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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Gambettistische velleitäten.

Wenige Wochen nach dieser Leistung der Gambettisten folgte eine zweite.
Am 26. August wollte der deutsche Turnverein zu Paris in einem Kaffeehause
der Rue Se. Mare ein Bankett zu Ehren eiues seiner Mitglieder abhalten.
Ans Versehen war dazu der Vorsitzende der französischen patriotischen Liga ein¬
geladen worden, die sich der Pflege des Deutschenhasses befleißigt. Dieser be¬
trachtete die Sache im Lichte einer Herausforderung und war im Begriffe, mit
seiner Gesellschaft in dem betreffenden Lokale zu erscheinen und den Turnern
eine Schlacht mit Fäusten und Prügeln zu liefern, die vermutlich Sedan wett¬
zumachen bestimmt war. Indeß erfuhr die Polizei von dem Plane, untersagte
die Versammlung lind schloß das Cas6 einstweilen. Doch hatten die "Patrioten"
später die Genugthuung, dort, im Lager des Feindes, tafeln und enthusiastische
Reden halten und anhören zu dürfen.

Alles das wäre nicht fehr verwunderlich, wenn zu der Liga nicht der
Gouverneur von Paris, ein Admiral und mehrere gambettistische Senatoren und
Deputirte gehörten, und wenn die Presse des Exdiktators nicht die Gelegenheit
ergriffen hätte, die Deutschen mit Schmähungen der ärgsten Art zu überschütten
und gegen dieselben nach Kräften zu Hetzen.

Viele Journale brachten eigne Leitartikel über den Vorfall, in welchen die
"Ligue des Patriotes" wegen ihres Verhaltens beglückwünscht und dringend
aufgefordert wurde, den nunmehr begonnenen Feldzug gegen die in Frankreich
lebenden deutschen "Spione" energisch fortzusetzen. Die "France" benutzte einen
vor Monaten erschienenen Bericht über den französischen Ansfuhrhandel, um
die Fabrikanten und Kaufleute gegen die Deutschen aufzuregen. "Die deutsche
Industrie, so klagte sie, hat sich einer Menge von Erzeugnissen bemächtigt, die
bisher das Monopol der französischen zu sein schienen," was dann weiter aus¬
geführt und mit Ermahnungen begleitet wurde, keine Deutschen anzustellen, in
keinem deutsche" Laden zu kaufen und dergleichen. Ebenso wurde der Brotneid
von Blättern der Provinz aufgestachelt und zur Entlassung der in französischen
Geschäften angestellten Deutschen aufgefordert. "Wenn Betrug und Feigheit
aus der übrigen Welt verbannt werden, ließ sich das "Journal de Noubaix"
vernehmen, so werdeu sie im Herzen der Deutschen ihre letzte Zuflucht suchen
und finden. . . Wir begreifen nicht, und niemand wird begreifen, daß die Re¬
gierung solche Versammlungen duldet, und daß sie die Banden von Schmarotzern,
die sich an uns ansetzen, wie Ungeziefer um arme Teufel, nicht schon längst über
die Grenze geschafft hat." Auch der "Siücle," das Organ des Kammerpräsi¬
denten Brisson, des einzigen Konkurrenten Gambettas bei der nächsten Wahl
eines Präsidenten der Republik, schloß sich den Blättern an, welche, den wahren
Verhält der Angelegenheit, das Versehell oder Mißverständnis bei der Einladung
des Vorsitzenden der Patriotenliga, absichtlich übersehend, sich beeilten, die
Deutschen mit Grobheiten zu überhäufen. "Daß sie aus einem Lande fliehen,
in welchem der Despotismus ihnen keinen Wohlstand gewährt, heißt es da, daß


Gambettistische velleitäten.

Wenige Wochen nach dieser Leistung der Gambettisten folgte eine zweite.
Am 26. August wollte der deutsche Turnverein zu Paris in einem Kaffeehause
der Rue Se. Mare ein Bankett zu Ehren eiues seiner Mitglieder abhalten.
Ans Versehen war dazu der Vorsitzende der französischen patriotischen Liga ein¬
geladen worden, die sich der Pflege des Deutschenhasses befleißigt. Dieser be¬
trachtete die Sache im Lichte einer Herausforderung und war im Begriffe, mit
seiner Gesellschaft in dem betreffenden Lokale zu erscheinen und den Turnern
eine Schlacht mit Fäusten und Prügeln zu liefern, die vermutlich Sedan wett¬
zumachen bestimmt war. Indeß erfuhr die Polizei von dem Plane, untersagte
die Versammlung lind schloß das Cas6 einstweilen. Doch hatten die „Patrioten"
später die Genugthuung, dort, im Lager des Feindes, tafeln und enthusiastische
Reden halten und anhören zu dürfen.

Alles das wäre nicht fehr verwunderlich, wenn zu der Liga nicht der
Gouverneur von Paris, ein Admiral und mehrere gambettistische Senatoren und
Deputirte gehörten, und wenn die Presse des Exdiktators nicht die Gelegenheit
ergriffen hätte, die Deutschen mit Schmähungen der ärgsten Art zu überschütten
und gegen dieselben nach Kräften zu Hetzen.

Viele Journale brachten eigne Leitartikel über den Vorfall, in welchen die
„Ligue des Patriotes" wegen ihres Verhaltens beglückwünscht und dringend
aufgefordert wurde, den nunmehr begonnenen Feldzug gegen die in Frankreich
lebenden deutschen „Spione" energisch fortzusetzen. Die „France" benutzte einen
vor Monaten erschienenen Bericht über den französischen Ansfuhrhandel, um
die Fabrikanten und Kaufleute gegen die Deutschen aufzuregen. „Die deutsche
Industrie, so klagte sie, hat sich einer Menge von Erzeugnissen bemächtigt, die
bisher das Monopol der französischen zu sein schienen," was dann weiter aus¬
geführt und mit Ermahnungen begleitet wurde, keine Deutschen anzustellen, in
keinem deutsche» Laden zu kaufen und dergleichen. Ebenso wurde der Brotneid
von Blättern der Provinz aufgestachelt und zur Entlassung der in französischen
Geschäften angestellten Deutschen aufgefordert. „Wenn Betrug und Feigheit
aus der übrigen Welt verbannt werden, ließ sich das »Journal de Noubaix«
vernehmen, so werdeu sie im Herzen der Deutschen ihre letzte Zuflucht suchen
und finden. . . Wir begreifen nicht, und niemand wird begreifen, daß die Re¬
gierung solche Versammlungen duldet, und daß sie die Banden von Schmarotzern,
die sich an uns ansetzen, wie Ungeziefer um arme Teufel, nicht schon längst über
die Grenze geschafft hat." Auch der „Siücle," das Organ des Kammerpräsi¬
denten Brisson, des einzigen Konkurrenten Gambettas bei der nächsten Wahl
eines Präsidenten der Republik, schloß sich den Blättern an, welche, den wahren
Verhält der Angelegenheit, das Versehell oder Mißverständnis bei der Einladung
des Vorsitzenden der Patriotenliga, absichtlich übersehend, sich beeilten, die
Deutschen mit Grobheiten zu überhäufen. „Daß sie aus einem Lande fliehen,
in welchem der Despotismus ihnen keinen Wohlstand gewährt, heißt es da, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/490>, abgerufen am 01.07.2024.