Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.In t^l'cuinos! Mark zugesichert wird, er glaubt wirklich, daß der auf ihn einredende Menschen¬ In t^l'cuinos! Mark zugesichert wird, er glaubt wirklich, daß der auf ihn einredende Menschen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0447" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193788"/> <fw type="header" place="top"> In t^l'cuinos!</fw><lb/> <p xml:id="ID_1505" prev="#ID_1504" next="#ID_1506"> Mark zugesichert wird, er glaubt wirklich, daß der auf ihn einredende Menschen¬<lb/> freund an jedem neuen Abonnenten baaren Verlust haben müsse; und darin hat<lb/> er auch nicht Unrecht. Der Abonnent ist nnr das Mittel, um den Inserenten<lb/> zu gewinnen, von dem lebt das Unternehmen, der baut dem Menschenfreunde<lb/> die Hänser und kauft ihm die Landgüter. Und der Menschenfreund, der viel¬<lb/> leicht über Dativ und Akkusativ stolpert und anßer Stande ist, einen prüsentablen<lb/> Brief zu schreiben, wird eine Macht im Staate, weil er die Reklame versteht<lb/> und deu richtigen Spürsinn für die geistigen Bedürfnisse des echten Philisters<lb/> hat. Der will ein politisches Raisonnement lesen, wie er es selbst zu führen<lb/> versteht, immer das Zeugnis erhalten, daß er gescheidter sei als alle die großen<lb/> Herren, welche nnverdienterweisc da stehen, wo er stehen sollte, will immer<lb/> bestätigt erhalten, daß der größte Teil der Staatslasten auf seinen Schultern<lb/> ruhe, und daß es kinderleicht wäre, allen Übelstünden abzuhelfen, wenn mau<lb/> nur ihm und seinem Leibjournal folgen wollte. Das ist die politische Weisheit,<lb/> mit welcher zu Zeiten materieller Not und ungerechter Verteilung der Lasten<lb/> und Rechte die untern Schichten für die Revolution erzogen werden: übertriebene<lb/> Schilderung der Notstünde, Verdächtigung der Absichten der bestehenden Ge¬<lb/> walten, Aufhetzung gegen die gesetzliche Ordnung und phantastische Verheißungen<lb/> von einem glückseligen Zustande, den zu erreichen nichts weiter nötig wäre, als<lb/> die Macht den Händen zu entreißen, in welchen fie sich befindet. Die Mittel<lb/> sind immer dieselben gewesen, so lange es Staaten giebt, und haben sich anch<lb/> stets wirksam erwiesen, wo uicht klares Wollen und Energie am Ruder standen.<lb/> Jetzt fehlen freilich die Vorbedingungen für demagogische Thätigkeit. Niemand<lb/> wird in seinen Rechten gekränkt, die Verwaltung ist in musterhafter Ordnung<lb/> und steht unter Kontrole der Öffentlichkeit, und der Armut zu steuern ist gerade<lb/> jetzt die Regierung mit einem Ernst und Scharfblick bemüht, wie nie zuvor<lb/> irgendeine Regierung. Verfügte die Agitation nnr über die Mittel früherer<lb/> Zeiten, sie müßte scheitern beim ersten Versuch. Da bietet sich ihr die Presse<lb/> dar, welche täglich in ihre Leute hineinredet, ohne Widerlegung zu finden, denn<lb/> jene lesen jn nicht, was die Gegner vorbringen. Die Dreistigkeit der Sprache<lb/> befremdet wohl zuerst, imponirt aber bald. „Es muß doch etwas darau sein,<lb/> es steht ja täglich in der Zeitung!" Und die vou Haus ans gemäßigteren Blätter<lb/> schlagen endlich anch dieselben Töne an, weil sie nicht verdunkelt und aus der<lb/> Gunst ihrer Abonnenten verdrängt werden wollen. So bildet sich denn der<lb/> liberale Philister in aller Ruhe und Behaglichkeit seiner Existenz ein, unterdrückt<lb/> zu sein, Ursache zum Mißtrauen und zum Murren gegen ein Regiment zu haben,<lb/> für das er täglich seinem Schöpfer danken sollte. Er weiß nicht oder vergißt,<lb/> welcher Segen sich über Frankreich ergossen hat, als vor hundert Jahren dort<lb/> dieselben Lehren vorgetragen worden waren, gläubige Anhänger gesunden und es<lb/> im Verein mit der Nachsicht und Schwäche der Regierung dahin gebracht<lb/> hatten, daß nach dem Ausdruck Tnines uicht mehr das Volk den Autoritäten,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0447]
In t^l'cuinos!
