Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.wir nicht aufhören wollen, deutsch zu sein, und die Notwendigkeit des deutschen Man sollte nicht so oft mit dem Feuer spielen. Der österreichische Staat wir nicht aufhören wollen, deutsch zu sein, und die Notwendigkeit des deutschen Man sollte nicht so oft mit dem Feuer spielen. Der österreichische Staat <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0299" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193640"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_981" prev="#ID_980"> wir nicht aufhören wollen, deutsch zu sein, und die Notwendigkeit des deutschen<lb/> Elements für die österreichische Monarchie anerkannt wissen wollen, das ist es,<lb/> wils uus Deutschen jetzt zum Verbrechen gemacht wird. Alle Beschönignngs-<lb/> versuche siud vergeblich, die gute» Freunde der tschechischen und polnischen Mi¬<lb/> nister plündern immer wieder aus, daß die günstige Zeit benutzt werdeu soll,<lb/> um den deutschen Stamm zu einem geduldeten zu degradiren. Das Ministerium<lb/> verordnet, was es verordnen mußte, wollte es uicht das „Cisleithauieu" in ein<lb/> Völkerbündel oder in einen slavischen Staat verwandelt sehn, daß nämlich künftig<lb/> anch die Hörer der tschechischen Universität in Prag volle Beherrschung des Deut¬<lb/> schen werdeu nachweisen müssen. Darob großes Geschrei, die Gleichberechtigung<lb/> würde mindestens verlangen, daß jeder deutsche Student in tschechischer Sprache<lb/> zu prüfen sei; die Studenten aber, begreiflicherweise keine Freunde des Prüfuugs-<lb/> wesens überhaupt, erklären, man lerne ans den Mittelschulen uicht mehr so viel<lb/> Deutsch, um diese Sprache bei der Prüfung handhaben zu können. Welch ein<lb/> kostbares Eingeständnis! Gegen die natürliche Folgerung, daß der Unterricht<lb/> an den Mittelschulen zu reformiren wäre, scheinen die jungen Herren sich sicher<lb/> zu fühlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_982" next="#ID_983"> Man sollte nicht so oft mit dem Feuer spielen. Der österreichische Staat<lb/> und die österreichische Dynastie haben nie treuere und ergebenere Anhänger ge¬<lb/> habt, als in den beiden Stämmen, welche mau jetzt durchaus zu Hoch- und<lb/> Landesverrätern stempeln will, unter den Rnthenen und den siebenbürger Sachsen.<lb/> Gerade ihre Kaiser- und Reichstreue hat ihnen ja den unversöhnlichen Haß ihrer<lb/> Bedränger zugezogen. Die Polen vergessen den Ausgang des Aufstandes von<lb/> 1846 nicht, bei welchem der rnthenische Bauer sich weigerte, für deu polnischen<lb/> Herrn die Kastanien aus dem Feuer zu holen, und die magyarische Schimpfpresse<lb/> nennt die Haltung der Sachsen in den Jcchreu 1848 und 1849 „Vaterlcmdsverrat."<lb/> Die deutschen Zeitungen in Österreich kümmern sich im ganzen wenig um die<lb/> Dinge in Ostgalizien und auf dem Königsboten, denu Ruthenen und Sachsen<lb/> sind keine rechten Liberalen und waren deshalb auch im Reichsrate nie beliebt.<lb/> Anderseits muß es deu Deutschen „im Reich" natürlich schwer fallen, sich in die<lb/> verwickelten staatsrechtlichen Verhältnisse der siebenbürger Deutschen hineinzu-<lb/> denken, lind sie haben auch eigene Sorgen genug. Dennoch können wir nicht<lb/> umhin, sie mit diesen Angelegenheiten zu behelligen, es handelt sich ja um ihr<lb/> echtes Fleisch und Blut, um ein tapferes Häuflein, welches um die alte Fahne<lb/> gedrängt mit deu Speeren einen Stacheligel bildet, vor dem die Hunnen immer<lb/> wieder zurückprallen. Doch die Übermacht ist auf der Seite der Geguer, und<lb/> diese fragen nicht viel darnach, welche Waffen vor dem Kriegsrecht zulässig<lb/> siud und welche nicht. Diese Gegner genauer kennen zu lernen, haben aber die<lb/> Deutschen im deutscheu Reiche zugleich ein unmittelbares Interesse. Die Ma¬<lb/> gyaren wissen, daß ihr Idiom nur von wenigen Millionen Menschen verstanden<lb/> wird, deshalb lassen sie sich völlig gehen, und da zeigt der naive Chauvinismus,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0299]
