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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Ursprung und (Lntwicklnng der ägyptischen Krisis.

dem Sultan waren. Sie konnten sich nur an den letzteren wenden und von
ihm Abhilfe in Betreff ihrer Beschwerden und Unterdrückung der Revolution
verlangen. Wohl war das Interesse der englischen und französischen Gläubiger
Ägyptens einigermaßen bedroht, die im Lande wohnenden Europäer aber hatten
bis dahin nichts von der Nativnalpnrtei zu befürchten gehabt. Einem franzö¬
sischen Journalisten sagte Arabi am 24. Mai: "Vor allem Protestire ich gegen
die Absendung der europäischen Flotten nach Alexandrien. Dazu ist kein Anlaß
vorhanden. Die Enropüer erfreuen sich hier derselben Sicherheit wie in London
und Paris. Wir haben hier nur innere Schwierigkeiten, welche die Mächte
nichts angehen. Frankreich und England haben ebensowenig ein Recht, bei uns
zu iuterveniren, als Nur berufen sind, vou ihnen zu verlange":, daß sie dieses
oder jenes Ministerium behalten oder entlassen, und daß sie die Regierungsform
annehmen, die uus die angenehmste ist. Ist es uicht ein starkes Stück von einem
Konsul, vou uus ganz kaltblütig zu fordern, daß wir unsere Entlassung nehmen
und die Armee von der Hauptstadt entfernen?"

Der Sultan schien derselben Meinung zu sein. Er erhob Einspruch gegen
die Absendung der Panzerflotten nach Alexandrien. Als dieselben trotzdem ein¬
trafen, verlangte der Chedive von seinen: Souverän Weisung, wie er sich zu
verhalten habe, und das Ministerium war mit diesem Schritte einverstanden.
Auch die Häupter der Nationalpartei erklärten sich nicht dagegen. Allein ehe
noch die Autwort aus Konstantinopel erfolgte, fügte sich der schwache und fort¬
während schwankende Tewfik dem Andringen der Konsuln und erließ in deren
Sinne Befehle an die Armee und die Behörden in den Provinzen. Darauf
erklärte ihn: das Ministerium:, dadurch habe er die Rechte des Sultans verletzt,
und gab seine Entlassung. Der Chedive nahm dieselbe ans den Rat der Konsuln
an und versuchte ein neues Kabinet zu bilden. Als er aber zu gleicher Zeit
die Generale zusammeuberief und den Oberbefehl über die Armee selbst über¬
nehmen zu wollen erklärte, verweigerten ihm die Offiziere den Gehorsam mit
dem Bemerken, von jetzt an unterwürfen sie sich mir noch den Befehlen des
Sukkurs. Seitdem war Armin Pascha vollständig Herr der ägyptischen Armee,
leider aber nicht Herr der durch das Erscheinen der englisch-französischen Kriegs¬
schiffe zu fanatischem Haß gegen die Franken gebrachten Bevölkerung. Dieselbe
brach gegen die in Alexandrien lebenden Europäer los und ermordete eine An¬
zahl derselben, worauf ein großer Teil der letztern uns die Schiffe floh. Arabi
eilte nach Alexandrien und ordnete die Verstärkung der dortigen Hafenbefestignngcn
um. Der englische Admiral Seymour untersagte ihm das, und als nicht ge¬
horcht wurde, bvmbardirte der Admiral die Forts und die Stadt. Die Folge
war, daß die letztere zum großen Teile niederbrannte, und daß die Araber, auf-
gebracht über das Verhalten der Engländer, die meisten der noch zurückgebliebnen
Franken ermordeten und deren von den englischen Geschossen verschont gebliebenen
Häuser in Brand steckten. Auch in dem großen Marktorte Tantal) und in andern


Ursprung und (Lntwicklnng der ägyptischen Krisis.

dem Sultan waren. Sie konnten sich nur an den letzteren wenden und von
ihm Abhilfe in Betreff ihrer Beschwerden und Unterdrückung der Revolution
verlangen. Wohl war das Interesse der englischen und französischen Gläubiger
Ägyptens einigermaßen bedroht, die im Lande wohnenden Europäer aber hatten
bis dahin nichts von der Nativnalpnrtei zu befürchten gehabt. Einem franzö¬
sischen Journalisten sagte Arabi am 24. Mai: „Vor allem Protestire ich gegen
die Absendung der europäischen Flotten nach Alexandrien. Dazu ist kein Anlaß
vorhanden. Die Enropüer erfreuen sich hier derselben Sicherheit wie in London
und Paris. Wir haben hier nur innere Schwierigkeiten, welche die Mächte
nichts angehen. Frankreich und England haben ebensowenig ein Recht, bei uns
zu iuterveniren, als Nur berufen sind, vou ihnen zu verlange«:, daß sie dieses
oder jenes Ministerium behalten oder entlassen, und daß sie die Regierungsform
annehmen, die uus die angenehmste ist. Ist es uicht ein starkes Stück von einem
Konsul, vou uus ganz kaltblütig zu fordern, daß wir unsere Entlassung nehmen
und die Armee von der Hauptstadt entfernen?"

