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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der jüngste Tag.

O ich höre, daß Frau Anderson die Dutchmeu nicht leiden kann. In sein
Lächeln mischte sich jetzt ein spöttischer Zug.

Ich wüßte nicht, daß Sie das etwas anginge, erwiederte August, indem
all sein Mißtrauen sich mit einem Ruck in Ärger verwandelte.

O bitte um Verzeihung, sagte Humphreys in halb höhnischem Tone. Ich
glaubte nur, zur Ordnung der Sache beitragen zu können. Ich denke, ich er¬
freue mich des Vertrauens der Frau Anderson, und ich weiß, daß Fräulein
Anderson mir in ungewöhnlichem Grade ihr Vertrauen erweist. Ich halte sehr
viel von ihr, und sie betrachtet mich allermindestens als ihren Freund. Ich
glaubte, daß zwischen Ihnen beiden noch einige Kleinigkeiten zu ordnen wären,
und sie deutete an, daß es vielleicht etwas gäbe, was Sie ihr gern sagen
möchten, und daß es, wenn Sie es mir ansprachen, ganz dasselbe sein würde,
als ob Sie es ihr sagten. Sie nimmt an, daß bei der Beziehung, in der ich
zu ihr und ihrer Familie stehe, eine mir übertragene Botschaft ganz dieselbe
Wirkung haben werde, als wenn sie direkt an Sie gerichtet würde. Ich sagte
ihr, daß ich nicht glauben könne, Sie würden als Gentleman sie an irgendwelche
Zusagen gebunden erachten, die ihr jetzt peinlich sein könnten.

Diese Worte wurden mit einer Kaltblütigkeit und Bosheit und doch im
Tone der Gutmütigkeit gesprochen, daß es sich wie Tenfelei cent,orde, und Augusts
Faust ballte sich unwillkürlich zu einem Schlage, und wenn es nnr gegolten
hätte, seinem schurkischen rechtwinkeligen Lächeln ein Ende zu machen. Aber er
hielt an sich.

Sie sind ein Lump! sagte er. Erzählen Sie das Julien, wenn es Ihnen
beliebt. Ich werde ihr eine Lossprechung von allen ihren Verpflichtungen zu¬
schicken, aber nichts durch die Hand eines Schurken.

Wie alle Ganner im Westen war Humphreys ein Feigling. Er konnte
schießen, aber nicht kämpfen, und gerade jetzt spielte er die Rolle des Frommen
oder wenigstens des Hochmvrnlischen und hatte seine Pistolen und Cvgnncfläschchcn
nebst dem übrigen notwendigen Zubehör eines feinen Herrn in seinem Koffer
verschlossen zurückgelassen. Außerdem hätte es ganz und gar nicht zu seinem
Zwecke gepaßt, wenn er geschossen hätte. So lächelte er, als August weiter¬
fuhr, bloß jenes alte geometrische Lächeln, dessen Elemente alle berechnet waren.
Er schien unfähig, das Gesicht in andrer Weise zu verziehen. Es drückte in
der That eine Empfindung so gut als alle andern ans und war darum so bequem
und sachgemäß als jene Taschenmesser, die einen ganzen Kasten voll Werkzeuge
an einem einzigen Heft oder Griff enthalten.

Julia war bereits durch deu Unfug Vetscy Malcolms zur Eifersucht auf¬
gestachelt, und es bedürfte uicht viel mehr, um sie in die äußerste Hitze zu bringen.
Als sie am nächsten Abend von der Versammlung der Milleriteu nach Hause
gingen -- sie hielten jetzt solche Versammlungen alle Abende ab, denn die Wel!
ging bald unter, und es gab noch so viel zu thun --, wußte Humphreys es so


Der jüngste Tag.

O ich höre, daß Frau Anderson die Dutchmeu nicht leiden kann. In sein
Lächeln mischte sich jetzt ein spöttischer Zug.

Ich wüßte nicht, daß Sie das etwas anginge, erwiederte August, indem
all sein Mißtrauen sich mit einem Ruck in Ärger verwandelte.

O bitte um Verzeihung, sagte Humphreys in halb höhnischem Tone. Ich
glaubte nur, zur Ordnung der Sache beitragen zu können. Ich denke, ich er¬
freue mich des Vertrauens der Frau Anderson, und ich weiß, daß Fräulein
Anderson mir in ungewöhnlichem Grade ihr Vertrauen erweist. Ich halte sehr
viel von ihr, und sie betrachtet mich allermindestens als ihren Freund. Ich
glaubte, daß zwischen Ihnen beiden noch einige Kleinigkeiten zu ordnen wären,
und sie deutete an, daß es vielleicht etwas gäbe, was Sie ihr gern sagen
möchten, und daß es, wenn Sie es mir ansprachen, ganz dasselbe sein würde,
als ob Sie es ihr sagten. Sie nimmt an, daß bei der Beziehung, in der ich
zu ihr und ihrer Familie stehe, eine mir übertragene Botschaft ganz dieselbe
Wirkung haben werde, als wenn sie direkt an Sie gerichtet würde. Ich sagte
ihr, daß ich nicht glauben könne, Sie würden als Gentleman sie an irgendwelche
Zusagen gebunden erachten, die ihr jetzt peinlich sein könnten.

Diese Worte wurden mit einer Kaltblütigkeit und Bosheit und doch im
Tone der Gutmütigkeit gesprochen, daß es sich wie Tenfelei cent,orde, und Augusts
Faust ballte sich unwillkürlich zu einem Schlage, und wenn es nnr gegolten
hätte, seinem schurkischen rechtwinkeligen Lächeln ein Ende zu machen. Aber er
hielt an sich.