wir nicht aufhören wollen, deutsch zu sein, und die Notwendigkeit des deutschen
Elements für die österreichische Monarchie anerkannt wissen wollen, das ist es,
wils uus Deutschen jetzt zum Verbrechen gemacht wird. Alle Beschönignngs-
versuche siud vergeblich, die gute» Freunde der tschechischen und polnischen Mi¬
nister plündern immer wieder aus, daß die günstige Zeit benutzt werdeu soll,
um den deutschen Stamm zu einem geduldeten zu degradiren. Das Ministerium
verordnet, was es verordnen mußte, wollte es uicht das „Cisleithauieu" in ein
Völkerbündel oder in einen slavischen Staat verwandelt sehn, daß nämlich künftig
anch die Hörer der tschechischen Universität in Prag volle Beherrschung des Deut¬
schen werdeu nachweisen müssen. Darob großes Geschrei, die Gleichberechtigung
würde mindestens verlangen, daß jeder deutsche Student in tschechischer Sprache
zu prüfen sei; die Studenten aber, begreiflicherweise keine Freunde des Prüfuugs-
wesens überhaupt, erklären, man lerne ans den Mittelschulen uicht mehr so viel
Deutsch, um diese Sprache bei der Prüfung handhaben zu können. Welch ein
kostbares Eingeständnis! Gegen die natürliche Folgerung, daß der Unterricht
an den Mittelschulen zu reformiren wäre, scheinen die jungen Herren sich sicher
zu fühlen.
Man sollte nicht so oft mit dem Feuer spielen. Der österreichische Staat
und die österreichische Dynastie haben nie treuere und ergebenere Anhänger ge¬
habt, als in den beiden Stämmen, welche mau jetzt durchaus zu Hoch- und
Landesverrätern stempeln will, unter den Rnthenen und den siebenbürger Sachsen.
Gerade ihre Kaiser- und Reichstreue hat ihnen ja den unversöhnlichen Haß ihrer
Bedränger zugezogen. Die Polen vergessen den Ausgang des Aufstandes von
1846 nicht, bei welchem der rnthenische Bauer sich weigerte, für deu polnischen
Herrn die Kastanien aus dem Feuer zu holen, und die magyarische Schimpfpresse
nennt die Haltung der Sachsen in den Jcchreu 1848 und 1849 „Vaterlcmdsverrat."
Die deutschen Zeitungen in Österreich kümmern sich im ganzen wenig um die
Dinge in Ostgalizien und auf dem Königsboten, denu Ruthenen und Sachsen
sind keine rechten Liberalen und waren deshalb auch im Reichsrate nie beliebt.
Anderseits muß es deu Deutschen „im Reich" natürlich schwer fallen, sich in die
verwickelten staatsrechtlichen Verhältnisse der siebenbürger Deutschen hineinzu-
denken, lind sie haben auch eigene Sorgen genug. Dennoch können wir nicht
umhin, sie mit diesen Angelegenheiten zu behelligen, es handelt sich ja um ihr
echtes Fleisch und Blut, um ein tapferes Häuflein, welches um die alte Fahne
gedrängt mit deu Speeren einen Stacheligel bildet, vor dem die Hunnen immer
wieder zurückprallen. Doch die Übermacht ist auf der Seite der Geguer, und
diese fragen nicht viel darnach, welche Waffen vor dem Kriegsrecht zulässig
siud und welche nicht. Diese Gegner genauer kennen zu lernen, haben aber die
Deutschen im deutscheu Reiche zugleich ein unmittelbares Interesse. Die Ma¬
gyaren wissen, daß ihr Idiom nur von wenigen Millionen Menschen verstanden
wird, deshalb lassen sie sich völlig gehen, und da zeigt der naive Chauvinismus,
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