Der Sultan schien derselben Meinung zu sein. Er erhob Einspruch gegen
die Absendung der Panzerflotten nach Alexandrien. Als dieselben trotzdem ein¬
trafen, verlangte der Chedive von seinen: Souverän Weisung, wie er sich zu
verhalten habe, und das Ministerium war mit diesem Schritte einverstanden.
Auch die Häupter der Nationalpartei erklärten sich nicht dagegen. Allein ehe
noch die Autwort aus Konstantinopel erfolgte, fügte sich der schwache und fort¬
während schwankende Tewfik dem Andringen der Konsuln und erließ in deren
Sinne Befehle an die Armee und die Behörden in den Provinzen. Darauf
erklärte ihn: das Ministerium:, dadurch habe er die Rechte des Sultans verletzt,
und gab seine Entlassung. Der Chedive nahm dieselbe ans den Rat der Konsuln
an und versuchte ein neues Kabinet zu bilden. Als er aber zu gleicher Zeit
die Generale zusammeuberief und den Oberbefehl über die Armee selbst über¬
nehmen zu wollen erklärte, verweigerten ihm die Offiziere den Gehorsam mit
dem Bemerken, von jetzt an unterwürfen sie sich mir noch den Befehlen des
Sukkurs. Seitdem war Armin Pascha vollständig Herr der ägyptischen Armee,
leider aber nicht Herr der durch das Erscheinen der englisch-französischen Kriegs¬
schiffe zu fanatischem Haß gegen die Franken gebrachten Bevölkerung. Dieselbe
brach gegen die in Alexandrien lebenden Europäer los und ermordete eine An¬
zahl derselben, worauf ein großer Teil der letztern uns die Schiffe floh. Arabi
eilte nach Alexandrien und ordnete die Verstärkung der dortigen Hafenbefestignngcn
um. Der englische Admiral Seymour untersagte ihm das, und als nicht ge¬
horcht wurde, bvmbardirte der Admiral die Forts und die Stadt. Die Folge
war, daß die letztere zum großen Teile niederbrannte, und daß die Araber, auf-
gebracht über das Verhalten der Engländer, die meisten der noch zurückgebliebnen
Franken ermordeten und deren von den englischen Geschossen verschont gebliebenen
Häuser in Brand steckten. Auch in dem großen Marktorte Tantal) und in andern


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[0376] Ursprung und (Lntwicklnng der ägyptischen Krisis. dem Sultan waren. Sie konnten sich nur an den letzteren wenden und von ihm Abhilfe in Betreff ihrer Beschwerden und Unterdrückung der Revolution verlangen. Wohl war das Interesse der englischen und französischen Gläubiger Ägyptens einigermaßen bedroht, die im Lande wohnenden Europäer aber hatten bis dahin nichts von der Nativnalpnrtei zu befürchten gehabt. Einem franzö¬ sischen Journalisten sagte Arabi am 24. Mai: „Vor allem Protestire ich gegen die Absendung der europäischen Flotten nach Alexandrien. Dazu ist kein Anlaß vorhanden. Die Enropüer erfreuen sich hier derselben Sicherheit wie in London und Paris. Wir haben hier nur innere Schwierigkeiten, welche die Mächte nichts angehen. Frankreich und England haben ebensowenig ein Recht, bei uns zu iuterveniren, als Nur berufen sind, vou ihnen zu verlange«:, daß sie dieses oder jenes Ministerium behalten oder entlassen, und daß sie die Regierungsform annehmen, die uus die angenehmste ist. Ist es uicht ein starkes Stück von einem Konsul, vou uus ganz kaltblütig zu fordern, daß wir unsere Entlassung nehmen und die Armee von der Hauptstadt entfernen?" Der Sultan schien derselben Meinung zu sein. Er erhob Einspruch gegen die Absendung der Panzerflotten nach Alexandrien. Als dieselben trotzdem ein¬ trafen, verlangte der Chedive von seinen: Souverän Weisung, wie er sich zu verhalten habe, und das Ministerium war mit diesem Schritte einverstanden. Auch die Häupter der Nationalpartei erklärten sich nicht dagegen. Allein ehe noch die Autwort aus Konstantinopel erfolgte, fügte sich der schwache und fort¬ während schwankende Tewfik dem Andringen der Konsuln und erließ in deren Sinne Befehle an die Armee und die Behörden in den Provinzen. Darauf erklärte ihn: das Ministerium:, dadurch habe er die Rechte des Sultans verletzt, und gab seine Entlassung. Der Chedive nahm dieselbe ans den Rat der Konsuln an und versuchte ein neues Kabinet zu bilden. Als er aber zu gleicher Zeit die Generale zusammeuberief und den Oberbefehl über die Armee selbst über¬ nehmen zu wollen erklärte, verweigerten ihm die Offiziere den Gehorsam mit dem Bemerken, von jetzt an unterwürfen sie sich mir noch den Befehlen des Sukkurs. Seitdem war Armin Pascha vollständig Herr der ägyptischen Armee, leider aber nicht Herr der durch das Erscheinen der englisch-französischen Kriegs¬ schiffe zu fanatischem Haß gegen die Franken gebrachten Bevölkerung. Dieselbe brach gegen die in Alexandrien lebenden Europäer los und ermordete eine An¬ zahl derselben, worauf ein großer Teil der letztern uns die Schiffe floh. Arabi eilte nach Alexandrien und ordnete die Verstärkung der dortigen Hafenbefestignngcn um. Der englische Admiral Seymour untersagte ihm das, und als nicht ge¬ horcht wurde, bvmbardirte der Admiral die Forts und die Stadt. Die Folge war, daß die letztere zum großen Teile niederbrannte, und daß die Araber, auf- gebracht über das Verhalten der Engländer, die meisten der noch zurückgebliebnen Franken ermordeten und deren von den englischen Geschossen verschont gebliebenen Häuser in Brand steckten. Auch in dem großen Marktorte Tantal) und in andern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/376>, abgerufen am 24.08.2024.