Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Frankreich und die ägyptische Frage.

des Dvbats" mit Recht: "Der Chef des Ministeriums muß sich zurückziehen
vor der glänzende" Kundgebung einer Meinung, die er teilt."

Die englische Presse hat das Votum der französischen Kammer anscheinend
mit großem Phlegma aufgenommen. "Daily News" meint, es sei doch wohl
das Klügste gewesen, was sie hätte thun können; denn Freycinets Intervention
sei von knappster Art gewesen, und seine viertnnseno Mann Hütten nicht viel
ausrichten können. Noch anmutiger ist die Art, wie die "Times" die bittre
Pille hinterschluckte. Man müsse sich, sagt sie, mit der Thatsache abfinden,
daß das französische Ministerium eine kleine Kreditbewilligung verlangt, die es
in den Stand setzen sollte, unter gewissen Umständen England in der Beschützung
des Kanals zu unterstützen, und daß die Kammer diese Forderung abgewiesen
habe. Mau sei also gezwungen, anzunehmen, daß Frankreich entschlossen sei, in
Ägypten aus keinen Fall einzuschreiten. Frankreich habe ja unzweifelhaft Rück¬
sichten zu nehmen, die England nicht kenne: es sei eine Kontinentalmacht und
durch Gründe der Vorsicht genötigt, sich bei allein seinen Thun hieran zu er¬
innern. Dann führt das Blatt fort: "Indem wir so der Unterstützung Frank¬
reichs beraubt sind, bleibt uns nur übrig, mit um so größerer Energie an die
Ausführung der uns vorliegenden Arbeit zu gehen. Die französische Nation
mag versichert sein, daß wir die Gründe ihrer Unthütigkeit würdigen, und daß,
wenn wir das Werk der Zivilisation in Ägypten gethan haben, wie wir müssen
und wollen, wir unsern alten Verbündeten zum Genusse seines Anteils an den
gewonnenen Ergebnissen freundlich willkommen heißen werden." Großmütig,
in der That sehr großmütig! wird man in Paris hierzu sagen, wer aber be¬
stimmt wohl den Anteil, und wie groß wird er ausfallen?

Solche Fragen liegen den Franzosen umso näher, als einflußreiche eng¬
lische Blätter bereits die Forderung aufgestellt haben, wenn England die Ordnung
in Ägypten allein herstellen müsse, so habe es dafür das Protektorat über dieses
Land zu beanspruchen. Die "Times" sagt in dieser Beziehung: "Es ist klar,
daß, wenn England allein und auf eigne Verantwortlichkeit Ägypten von der
Anarchie befreit, es auch das Recht erwerben und behaupten wird, eine tvn-
trolirende Macht über das Laud auszuüben, welches es gerettet hat." Und
"Daily Telegraph" meint: "Wenn die Arbeit gethan ist, . . . muß der alte ver¬
rottete Internationalismus durch etwas einfaches, klares und praktisches ersetzt
werden____Arabi ist ein Geschöpf, das nur in einem Lande wie Ägypten entstehen
konnte, wo jedermann das Recht hatte, sich einzumischen, und jeder auf alle
übrige" eifersüchtig war. Wäre Ägypten unabhängig gewesen, Hütte es mir nnter
der Herrschaft der Türkei gestanden, würe England sein einziger Protektor ge¬
wesen, oder hätte Frankreich ein Tunis aus ihm gemacht, so wäre der Meuterer
eine halbe Stunde nach seinem ersten Versuche gehenkt worden. Die neuen
Einrichtungen dürfen keine solche organisirte Ohnmacht gestatten. . . . Zunächst
muß die Möglichkeit einer neuen militärischen Revolte beseitigt, dann muß die


Frankreich und die ägyptische Frage.

des Dvbats" mit Recht: „Der Chef des Ministeriums muß sich zurückziehen
vor der glänzende» Kundgebung einer Meinung, die er teilt."

Die englische Presse hat das Votum der französischen Kammer anscheinend
mit großem Phlegma aufgenommen. „Daily News" meint, es sei doch wohl
das Klügste gewesen, was sie hätte thun können; denn Freycinets Intervention
sei von knappster Art gewesen, und seine viertnnseno Mann Hütten nicht viel
ausrichten können. Noch anmutiger ist die Art, wie die „Times" die bittre
Pille hinterschluckte. Man müsse sich, sagt sie, mit der Thatsache abfinden,
daß das französische Ministerium eine kleine Kreditbewilligung verlangt, die es
in den Stand setzen sollte, unter gewissen Umständen England in der Beschützung
des Kanals zu unterstützen, und daß die Kammer diese Forderung abgewiesen
habe. Mau sei also gezwungen, anzunehmen, daß Frankreich entschlossen sei, in
Ägypten aus keinen Fall einzuschreiten. Frankreich habe ja unzweifelhaft Rück¬
sichten zu nehmen, die England nicht kenne: es sei eine Kontinentalmacht und
durch Gründe der Vorsicht genötigt, sich bei allein seinen Thun hieran zu er¬
innern. Dann führt das Blatt fort: „Indem wir so der Unterstützung Frank¬
reichs beraubt sind, bleibt uns nur übrig, mit um so größerer Energie an die
Ausführung der uns vorliegenden Arbeit zu gehen. Die französische Nation
mag versichert sein, daß wir die Gründe ihrer Unthütigkeit würdigen, und daß,
wenn wir das Werk der Zivilisation in Ägypten gethan haben, wie wir müssen
und wollen, wir unsern alten Verbündeten zum Genusse seines Anteils an den
gewonnenen Ergebnissen freundlich willkommen heißen werden." Großmütig,
in der That sehr großmütig! wird man in Paris hierzu sagen, wer aber be¬
stimmt wohl den Anteil, und wie groß wird er ausfallen?

