Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

So, nlso dies ist die Art, wie du anständige Herren an der Nase herum¬
führst, he? Vorgestern Abend verlobst dn dich mit Herrn Hnmphreys, und jetzt
willst dn nicht mit ihm sprechen? Denken zu müssen, daß meine Tochter sich
als herzlose Kokette aufführt!

Ich fürchte, daß in Juliens Gemüte der unkindliche Gedanke aufstieg, daß
nichts der gewöhnlichen Ordnung der Dinge mehr entsprechen würde, als wenn
die Tochter einer Kokette auch eine wäre.

Du wirst mich auf der Stelle umbringen, ganz sicherlich wirst dn das.
Julia wurde ängstlich; denn ihre Mutter machte den Eindruck, als ob sie in
hysterische Krämpfe verfallen wollte. Aber sie streckte den einen Fuß vor und
schüttelte den Kopf auf eine Weise, welche sagte, eher könnten alle ihre Freunde
sterben und die Welt in Stücke gehen, als das sie nachgäbe. Frau Anderson
hatte noch eine Reserve. Sie entschloß sich, diese aufmarschiren zu lassen. Sie
ließ Julien allein und ging zu ihrem Gatten.

Samuel, wenn dir an meinem Leben was gelegen ist, so geh und sprich
mit deiner Tochter. Sie hat ganz und gar deinen halsstarrigen Willen. Sie
ist ganz wie du, sie will durchaus ihren Kof durchsetzen. Ich werde darüber
sterben. Und Frau Abigail Anderson sunt in einen Stuhl mit unverkennbaren
Symptomen eines hysterischen Anfalls.

Ich weiß, daß ich bis setzt den Leser nicht ein Wort von Samuel Auder-
svns Äußerungen habe hören lassen. Er hat eine ziemlich unbedeutende Rolle
in der Geschichte gespielt. Nichts konnte mehr vvmnuz it tirut, sein, llnbedeu-
teudheit war sein charakteristisches Merkmal. Es war nicht so sehr, daß er klein
von Statur war. Es ist nichts so schlimmes, ein kleiner Mann zu sein. Aber
klein und unbedeutend zugleich zu sein, ist schlimm. Es giebt mir eins, was
schlimmer ist: groß und unbedeutend zu sein. Wenn jemand klein und unbe¬
deutend ist, so kann er übersehen werden, seine Unbedeutendheit und alles andre.
Aber wenn einer groß und unbedeutend ist, so ist er eine zudringliche Null, ein
großer Tölpel, den man nicht leicht aus den Augen los wird.

Vou seiner Frau angerufen, machte Samuel Anderson sich bereit, sein An¬
sehen als Haupt der Familie zur Geltung zu bringen. Er verfügte sich mit
Würde zu Julien. Diese hatte wirkliche Liebe zu ihrem Vater, und nichts ver¬
droß sie mehr, als zu sehen, wie er wie eine von ihrer Mutter gelenkte Draht-
Puppe agirte und doch eitel genug war, um sich für uunbhäugig und maßgebend
zu halten. Sie würde schier in jedem andern Punkte nachgegeben haben, nur
sich das widerwärtige Gefühl zu ersparen, ihren Vater den Narren spielen zu
sehen; aber jetzt war sie entschlossen, lieber zu sterben und alle andern sterben
zu lassen, als mit einem Menschen zu gehen, dessen Wesen ihr verderbt erschien,
und dessen Berührug Befleckung war. Ich behaupte nicht, daß sie imstande
war, ein genaues Inventar über die Gründe, weshalb er ihr mißfiel, zu ent¬
werfen oder ihre Gefühle zu analysiren. Sie hätte nicht sagen köunen, warum


So, nlso dies ist die Art, wie du anständige Herren an der Nase herum¬
führst, he? Vorgestern Abend verlobst dn dich mit Herrn Hnmphreys, und jetzt
willst dn nicht mit ihm sprechen? Denken zu müssen, daß meine Tochter sich
als herzlose Kokette aufführt!

Ich fürchte, daß in Juliens Gemüte der unkindliche Gedanke aufstieg, daß
nichts der gewöhnlichen Ordnung der Dinge mehr entsprechen würde, als wenn
die Tochter einer Kokette auch eine wäre.

Du wirst mich auf der Stelle umbringen, ganz sicherlich wirst dn das.
Julia wurde ängstlich; denn ihre Mutter machte den Eindruck, als ob sie in
hysterische Krämpfe verfallen wollte. Aber sie streckte den einen Fuß vor und
schüttelte den Kopf auf eine Weise, welche sagte, eher könnten alle ihre Freunde
sterben und die Welt in Stücke gehen, als das sie nachgäbe. Frau Anderson
hatte noch eine Reserve. Sie entschloß sich, diese aufmarschiren zu lassen. Sie
ließ Julien allein und ging zu ihrem Gatten.

Samuel, wenn dir an meinem Leben was gelegen ist, so geh und sprich
mit deiner Tochter. Sie hat ganz und gar deinen halsstarrigen Willen. Sie
ist ganz wie du, sie will durchaus ihren Kof durchsetzen. Ich werde darüber
sterben. Und Frau Abigail Anderson sunt in einen Stuhl mit unverkennbaren
Symptomen eines hysterischen Anfalls.

