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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der Regen.

O Heidelberg du schöne Stadt,
Wenns dort mal nicht geregnet hat,

so wissen wir wohl, warum; die Lage um westlichen Fuße des Odenwaldes ist
daran schuld. Die schauderhafteste Regenecke Europas aber siud die westlichen
Gebirgsthäler Schottlands. Dort regnet es "immer."

Andrerseits zeichnen sich Gegenden, welche nach den Regcnseiten durch Berg¬
höhen gedeckt siud, durch Maugel an niederschlugen ans; man sagt in einem
treffenden Bilde: sie liegen im Regenschatten dieses oder jenes Gebirges. Die
goldne Ane in der Gegend von Sangerhausen und Nordhausen ist ein solches
Regenschattenland, da nach Norden und Nordwesten der Harz, nach Westen
das Eichsfeld und nach Südwesten der Thüringer Wald vorgelagert sind.

Natürlich finden die stärksten Niederschläge dort statt, wo auf der Erde
die größten Mengen von Wärme und Wasser zu finden sind, also in den
Tropen und zwar in den Küstenländern der Tropen. Die Wassermassen, welche
von der Luft aufgenommen werden, stürzen dort als Regen mit einer Gewalt
nieder, von der wir uns keine Vorstellung machen können, es regnet dort im
wahren Sinne des Wortes "Stricke." Die Regenzeit entspricht daher auch uicht
unserm Winter, sondern sindet zur Zeit der Sonnenhöhe statt und ist mit den
Negenperioden unseres Sommers zu vergleichen. Dieser Regengürtel rückt mit
der Sonne nördlich und südlich und passirt die Linie im Jahr zweimal -- hier
giebt es also jährlich zwei Regenzeiten --, gestaltet sich aber nicht so regelmäßig
und liegt auch im ganzen zehn Grad nördlicher, als man theoretischer Weise an¬
nehmen müßte. Die Astronomen andrer Gestirne nehmen diesen Regengürtel
jedenfalls als ein sich verschiebendes glänzendes Band deutlich wahr. Es wäre
interessant, zu erfahren, was sie sich für eine Theorie aus dieser Erscheinung
gebildet haben.

Die unter der Linie erwärmte Luft fließt in regelmäßigem Strome nord¬
östlich und südöstlich ab und bringt so die über dem Meere gesättigte Luft ins
Land. Der nördliche Teil von Südamerika erhält bis zu den Anden regel¬
mäßigen und reichlichen Regen, der südliche Teil der Pampas, welchem nach
Nordosten die brasilianischen Gebirge vorgelagert sind, ist regenärmer, die West¬
küste, im Regenschatten der Anden gelegen, hat fast nie Regen.

Nördlich und südlich von dem Gürtel der Aquatorinlregen ziehen sich um
die Erde regenlose Gebiete, die bis zu deu Wendekreisen des Krebses und Stein-
bocks reichen. In diesen Gebieten senkt sich die unter dem Äquator aufgestiegene
und polwärts abgeflossene Luft wieder zur Erde nieder, wobei sie sich erwärmt
und -- ohnehin schon abgeregnet -- nnn erst recht nicht zu niederschlugen ge¬
langt. In dem nördlichen dieser Gebiete liegen die großen Wüstenlünder der
Erde, die Sahara, Arabien, Persien und Zentralasien. Das letztere Gebiet liegt
außerdem im Negenschatten der zentralasiatischen Randgebirge. In der süd¬
lichem regenlosen Passatzone liegt der größere Teil vou Australien, abermals


Der Regen.

O Heidelberg du schöne Stadt,
Wenns dort mal nicht geregnet hat,

so wissen wir wohl, warum; die Lage um westlichen Fuße des Odenwaldes ist
daran schuld. Die schauderhafteste Regenecke Europas aber siud die westlichen
Gebirgsthäler Schottlands. Dort regnet es „immer."

Andrerseits zeichnen sich Gegenden, welche nach den Regcnseiten durch Berg¬
höhen gedeckt siud, durch Maugel an niederschlugen ans; man sagt in einem
treffenden Bilde: sie liegen im Regenschatten dieses oder jenes Gebirges. Die
goldne Ane in der Gegend von Sangerhausen und Nordhausen ist ein solches
Regenschattenland, da nach Norden und Nordwesten der Harz, nach Westen
das Eichsfeld und nach Südwesten der Thüringer Wald vorgelagert sind.

Natürlich finden die stärksten Niederschläge dort statt, wo auf der Erde
die größten Mengen von Wärme und Wasser zu finden sind, also in den
Tropen und zwar in den Küstenländern der Tropen. Die Wassermassen, welche
von der Luft aufgenommen werden, stürzen dort als Regen mit einer Gewalt
nieder, von der wir uns keine Vorstellung machen können, es regnet dort im
wahren Sinne des Wortes „Stricke." Die Regenzeit entspricht daher auch uicht
unserm Winter, sondern sindet zur Zeit der Sonnenhöhe statt und ist mit den
Negenperioden unseres Sommers zu vergleichen. Dieser Regengürtel rückt mit
der Sonne nördlich und südlich und passirt die Linie im Jahr zweimal — hier
giebt es also jährlich zwei Regenzeiten —, gestaltet sich aber nicht so regelmäßig
und liegt auch im ganzen zehn Grad nördlicher, als man theoretischer Weise an¬
nehmen müßte. Die Astronomen andrer Gestirne nehmen diesen Regengürtel
jedenfalls als ein sich verschiebendes glänzendes Band deutlich wahr. Es wäre
interessant, zu erfahren, was sie sich für eine Theorie aus dieser Erscheinung
gebildet haben.