Solche Fragen liegen den Franzosen umso näher, als einflußreiche eng¬
lische Blätter bereits die Forderung aufgestellt haben, wenn England die Ordnung
in Ägypten allein herstellen müsse, so habe es dafür das Protektorat über dieses
Land zu beanspruchen. Die „Times" sagt in dieser Beziehung: „Es ist klar,
daß, wenn England allein und auf eigne Verantwortlichkeit Ägypten von der
Anarchie befreit, es auch das Recht erwerben und behaupten wird, eine tvn-
trolirende Macht über das Laud auszuüben, welches es gerettet hat." Und
„Daily Telegraph" meint: „Wenn die Arbeit gethan ist, . . . muß der alte ver¬
rottete Internationalismus durch etwas einfaches, klares und praktisches ersetzt
werden____Arabi ist ein Geschöpf, das nur in einem Lande wie Ägypten entstehen
konnte, wo jedermann das Recht hatte, sich einzumischen, und jeder auf alle
übrige« eifersüchtig war. Wäre Ägypten unabhängig gewesen, Hütte es mir nnter
der Herrschaft der Türkei gestanden, würe England sein einziger Protektor ge¬
wesen, oder hätte Frankreich ein Tunis aus ihm gemacht, so wäre der Meuterer
eine halbe Stunde nach seinem ersten Versuche gehenkt worden. Die neuen
Einrichtungen dürfen keine solche organisirte Ohnmacht gestatten. . . . Zunächst
muß die Möglichkeit einer neuen militärischen Revolte beseitigt, dann muß die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193665"/>
          <fw type="header" place="top"> Frankreich und die ägyptische Frage.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1061" prev="#ID_1060"> des Dvbats" mit Recht: &#x201E;Der Chef des Ministeriums muß sich zurückziehen<lb/>
vor der glänzende» Kundgebung einer Meinung, die er teilt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1062"> Die englische Presse hat das Votum der französischen Kammer anscheinend<lb/>
mit großem Phlegma aufgenommen. &#x201E;Daily News" meint, es sei doch wohl<lb/>
das Klügste gewesen, was sie hätte thun können; denn Freycinets Intervention<lb/>
sei von knappster Art gewesen, und seine viertnnseno Mann Hütten nicht viel<lb/>
ausrichten können. Noch anmutiger ist die Art, wie die &#x201E;Times" die bittre<lb/>
Pille hinterschluckte. Man müsse sich, sagt sie, mit der Thatsache abfinden,<lb/>
daß das französische Ministerium eine kleine Kreditbewilligung verlangt, die es<lb/>
in den Stand setzen sollte, unter gewissen Umständen England in der Beschützung<lb/>
des Kanals zu unterstützen, und daß die Kammer diese Forderung abgewiesen<lb/>
habe. Mau sei also gezwungen, anzunehmen, daß Frankreich entschlossen sei, in<lb/>
Ägypten aus keinen Fall einzuschreiten. Frankreich habe ja unzweifelhaft Rück¬<lb/>
sichten zu nehmen, die England nicht kenne: es sei eine Kontinentalmacht und<lb/>
durch Gründe der Vorsicht genötigt, sich bei allein seinen Thun hieran zu er¬<lb/>
innern. Dann führt das Blatt fort: &#x201E;Indem wir so der Unterstützung Frank¬<lb/>
reichs beraubt sind, bleibt uns nur übrig, mit um so größerer Energie an die<lb/>
Ausführung der uns vorliegenden Arbeit zu gehen. Die französische Nation<lb/>
mag versichert sein, daß wir die Gründe ihrer Unthütigkeit würdigen, und daß,<lb/>
wenn wir das Werk der Zivilisation in Ägypten gethan haben, wie wir müssen<lb/>
und wollen, wir unsern alten Verbündeten zum Genusse seines Anteils an den<lb/>
gewonnenen Ergebnissen freundlich willkommen heißen werden." Großmütig,<lb/>
in der That sehr großmütig! wird man in Paris hierzu sagen, wer aber be¬<lb/>
stimmt wohl den Anteil, und wie groß wird er ausfallen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1063" next="#ID_1064"> Solche Fragen liegen den Franzosen umso näher, als einflußreiche eng¬<lb/>
lische Blätter bereits die Forderung aufgestellt haben, wenn England die Ordnung<lb/>
in Ägypten allein herstellen müsse, so habe es dafür das Protektorat über dieses<lb/>
Land zu beanspruchen. Die &#x201E;Times" sagt in dieser Beziehung: &#x201E;Es ist klar,<lb/>
daß, wenn England allein und auf eigne Verantwortlichkeit Ägypten von der<lb/>
Anarchie befreit, es auch das Recht erwerben und behaupten wird, eine tvn-<lb/>
trolirende Macht über das Laud auszuüben, welches es gerettet hat." Und<lb/>
