
von selten Juliens. Ich that Unrecht daran, auf diese Weise Ihr Haus zu
betreten, aber nur ich bin dafür verantwortlich, und ich dachte, es wäre die
Stube, wo Jonas wohnt. Ich wußte nicht, daß Julia dieses Zimmer inne hat.
Ich bin zu tadeln, sie nicht.

Und weshalb brachen Sie ein, wenn Sie keinen Diebstahl vorhatten? Es
ist alles aus zwischen Ihnen und Julien; denn ich habe Ihren Brief gesehen.
Ich werde Sie morgen wegen Einbruchs verhaften lassen. Und ich denke, man
sollte Sie durchsuchen. Herr Humphreys, wollen Sie ihn nicht hinauswerfen?

Humphreys trat auf August zu, bemerkte indeß einen grimmen Blick in
dessen Augen und zwei gewaltige deutsche Fäuste, die geballt waren, und so
kehrte er um.

Diese Diebe sind fast immer bewaffnet, sagte er. Ich thäte besser, mir ein
Pistol aus meinem Koffer zu holen.

Ich habe keine Waffen bei mir, und Sie wissen das, elender Feigling,
versetzte August. Ich werde von niemand hinaufgebracht werden, sondern hinaus¬
gehen, sobald der Herr dieses Hauses mich dazu auffordert und ihr andern mir
zum Gehen Platz macht.

Jonas, wirf ihn hinaus! kreischte Frau Anderson.

Konnte ich nicht, sagte Jonas, brächte ich nicht fertig, wenn ichs versuche«
wollte. Sind zu viel Knochen und Muskeln in seinen Armen, und überdies
ist er ein Ehrenmann. Ich bat ihn, mitunter zu kommen nud mich zu besuche»,
und er ist gekommen. Es ist wahr, er kam zie»nich spät, aber vermutlich dachte
er, seit wir hier soviel Uhrpetschafte und Hosenstrippen herumlaufen sehen, wäre»
wir so vornehm geworden, daß wir Besuche nur zu den Stunde« annähme»,
die Mode sind. Jedenfalls glaube ich, daß er nichts böses im Schilde führte,
und er ist mein Besuch, wie Sie sehen. Er wollte durchs Feuster zu mir hereiu-
steigen, weil er wußte, daß die Thür vor ihm geschlossen war. Und er wird
sich von niemand hinauswerfen lassen, es müßte denn ein Mann sein, der mehr
als ein halb Dutzend Uhrpetschafte am Leibe hängen hat, um sich Gewicht und
Ansehen zu geben.


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[0530] Der jüngste Tag. Ich bitte um Verzeihung, Frau Anderson, sagte August mit sehr Weiße» Lippen, ich bin kein Dieb. , So, kein Dieb? Was that er denn, Herr Humphreys, als Sie ihn znerst entdeckten? Er kam aus der Stube von Fräulein Anderson, sagte Humphreys mit höf¬ lichem Lächeln. So, ladest du Herren aas deine Stäbe ein? sagte das wütende Weib zu Julia, indem sie sich mit einem Schlage zu rächen und zugleich die Halsstarrig¬ keit ihrer Tochter für alle Zeit zu brechen gedachte. Aber Julia war zu besorgt um August, um die schamlose Beleidigung zu beachten. Frau Anderson, sagte August, dieser Besuch erfolgte ohne eine Einladung von selten Juliens. Ich that Unrecht daran, auf diese Weise Ihr Haus zu betreten, aber nur ich bin dafür verantwortlich, und ich dachte, es wäre die Stube, wo Jonas wohnt. Ich wußte nicht, daß Julia dieses Zimmer inne hat. Ich bin zu tadeln, sie nicht. Und weshalb brachen Sie ein, wenn Sie keinen Diebstahl vorhatten? Es ist alles aus zwischen Ihnen und Julien; denn ich habe Ihren Brief gesehen. Ich werde Sie morgen wegen Einbruchs verhaften lassen. Und ich denke, man sollte Sie durchsuchen. Herr Humphreys, wollen Sie ihn nicht hinauswerfen? Humphreys trat auf August zu, bemerkte indeß einen grimmen Blick in dessen Augen und zwei gewaltige deutsche Fäuste, die geballt waren, und so kehrte er um. Diese Diebe sind fast immer bewaffnet, sagte er. Ich thäte besser, mir ein Pistol aus meinem Koffer zu holen. Ich habe keine Waffen bei mir, und Sie wissen das, elender Feigling, versetzte August. Ich werde von niemand hinaufgebracht werden, sondern hinaus¬ gehen, sobald der Herr dieses Hauses mich dazu auffordert und ihr andern mir zum Gehen Platz macht. Jonas, wirf ihn hinaus! kreischte Frau Anderson. Konnte ich nicht, sagte Jonas, brächte ich nicht fertig, wenn ichs versuche« wollte. Sind zu viel Knochen und Muskeln in seinen Armen, und überdies ist er ein Ehrenmann. Ich bat ihn, mitunter zu kommen nud mich zu besuche», und er ist gekommen. Es ist wahr, er kam zie»nich spät, aber vermutlich dachte er, seit wir hier soviel Uhrpetschafte und Hosenstrippen herumlaufen sehen, wäre» wir so vornehm geworden, daß wir Besuche nur zu den Stunde« annähme», die Mode sind. Jedenfalls glaube ich, daß er nichts böses im Schilde führte, und er ist mein Besuch, wie Sie sehen. Er wollte durchs Feuster zu mir hereiu- steigen, weil er wußte, daß die Thür vor ihm geschlossen war. Und er wird sich von niemand hinauswerfen lassen, es müßte denn ein Mann sein, der mehr als ein halb Dutzend Uhrpetschafte am Leibe hängen hat, um sich Gewicht und Ansehen zu geben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/530>, abgerufen am 22.07.2024.