Die unter der Linie erwärmte Luft fließt in regelmäßigem Strome nord¬
östlich und südöstlich ab und bringt so die über dem Meere gesättigte Luft ins
Land. Der nördliche Teil von Südamerika erhält bis zu den Anden regel¬
mäßigen und reichlichen Regen, der südliche Teil der Pampas, welchem nach
Nordosten die brasilianischen Gebirge vorgelagert sind, ist regenärmer, die West¬
küste, im Regenschatten der Anden gelegen, hat fast nie Regen.

Nördlich und südlich von dem Gürtel der Aquatorinlregen ziehen sich um
die Erde regenlose Gebiete, die bis zu deu Wendekreisen des Krebses und Stein-
bocks reichen. In diesen Gebieten senkt sich die unter dem Äquator aufgestiegene
und polwärts abgeflossene Luft wieder zur Erde nieder, wobei sie sich erwärmt
und — ohnehin schon abgeregnet — nnn erst recht nicht zu niederschlugen ge¬
langt. In dem nördlichen dieser Gebiete liegen die großen Wüstenlünder der
Erde, die Sahara, Arabien, Persien und Zentralasien. Das letztere Gebiet liegt
außerdem im Negenschatten der zentralasiatischen Randgebirge. In der süd¬
lichem regenlosen Passatzone liegt der größere Teil vou Australien, abermals


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[0527] Der Regen. O Heidelberg du schöne Stadt, Wenns dort mal nicht geregnet hat, so wissen wir wohl, warum; die Lage um westlichen Fuße des Odenwaldes ist daran schuld. Die schauderhafteste Regenecke Europas aber siud die westlichen Gebirgsthäler Schottlands. Dort regnet es „immer." Andrerseits zeichnen sich Gegenden, welche nach den Regcnseiten durch Berg¬ höhen gedeckt siud, durch Maugel an niederschlugen ans; man sagt in einem treffenden Bilde: sie liegen im Regenschatten dieses oder jenes Gebirges. Die goldne Ane in der Gegend von Sangerhausen und Nordhausen ist ein solches Regenschattenland, da nach Norden und Nordwesten der Harz, nach Westen das Eichsfeld und nach Südwesten der Thüringer Wald vorgelagert sind. Natürlich finden die stärksten Niederschläge dort statt, wo auf der Erde die größten Mengen von Wärme und Wasser zu finden sind, also in den Tropen und zwar in den Küstenländern der Tropen. Die Wassermassen, welche von der Luft aufgenommen werden, stürzen dort als Regen mit einer Gewalt nieder, von der wir uns keine Vorstellung machen können, es regnet dort im wahren Sinne des Wortes „Stricke." Die Regenzeit entspricht daher auch uicht unserm Winter, sondern sindet zur Zeit der Sonnenhöhe statt und ist mit den Negenperioden unseres Sommers zu vergleichen. Dieser Regengürtel rückt mit der Sonne nördlich und südlich und passirt die Linie im Jahr zweimal — hier giebt es also jährlich zwei Regenzeiten —, gestaltet sich aber nicht so regelmäßig und liegt auch im ganzen zehn Grad nördlicher, als man theoretischer Weise an¬ nehmen müßte. Die Astronomen andrer Gestirne nehmen diesen Regengürtel jedenfalls als ein sich verschiebendes glänzendes Band deutlich wahr. Es wäre interessant, zu erfahren, was sie sich für eine Theorie aus dieser Erscheinung gebildet haben. Die unter der Linie erwärmte Luft fließt in regelmäßigem Strome nord¬ östlich und südöstlich ab und bringt so die über dem Meere gesättigte Luft ins Land. Der nördliche Teil von Südamerika erhält bis zu den Anden regel¬ mäßigen und reichlichen Regen, der südliche Teil der Pampas, welchem nach Nordosten die brasilianischen Gebirge vorgelagert sind, ist regenärmer, die West¬ küste, im Regenschatten der Anden gelegen, hat fast nie Regen. Nördlich und südlich von dem Gürtel der Aquatorinlregen ziehen sich um die Erde regenlose Gebiete, die bis zu deu Wendekreisen des Krebses und Stein- bocks reichen. In diesen Gebieten senkt sich die unter dem Äquator aufgestiegene und polwärts abgeflossene Luft wieder zur Erde nieder, wobei sie sich erwärmt und — ohnehin schon abgeregnet — nnn erst recht nicht zu niederschlugen ge¬ langt. In dem nördlichen dieser Gebiete liegen die großen Wüstenlünder der Erde, die Sahara, Arabien, Persien und Zentralasien. Das letztere Gebiet liegt außerdem im Negenschatten der zentralasiatischen Randgebirge. In der süd¬ lichem regenlosen Passatzone liegt der größere Teil vou Australien, abermals

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/527>, abgerufen am 23.07.2024.