&#x201E;Daily Telegraph" meint: &#x201E;Wenn die Arbeit gethan ist, . . . muß der alte ver¬<lb/>
rottete Internationalismus durch etwas einfaches, klares und praktisches ersetzt<lb/>
werden____Arabi ist ein Geschöpf, das nur in einem Lande wie Ägypten entstehen<lb/>
konnte, wo jedermann das Recht hatte, sich einzumischen, und jeder auf alle<lb/>
übrige« eifersüchtig war. Wäre Ägypten unabhängig gewesen, Hütte es mir nnter<lb/>
der Herrschaft der Türkei gestanden, würe England sein einziger Protektor ge¬<lb/>
wesen, oder hätte Frankreich ein Tunis aus ihm gemacht, so wäre der Meuterer<lb/>
eine halbe Stunde nach seinem ersten Versuche gehenkt worden. Die neuen<lb/>
Einrichtungen dürfen keine solche organisirte Ohnmacht gestatten. . . . Zunächst<lb/>
muß die Möglichkeit einer neuen militärischen Revolte beseitigt, dann muß die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0324] Frankreich und die ägyptische Frage. des Dvbats" mit Recht: „Der Chef des Ministeriums muß sich zurückziehen vor der glänzende» Kundgebung einer Meinung, die er teilt." Die englische Presse hat das Votum der französischen Kammer anscheinend mit großem Phlegma aufgenommen. „Daily News" meint, es sei doch wohl das Klügste gewesen, was sie hätte thun können; denn Freycinets Intervention sei von knappster Art gewesen, und seine viertnnseno Mann Hütten nicht viel ausrichten können. Noch anmutiger ist die Art, wie die „Times" die bittre Pille hinterschluckte. Man müsse sich, sagt sie, mit der Thatsache abfinden, daß das französische Ministerium eine kleine Kreditbewilligung verlangt, die es in den Stand setzen sollte, unter gewissen Umständen England in der Beschützung des Kanals zu unterstützen, und daß die Kammer diese Forderung abgewiesen habe. Mau sei also gezwungen, anzunehmen, daß Frankreich entschlossen sei, in Ägypten aus keinen Fall einzuschreiten. Frankreich habe ja unzweifelhaft Rück¬ sichten zu nehmen, die England nicht kenne: es sei eine Kontinentalmacht und durch Gründe der Vorsicht genötigt, sich bei allein seinen Thun hieran zu er¬ innern. Dann führt das Blatt fort: „Indem wir so der Unterstützung Frank¬ reichs beraubt sind, bleibt uns nur übrig, mit um so größerer Energie an die Ausführung der uns vorliegenden Arbeit zu gehen. Die französische Nation mag versichert sein, daß wir die Gründe ihrer Unthütigkeit würdigen, und daß, wenn wir das Werk der Zivilisation in Ägypten gethan haben, wie wir müssen und wollen, wir unsern alten Verbündeten zum Genusse seines Anteils an den gewonnenen Ergebnissen freundlich willkommen heißen werden." Großmütig, in der That sehr großmütig! wird man in Paris hierzu sagen, wer aber be¬ stimmt wohl den Anteil, und wie groß wird er ausfallen? Solche Fragen liegen den Franzosen umso näher, als einflußreiche eng¬ lische Blätter bereits die Forderung aufgestellt haben, wenn England die Ordnung in Ägypten allein herstellen müsse, so habe es dafür das Protektorat über dieses Land zu beanspruchen. Die „Times" sagt in dieser Beziehung: „Es ist klar, daß, wenn England allein und auf eigne Verantwortlichkeit Ägypten von der Anarchie befreit, es auch das Recht erwerben und behaupten wird, eine tvn- trolirende Macht über das Laud auszuüben, welches es gerettet hat." Und „Daily Telegraph" meint: „Wenn die Arbeit gethan ist, . . . muß der alte ver¬ rottete Internationalismus durch etwas einfaches, klares und praktisches ersetzt werden____Arabi ist ein Geschöpf, das nur in einem Lande wie Ägypten entstehen konnte, wo jedermann das Recht hatte, sich einzumischen, und jeder auf alle übrige« eifersüchtig war. Wäre Ägypten unabhängig gewesen, Hütte es mir nnter der Herrschaft der Türkei gestanden, würe England sein einziger Protektor ge¬ wesen, oder hätte Frankreich ein Tunis aus ihm gemacht, so wäre der Meuterer eine halbe Stunde nach seinem ersten Versuche gehenkt worden. Die neuen Einrichtungen dürfen keine solche organisirte Ohnmacht gestatten. . . . Zunächst muß die Möglichkeit einer neuen militärischen Revolte beseitigt, dann muß die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/324
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/324>, abgerufen am 23.07.2024.