Mark zugesichert wird, er glaubt wirklich, daß der auf ihn einredende Menschen¬
freund an jedem neuen Abonnenten baaren Verlust haben müsse; und darin hat
er auch nicht Unrecht. Der Abonnent ist nnr das Mittel, um den Inserenten
zu gewinnen, von dem lebt das Unternehmen, der baut dem Menschenfreunde
die Hänser und kauft ihm die Landgüter. Und der Menschenfreund, der viel¬
leicht über Dativ und Akkusativ stolpert und anßer Stande ist, einen prüsentablen
Brief zu schreiben, wird eine Macht im Staate, weil er die Reklame versteht
und deu richtigen Spürsinn für die geistigen Bedürfnisse des echten Philisters
hat. Der will ein politisches Raisonnement lesen, wie er es selbst zu führen
versteht, immer das Zeugnis erhalten, daß er gescheidter sei als alle die großen
Herren, welche nnverdienterweisc da stehen, wo er stehen sollte, will immer
bestätigt erhalten, daß der größte Teil der Staatslasten auf seinen Schultern
ruhe, und daß es kinderleicht wäre, allen Übelstünden abzuhelfen, wenn mau
nur ihm und seinem Leibjournal folgen wollte. Das ist die politische Weisheit,
mit welcher zu Zeiten materieller Not und ungerechter Verteilung der Lasten
und Rechte die untern Schichten für die Revolution erzogen werden: übertriebene
Schilderung der Notstünde, Verdächtigung der Absichten der bestehenden Ge¬
walten, Aufhetzung gegen die gesetzliche Ordnung und phantastische Verheißungen
von einem glückseligen Zustande, den zu erreichen nichts weiter nötig wäre, als
die Macht den Händen zu entreißen, in welchen fie sich befindet. Die Mittel
sind immer dieselben gewesen, so lange es Staaten giebt, und haben sich anch
stets wirksam erwiesen, wo uicht klares Wollen und Energie am Ruder standen.
Jetzt fehlen freilich die Vorbedingungen für demagogische Thätigkeit. Niemand
wird in seinen Rechten gekränkt, die Verwaltung ist in musterhafter Ordnung
und steht unter Kontrole der Öffentlichkeit, und der Armut zu steuern ist gerade
jetzt die Regierung mit einem Ernst und Scharfblick bemüht, wie nie zuvor
irgendeine Regierung. Verfügte die Agitation nnr über die Mittel früherer
Zeiten, sie müßte scheitern beim ersten Versuch. Da bietet sich ihr die Presse
dar, welche täglich in ihre Leute hineinredet, ohne Widerlegung zu finden, denn
jene lesen jn nicht, was die Gegner vorbringen. Die Dreistigkeit der Sprache
befremdet wohl zuerst, imponirt aber bald. „Es muß doch etwas darau sein,
es steht ja täglich in der Zeitung!" Und die vou Haus ans gemäßigteren Blätter
schlagen endlich anch dieselben Töne an, weil sie nicht verdunkelt und aus der
Gunst ihrer Abonnenten verdrängt werden wollen. So bildet sich denn der
liberale Philister in aller Ruhe und Behaglichkeit seiner Existenz ein, unterdrückt
zu sein, Ursache zum Mißtrauen und zum Murren gegen ein Regiment zu haben,
für das er täglich seinem Schöpfer danken sollte. Er weiß nicht oder vergißt,
welcher Segen sich über Frankreich ergossen hat, als vor hundert Jahren dort
dieselben Lehren vorgetragen worden waren, gläubige Anhänger gesunden und es
im Verein mit der Nachsicht und Schwäche der Regierung dahin gebracht
hatten, daß nach dem Ausdruck Tnines uicht mehr das Volk den Autoritäten,
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