Ich weiß, daß ich bis setzt den Leser nicht ein Wort von Samuel Auder-
svns Äußerungen habe hören lassen. Er hat eine ziemlich unbedeutende Rolle
in der Geschichte gespielt. Nichts konnte mehr vvmnuz it tirut, sein, llnbedeu-
teudheit war sein charakteristisches Merkmal. Es war nicht so sehr, daß er klein
von Statur war. Es ist nichts so schlimmes, ein kleiner Mann zu sein. Aber
klein und unbedeutend zugleich zu sein, ist schlimm. Es giebt mir eins, was
schlimmer ist: groß und unbedeutend zu sein. Wenn jemand klein und unbe¬
deutend ist, so kann er übersehen werden, seine Unbedeutendheit und alles andre.
Aber wenn einer groß und unbedeutend ist, so ist er eine zudringliche Null, ein
großer Tölpel, den man nicht leicht aus den Augen los wird.

Vou seiner Frau angerufen, machte Samuel Anderson sich bereit, sein An¬
sehen als Haupt der Familie zur Geltung zu bringen. Er verfügte sich mit
Würde zu Julien. Diese hatte wirkliche Liebe zu ihrem Vater, und nichts ver¬
droß sie mehr, als zu sehen, wie er wie eine von ihrer Mutter gelenkte Draht-
Puppe agirte und doch eitel genug war, um sich für uunbhäugig und maßgebend
zu halten. Sie würde schier in jedem andern Punkte nachgegeben haben, nur
sich das widerwärtige Gefühl zu ersparen, ihren Vater den Narren spielen zu
sehen; aber jetzt war sie entschlossen, lieber zu sterben und alle andern sterben
zu lassen, als mit einem Menschen zu gehen, dessen Wesen ihr verderbt erschien,
und dessen Berührug Befleckung war. Ich behaupte nicht, daß sie imstande
war, ein genaues Inventar über die Gründe, weshalb er ihr mißfiel, zu ent¬
werfen oder ihre Gefühle zu analysiren. Sie hätte nicht sagen köunen, warum