Sie sind ein Lump! sagte er. Erzählen Sie das Julien, wenn es Ihnen
beliebt. Ich werde ihr eine Lossprechung von allen ihren Verpflichtungen zu¬
schicken, aber nichts durch die Hand eines Schurken.

Wie alle Ganner im Westen war Humphreys ein Feigling. Er konnte
schießen, aber nicht kämpfen, und gerade jetzt spielte er die Rolle des Frommen
oder wenigstens des Hochmvrnlischen und hatte seine Pistolen und Cvgnncfläschchcn
nebst dem übrigen notwendigen Zubehör eines feinen Herrn in seinem Koffer
verschlossen zurückgelassen. Außerdem hätte es ganz und gar nicht zu seinem
Zwecke gepaßt, wenn er geschossen hätte. So lächelte er, als August weiter¬
fuhr, bloß jenes alte geometrische Lächeln, dessen Elemente alle berechnet waren.
Er schien unfähig, das Gesicht in andrer Weise zu verziehen. Es drückte in
der That eine Empfindung so gut als alle andern ans und war darum so bequem
und sachgemäß als jene Taschenmesser, die einen ganzen Kasten voll Werkzeuge
an einem einzigen Heft oder Griff enthalten.

Julia war bereits durch deu Unfug Vetscy Malcolms zur Eifersucht auf¬
gestachelt, und es bedürfte uicht viel mehr, um sie in die äußerste Hitze zu bringen.
Als sie am nächsten Abend von der Versammlung der Milleriteu nach Hause
gingen — sie hielten jetzt solche Versammlungen alle Abende ab, denn die Wel!
ging bald unter, und es gab noch so viel zu thun —, wußte Humphreys es so


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[0387] Der jüngste Tag. O ich höre, daß Frau Anderson die Dutchmeu nicht leiden kann. In sein Lächeln mischte sich jetzt ein spöttischer Zug. Ich wüßte nicht, daß Sie das etwas anginge, erwiederte August, indem all sein Mißtrauen sich mit einem Ruck in Ärger verwandelte. O bitte um Verzeihung, sagte Humphreys in halb höhnischem Tone. Ich glaubte nur, zur Ordnung der Sache beitragen zu können. Ich denke, ich er¬ freue mich des Vertrauens der Frau Anderson, und ich weiß, daß Fräulein Anderson mir in ungewöhnlichem Grade ihr Vertrauen erweist. Ich halte sehr viel von ihr, und sie betrachtet mich allermindestens als ihren Freund. Ich glaubte, daß zwischen Ihnen beiden noch einige Kleinigkeiten zu ordnen wären, und sie deutete an, daß es vielleicht etwas gäbe, was Sie ihr gern sagen möchten, und daß es, wenn Sie es mir ansprachen, ganz dasselbe sein würde, als ob Sie es ihr sagten. Sie nimmt an, daß bei der Beziehung, in der ich zu ihr und ihrer Familie stehe, eine mir übertragene Botschaft ganz dieselbe Wirkung haben werde, als wenn sie direkt an Sie gerichtet würde. Ich sagte ihr, daß ich nicht glauben könne, Sie würden als Gentleman sie an irgendwelche Zusagen gebunden erachten, die ihr jetzt peinlich sein könnten. Diese Worte wurden mit einer Kaltblütigkeit und Bosheit und doch im Tone der Gutmütigkeit gesprochen, daß es sich wie Tenfelei cent,orde, und Augusts Faust ballte sich unwillkürlich zu einem Schlage, und wenn es nnr gegolten hätte, seinem schurkischen rechtwinkeligen Lächeln ein Ende zu machen. Aber er hielt an sich. Sie sind ein Lump! sagte er. Erzählen Sie das Julien, wenn es Ihnen beliebt. Ich werde ihr eine Lossprechung von allen ihren Verpflichtungen zu¬ schicken, aber nichts durch die Hand eines Schurken. Wie alle Ganner im Westen war Humphreys ein Feigling. Er konnte schießen, aber nicht kämpfen, und gerade jetzt spielte er die Rolle des Frommen oder wenigstens des Hochmvrnlischen und hatte seine Pistolen und Cvgnncfläschchcn nebst dem übrigen notwendigen Zubehör eines feinen Herrn in seinem Koffer verschlossen zurückgelassen. Außerdem hätte es ganz und gar nicht zu seinem Zwecke gepaßt, wenn er geschossen hätte. So lächelte er, als August weiter¬ fuhr, bloß jenes alte geometrische Lächeln, dessen Elemente alle berechnet waren. Er schien unfähig, das Gesicht in andrer Weise zu verziehen. Es drückte in der That eine Empfindung so gut als alle andern ans und war darum so bequem und sachgemäß als jene Taschenmesser, die einen ganzen Kasten voll Werkzeuge an einem einzigen Heft oder Griff enthalten. Julia war bereits durch deu Unfug Vetscy Malcolms zur Eifersucht auf¬ gestachelt, und es bedürfte uicht viel mehr, um sie in die äußerste Hitze zu bringen. Als sie am nächsten Abend von der Versammlung der Milleriteu nach Hause gingen — sie hielten jetzt solche Versammlungen alle Abende ab, denn die Wel! ging bald unter, und es gab noch so viel zu thun —, wußte Humphreys es so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/387>, abgerufen am 24.08.2024.