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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Die österreichischen Hochverräter.

Großmannssucht, er kitzelt sie mit der Vorstellung, daß das ungarische Reich
heute oder morgen in der Lage sein werde, als Schiedsrichter in dem Entschei¬
dungskampfe zwischen Germanen, Slaven und Romanen nnszutreteu. Auf welche
Seite es sich dann zu stellen habe, läßt er unerörtert, daß es die deutsche uicht
sein würde, darüber kann nach seiner Haltung kein Zweifel sein. Nun ist das
deutsche Element trotz alledem ein gar gewichtiges in diesem Staat Ungarn.
Darum wird dem magyarischen Chanviuisten vorgespiegelt, es sei bereits magya-
risirt bis auf eine Handvoll verstockter Sachsen. Darum werden die Demon¬
strationen im Banat n. s. w. in Szene gesetzt von "Deutschen," deren Deutsch¬
tum z. B. durch das Deutsch der Erklärung von Panesova gegen den Schulvereiu
genügend charakterisirt wird, worin u. a. folgende magyarische Partizipialkon-
struktivu vorkommt: "tendenziöse Manifestationen des das Ausland mi߬
brauchten Zweckes." Darum die Schauspielerkünste mit den Bezeichnungen
ungarisch und magyarisch: Ihr gehört zu Ungarn, Ungarn wird von Ungarn
bewohnt, die Sprache der Ungarn ist das Ungarische, folglich muß auch eure
Sprache das Ungarische, i. v. Magyarische sein, und wer das nicht zugeben
will, ist ein Verräter.

Schon oben ist darauf hingewiesen wordeu, daß mau die siebenbürger
Sachsen als Hochverräter strafen mochte, weil sie einst nicht gemeinsame Sache
mit der Revolution machen wollten. Ganz entsprechend haben die ungarischen
Behörden den Hauptangeklagten in dem Lemberger Rnthenenprozeß, Hofrat
Dobrzansky, als Landesverräter charakterisirt, weil er sein Leben lang sich seiner
slowakischen Landsleute gegen die magyarische Vergewaltigung angenommen und
kein Hehl daraus gemacht hat, daß er deren Heil in der Zugehörigkeit zum
Staate Österreich erkenne. Polnische und magyarische Revolutionäre sitzen zu
Gericht über Deutsche und Rutheuen und zeihen diejenigen, welche geholfen
haben, die Losreißung Galiziens und Ungarns von Österreich zu verhindern,
des Hoch- und Landesverrats -- an Österreich, das ist die neueste Konstellation
in diesem Kaleidoskop : und es würde uur uoch fehlen, daß die Triestiner Jta-
licmissimi die dortigen Deutschen des Liebängelns mit Deutschland ziehen. Der
Schlag in Lemberg, so weit dazu ausgeholt und so genau gezielt wurde, ist
daneben gegangen, die mit Sorgfalt nusgewähltcu Geschworenen, überwiegend
polnischer Nationalität, haben die Hauptpersonen des Prozesses vollständig und
einstimmig freigesprochen und damit jene verurteilt, welche geschürt und gehetzt
und denunzirt und voraus verurteilt hatten. Welchen Eindruck wird dieser
Teudeuzprozeß bei deu Rnthenen hinterlassen? Werden Polen und andre sich
die Lehre ziehen, daß man mit dem Feuer nicht spielen soll?




Die österreichischen Hochverräter.

Großmannssucht, er kitzelt sie mit der Vorstellung, daß das ungarische Reich
heute oder morgen in der Lage sein werde, als Schiedsrichter in dem Entschei¬
dungskampfe zwischen Germanen, Slaven und Romanen nnszutreteu. Auf welche
Seite es sich dann zu stellen habe, läßt er unerörtert, daß es die deutsche uicht
sein würde, darüber kann nach seiner Haltung kein Zweifel sein. Nun ist das
deutsche Element trotz alledem ein gar gewichtiges in diesem Staat Ungarn.
Darum wird dem magyarischen Chanviuisten vorgespiegelt, es sei bereits magya-
risirt bis auf eine Handvoll verstockter Sachsen. Darum werden die Demon¬
strationen im Banat n. s. w. in Szene gesetzt von „Deutschen," deren Deutsch¬
tum z. B. durch das Deutsch der Erklärung von Panesova gegen den Schulvereiu
genügend charakterisirt wird, worin u. a. folgende magyarische Partizipialkon-
struktivu vorkommt: „tendenziöse Manifestationen des das Ausland mi߬
brauchten Zweckes." Darum die Schauspielerkünste mit den Bezeichnungen
ungarisch und magyarisch: Ihr gehört zu Ungarn, Ungarn wird von Ungarn
bewohnt, die Sprache der Ungarn ist das Ungarische, folglich muß auch eure
Sprache das Ungarische, i. v. Magyarische sein, und wer das nicht zugeben
will, ist ein Verräter.

Schon oben ist darauf hingewiesen wordeu, daß mau die siebenbürger
Sachsen als Hochverräter strafen mochte, weil sie einst nicht gemeinsame Sache
mit der Revolution machen wollten. Ganz entsprechend haben die ungarischen
Behörden den Hauptangeklagten in dem Lemberger Rnthenenprozeß, Hofrat
Dobrzansky, als Landesverräter charakterisirt, weil er sein Leben lang sich seiner
slowakischen Landsleute gegen die magyarische Vergewaltigung angenommen und
kein Hehl daraus gemacht hat, daß er deren Heil in der Zugehörigkeit zum
Staate Österreich erkenne. Polnische und magyarische Revolutionäre sitzen zu
Gericht über Deutsche und Rutheuen und zeihen diejenigen, welche geholfen
haben, die Losreißung Galiziens und Ungarns von Österreich zu verhindern,
des Hoch- und Landesverrats — an Österreich, das ist die neueste Konstellation
in diesem Kaleidoskop : und es würde uur uoch fehlen, daß die Triestiner Jta-
licmissimi die dortigen Deutschen des Liebängelns mit Deutschland ziehen. Der
Schlag in Lemberg, so weit dazu ausgeholt und so genau gezielt wurde, ist
daneben gegangen, die mit Sorgfalt nusgewähltcu Geschworenen, überwiegend
polnischer Nationalität, haben die Hauptpersonen des Prozesses vollständig und
einstimmig freigesprochen und damit jene verurteilt, welche geschürt und gehetzt
und denunzirt und voraus verurteilt hatten. Welchen Eindruck wird dieser
Teudeuzprozeß bei deu Rnthenen hinterlassen? Werden Polen und andre sich
die Lehre ziehen, daß man mit dem Feuer nicht spielen soll?




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/302>, abgerufen am 25.08.2024.