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0485" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193826"/>
            <fw type="header" place="top"/><lb/>
            <p xml:id="ID_1633"> So, nlso dies ist die Art, wie du anständige Herren an der Nase herum¬<lb/>
führst, he? Vorgestern Abend verlobst dn dich mit Herrn Hnmphreys, und jetzt<lb/>
willst dn nicht mit ihm sprechen? Denken zu müssen, daß meine Tochter sich<lb/>
als herzlose Kokette aufführt!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1634"> Ich fürchte, daß in Juliens Gemüte der unkindliche Gedanke aufstieg, daß<lb/>
nichts der gewöhnlichen Ordnung der Dinge mehr entsprechen würde, als wenn<lb/>
die Tochter einer Kokette auch eine wäre.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1635"> Du wirst mich auf der Stelle umbringen, ganz sicherlich wirst dn das.<lb/>
Julia wurde ängstlich; denn ihre Mutter machte den Eindruck, als ob sie in<lb/>
hysterische Krämpfe verfallen wollte. Aber sie streckte den einen Fuß vor und<lb/>
schüttelte den Kopf auf eine Weise, welche sagte, eher könnten alle ihre Freunde<lb/>
sterben und die Welt in Stücke gehen, als das sie nachgäbe. Frau Anderson<lb/>
hatte noch eine Reserve. Sie entschloß sich, diese aufmarschiren zu lassen. Sie<lb/>
ließ Julien allein und ging zu ihrem Gatten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1636"> Samuel, wenn dir an meinem Leben was gelegen ist, so geh und sprich<lb/>
mit deiner Tochter. Sie hat ganz und gar deinen halsstarrigen Willen. Sie<lb/>
ist ganz wie du, sie will durchaus ihren Kof durchsetzen. Ich werde darüber<lb/>
sterben. Und Frau Abigail Anderson sunt in einen Stuhl mit unverkennbaren<lb/>
Symptomen eines hysterischen Anfalls.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1637"> Ich weiß, daß ich bis setzt den Leser nicht ein Wort von Samuel Auder-<lb/>
svns Äußerungen habe hören lassen. Er hat eine ziemlich unbedeutende Rolle<lb/>
in der Geschichte gespielt. Nichts konnte mehr vvmnuz it tirut, sein, llnbedeu-<lb/>
teudheit war sein charakteristisches Merkmal. Es war nicht so sehr, daß er klein<lb/>
von Statur war. Es ist nichts so schlimmes, ein kleiner Mann zu sein. Aber<lb/>
klein und unbedeutend zugleich zu sein, ist schlimm. Es giebt mir eins, was<lb/>
schlimmer ist: groß und unbedeutend zu sein. Wenn jemand klein und unbe¬<lb/>
deutend ist, so kann er übersehen werden, seine Unbedeutendheit und alles andre.<lb/>
Aber wenn einer groß und unbedeutend ist, so ist er eine zudringliche Null, ein<lb/>
großer Tölpel, den man nicht leicht aus den Augen los wird.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1638" next="#ID_1639"> Vou seiner Frau angerufen, machte Samuel Anderson sich bereit, sein An¬<lb/>
sehen als Haupt der Familie zur Geltung zu bringen. Er verfügte sich mit<lb/>
Würde zu Julien. Diese hatte wirkliche Liebe zu ihrem Vater, und nichts ver¬<lb/>
droß sie mehr, als zu sehen, wie er wie eine von ihrer Mutter gelenkte Draht-<lb/>
Puppe agirte und doch eitel genug war, um sich für uunbhäugig und maßgebend<lb/>
zu halten. Sie würde schier in jedem andern Punkte nachgegeben haben, nur<lb/>
sich das widerwärtige Gefühl zu ersparen, ihren Vater den Narren spielen zu<lb/>
sehen; aber jetzt war sie entschlossen, lieber zu sterben und alle andern sterben<lb/>
zu lassen, als mit einem Menschen zu gehen, dessen Wesen ihr verderbt erschien,<lb/>
und dessen Berührug Befleckung war. Ich behaupte nicht, daß sie imstande<lb/>
war, ein genaues Inventar über die Gründe, weshalb er ihr mißfiel, zu ent¬<lb/>
werfen oder ihre Gefühle zu analysiren. Sie hätte nicht sagen köunen, warum</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0485] So, nlso dies ist die Art, wie du anständige Herren an der Nase herum¬ führst, he? Vorgestern Abend verlobst dn dich mit Herrn Hnmphreys, und jetzt willst dn nicht mit ihm sprechen? Denken zu müssen, daß meine Tochter sich als herzlose Kokette aufführt! Ich fürchte, daß in Juliens Gemüte der unkindliche Gedanke aufstieg, daß nichts der gewöhnlichen Ordnung der Dinge mehr entsprechen würde, als wenn die Tochter einer Kokette auch eine wäre. Du wirst mich auf der Stelle umbringen, ganz sicherlich wirst dn das. Julia wurde ängstlich; denn ihre Mutter machte den Eindruck, als ob sie in hysterische Krämpfe verfallen wollte. Aber sie streckte den einen Fuß vor und schüttelte den Kopf auf eine Weise, welche sagte, eher könnten alle ihre Freunde sterben und die Welt in Stücke gehen, als das sie nachgäbe. Frau Anderson hatte noch eine Reserve. Sie entschloß sich, diese aufmarschiren zu lassen. Sie ließ Julien allein und ging zu ihrem Gatten. Samuel, wenn dir an meinem Leben was gelegen ist, so geh und sprich mit deiner Tochter. Sie hat ganz und gar deinen halsstarrigen Willen. Sie ist ganz wie du, sie will durchaus ihren Kof durchsetzen. Ich werde darüber sterben. Und Frau Abigail Anderson sunt in einen Stuhl mit unverkennbaren Symptomen eines hysterischen Anfalls. Ich weiß, daß ich bis setzt den Leser nicht ein Wort von Samuel Auder- svns Äußerungen habe hören lassen. Er hat eine ziemlich unbedeutende Rolle in der Geschichte gespielt. Nichts konnte mehr vvmnuz it tirut, sein, llnbedeu- teudheit war sein charakteristisches Merkmal. Es war nicht so sehr, daß er klein von Statur war. Es ist nichts so schlimmes, ein kleiner Mann zu sein. Aber klein und unbedeutend zugleich zu sein, ist schlimm. Es giebt mir eins, was schlimmer ist: groß und unbedeutend zu sein. Wenn jemand klein und unbe¬ deutend ist, so kann er übersehen werden, seine Unbedeutendheit und alles andre. Aber wenn einer groß und unbedeutend ist, so ist er eine zudringliche Null, ein großer Tölpel, den man nicht leicht aus den Augen los wird. Vou seiner Frau angerufen, machte Samuel Anderson sich bereit, sein An¬ sehen als Haupt der Familie zur Geltung zu bringen. Er verfügte sich mit Würde zu Julien. Diese hatte wirkliche Liebe zu ihrem Vater, und nichts ver¬ droß sie mehr, als zu sehen, wie er wie eine von ihrer Mutter gelenkte Draht- Puppe agirte und doch eitel genug war, um sich für uunbhäugig und maßgebend zu halten. Sie würde schier in jedem andern Punkte nachgegeben haben, nur sich das widerwärtige Gefühl zu ersparen, ihren Vater den Narren spielen zu sehen; aber jetzt war sie entschlossen, lieber zu sterben und alle andern sterben zu lassen, als mit einem Menschen zu gehen, dessen Wesen ihr verderbt erschien, und dessen Berührug Befleckung war. Ich behaupte nicht, daß sie imstande war, ein genaues Inventar über die Gründe, weshalb er ihr mißfiel, zu ent¬ werfen oder ihre Gefühle zu analysiren. Sie hätte nicht sagen köunen, warum

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/485
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/485>, abgerufen am 03.07.2024.