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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Lakchen und Thyrsosträger.

Interesse >ab immer steigendes GeUncht; sie schienen gleichsam eine Schale zu
belasten, deren Gegengewicht, die Turkmenen-Expedition, immer leichter wurde,
und als endlich von seiten des russischen Gouverneurs eine Zeitdauer von acht
Monaten für den erneuten Vormarsch gegen Got-Tepe berechnet Nnirde, während
gleichzeitig Comtesse Hyacinth in einem sehr schwermütigen Tone schrieb, da packte
der Rittmeister seine Koffer lind begab sich auf den Heimweg nach Berlin.

Hyazintheus Vergißmeinnicht-Augen leuchteten zu neuem Leben auf, und ihre
Wangen erröteten in lieblicher Scham, als die ritterliche Erscheinung des Grafen
wieder leibhaftig vor ihr stand. Auch der Graf Hüningen zeigte ein weniger
strenges Gesicht als vor Monaten. Der trübe Eindruck jeues Ereignisses, welches
bei all seiner Schmerzlichkeit doch die Familie Hüningen von einer Gewissenslast
befreit hatte, war verwischt, und man sah der Zukunft mit neuer Hoffnung ent¬
gegen.

Graf Viktor von Falkenfels hatte ein ernstes Gespräch mit dem Vater seiner
Angebeteten, und die Folge desselben war, daß er mit einem freudigen Lächeln
in das Boudoir der Comtesse trat, wo er sie allein und mit einer Stickerei be¬
schäftigt fand.

Die beiden Liebenden waren ihrer Gefühle für einander so gewiß und hatten
in dem beseligenden Bewußtsein völliger Übereinstimmung ein solches Vertrauen
zu einander, daß dieser Augenblick, welcher sie zu einem feierlichen Verlöbnis führen
sollte, ihnen beiden nnr wie der freundliche Beschluß eines längst erwarteten
Schicksals erschien. Sie hatten beide so viel hundert und tausendmal ihre Seelen
mit einander verschlungen und ausgetauscht, daß jetzt der äußere Bund, welcher
sie zusammenfügen sollte, mir als ein Hinnehmen längst besessenen Eigentums sich
vorstellte. Eins kannte vom andern alle Gedanken und Neigungen, eins kannte
des andern Gesichtszüge und Bewegungen so genan oder noch genauer als die
eigenen, und es schien das Zusammenschmelzen einer einzigen Person, nicht die
Vereinigung zweier Meuscheu zu sein, als sie jetzt endlich ein Paar wurden.
Kein Harren und Bangen, keine Spannung, kein Hoffen und Fürchten bewegte
ihre Herzen, als der Graf der Geliebten nun den Antrag machte, fondern nur
der lebhaftere Schlag der Freude.

Aber welcher Freude! Eine sauste Glut durchströmte ihr ganzes Wesen
und ließ kein Fleckchen des Zweifels, des Bedenkens, der Kälte übrig. Eine
völlige Sicherheit des Glücks, ein unbegrenztes Vertrauen in die himmlischen
Fügungen beseelten sie.

Auf Hyazintheus Gesicht lag der ruhige Glanz eines befriedigten und hoff-
nungsfrohen Gemüts, als Graf Viktor ihr auseinandersetzte, auf welcher Grund¬
lage ihr künftiger Hausstand erbaut werden müsse.

Ein armer Ritter und ein armes Fräulein thun sich zusammen, sagte er
scherzend, und er malte mit einem glücklichen Lächeln des gebräunten kriegerischen
Gesichts die Bescheidenheit ans, welche künftig werde herrschen müssen. Ich sehe


Lakchen und Thyrsosträger.

Interesse >ab immer steigendes GeUncht; sie schienen gleichsam eine Schale zu
belasten, deren Gegengewicht, die Turkmenen-Expedition, immer leichter wurde,
und als endlich von seiten des russischen Gouverneurs eine Zeitdauer von acht
Monaten für den erneuten Vormarsch gegen Got-Tepe berechnet Nnirde, während
gleichzeitig Comtesse Hyacinth in einem sehr schwermütigen Tone schrieb, da packte
der Rittmeister seine Koffer lind begab sich auf den Heimweg nach Berlin.

Hyazintheus Vergißmeinnicht-Augen leuchteten zu neuem Leben auf, und ihre
Wangen erröteten in lieblicher Scham, als die ritterliche Erscheinung des Grafen
wieder leibhaftig vor ihr stand. Auch der Graf Hüningen zeigte ein weniger
strenges Gesicht als vor Monaten. Der trübe Eindruck jeues Ereignisses, welches
bei all seiner Schmerzlichkeit doch die Familie Hüningen von einer Gewissenslast
befreit hatte, war verwischt, und man sah der Zukunft mit neuer Hoffnung ent¬
gegen.

Graf Viktor von Falkenfels hatte ein ernstes Gespräch mit dem Vater seiner
Angebeteten, und die Folge desselben war, daß er mit einem freudigen Lächeln
in das Boudoir der Comtesse trat, wo er sie allein und mit einer Stickerei be¬
schäftigt fand.

Die beiden Liebenden waren ihrer Gefühle für einander so gewiß und hatten
in dem beseligenden Bewußtsein völliger Übereinstimmung ein solches Vertrauen
zu einander, daß dieser Augenblick, welcher sie zu einem feierlichen Verlöbnis führen
sollte, ihnen beiden nnr wie der freundliche Beschluß eines längst erwarteten
Schicksals erschien. Sie hatten beide so viel hundert und tausendmal ihre Seelen
mit einander verschlungen und ausgetauscht, daß jetzt der äußere Bund, welcher
sie zusammenfügen sollte, mir als ein Hinnehmen längst besessenen Eigentums sich
vorstellte. Eins kannte vom andern alle Gedanken und Neigungen, eins kannte
des andern Gesichtszüge und Bewegungen so genan oder noch genauer als die
eigenen, und es schien das Zusammenschmelzen einer einzigen Person, nicht die
Vereinigung zweier Meuscheu zu sein, als sie jetzt endlich ein Paar wurden.
Kein Harren und Bangen, keine Spannung, kein Hoffen und Fürchten bewegte
ihre Herzen, als der Graf der Geliebten nun den Antrag machte, fondern nur
der lebhaftere Schlag der Freude.

Aber welcher Freude! Eine sauste Glut durchströmte ihr ganzes Wesen
und ließ kein Fleckchen des Zweifels, des Bedenkens, der Kälte übrig. Eine
völlige Sicherheit des Glücks, ein unbegrenztes Vertrauen in die himmlischen
Fügungen beseelten sie.

Auf Hyazintheus Gesicht lag der ruhige Glanz eines befriedigten und hoff-
nungsfrohen Gemüts, als Graf Viktor ihr auseinandersetzte, auf welcher Grund¬
lage ihr künftiger Hausstand erbaut werden müsse.

Ein armer Ritter und ein armes Fräulein thun sich zusammen, sagte er
scherzend, und er malte mit einem glücklichen Lächeln des gebräunten kriegerischen
Gesichts die Bescheidenheit ans, welche künftig werde herrschen müssen. Ich sehe


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/43>, abgerufen am 01.07.2024.