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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Die österreichischen Hochverräter.

keine Schuld, aber die größte Unfähigkeit gefunden wurde, dann ein paar Be¬
zirksdemokraten, deren Marionette eben jener Herr Newald gewesen war, ein
paar "Verteidiger" für alles und ein paar Journalisten ähnlicher Qualifika¬
tion -- mit diesem Stäbe trat er ans. Die Zeitungen machen sich darüber
lustig, daß unter deu Rednern, ich weiß nicht auf welcher Seite, sich ein Herr
Tänzcles befunden hat; sie verschweigen aber, daß, mAnaturg, tLiriPori"! es über¬
haupt fast nur Juden waren, die mit Geschrei und Getrampel ihre verschleimen
Ansichten über die Mission des Deutschtums in Osterreich zur Geltung bringen
wollten. Endlich zeigte sich, daß die Gegner der "Versöhnung" die Mehrheit
hatten, und unter ungeheuerm Lärm wurde die Versammlung aufgelöst, resultat¬
los, wie sich von selbst versteht. Der alte Dr. Fischhof ist sofort, wohl sehr
enttäuscht, in seine Einsamkeit zurückgekehrt, Walterskirchen wäre dringend an¬
zuraten, daß er ebenfalls eine Gegend aufsuchte, wo keine Politik getrieben wird,
denn die Gesellschaft, in welcher er jetzt seinen Groll zu Papier bringt, ist seiner
nicht würdig und kann ihm gefährlich werden. Schon hat er sich das neueste
Dennnzicmtenwort angeeignet, spricht von den Deutschösterreichern, die sich nach
der Kornblume sehnen! Er sollte doch wissen, welches vaterlandslose Gelichter
immer wieder mit solchen elenden Mitteln seine Stammesgenossen zu verdäch¬
tigen sucht, und es wäre wohl sehr merkwürdig, wenn nicht ihm selbst in frühern
Tagen "Prenßenseuchler" wäre nachgerufen worden. Falls die Tage wieder¬
kehren sollen, in welchen im Gefolge des Königs von Hannover und des Kur¬
fürsten von Hessen nach Österreich gekommene Herren "Republikaner" mit pol¬
nischen und andern Juden das "wahrhafte Österreichertnm" entdeckt hatten, und
wenn die österreichische Volkspartei ein Seitenstück der süddeutschen Volkspartei
zu werden bestimmt ist, so scheint in ihren Reihen kein Platz für einen Mann
zu sein, an dessen aufrichtigem, uneigennützigein Patriotismus niemand zweifelt.

In der That wirft sich wieder einmal alles Ungeziefer auf die Deutschen
Österreichs. Jenseits der Leitha werden sie im Namen des Nationalstaats, dies¬
seits im Namen des Nationalitätenstaats verfolgt und verleumdet. Daß ihre
Bedrängnis in den Ländern mit slavischer Vevölkeruug uicht unverschuldet ist,
davon haben diese Hefte wiederholt gesprochen, und gewiß können nnr die Deutschen
selbst sich helfen, indem sie vor allem sich von ihren gewählten Gewalthabern
befreien; aber die Anschuldigung reichsfeindlicher Tendenzen haben sie nicht ver¬
dient, niemals. Wenn nach den Kriegen von 1866 und 1870 die Jugend von
Enthusiasmus ergriffen wurde und angesichts der Zerrissenheit im eigenen Lande
den Traum vou der Wiedervereinigung mit den Stammesgenossen nährte, so kann
kein Billigdenkender, der selbst Nationalgefühl besitzt, solche Regungen bei der
Jugend schlechthin verdammen, welche eine Schule so bitterer Erfahrungen durch¬
machen mußte. Sie ist aber im Verlauf eines Jahrzehntes zu der Einsicht
gelangt, daß der schmerzhafte Schnitt von 1866 eine Notwendigkeit war und
daß das jetzige Verhältnis zwischen den beiden Staaten ein gesunderes ist. Daß


Die österreichischen Hochverräter.

keine Schuld, aber die größte Unfähigkeit gefunden wurde, dann ein paar Be¬
zirksdemokraten, deren Marionette eben jener Herr Newald gewesen war, ein
paar „Verteidiger" für alles und ein paar Journalisten ähnlicher Qualifika¬
tion — mit diesem Stäbe trat er ans. Die Zeitungen machen sich darüber
lustig, daß unter deu Rednern, ich weiß nicht auf welcher Seite, sich ein Herr
Tänzcles befunden hat; sie verschweigen aber, daß, mAnaturg, tLiriPori«! es über¬
haupt fast nur Juden waren, die mit Geschrei und Getrampel ihre verschleimen
Ansichten über die Mission des Deutschtums in Osterreich zur Geltung bringen
wollten. Endlich zeigte sich, daß die Gegner der „Versöhnung" die Mehrheit
hatten, und unter ungeheuerm Lärm wurde die Versammlung aufgelöst, resultat¬
los, wie sich von selbst versteht. Der alte Dr. Fischhof ist sofort, wohl sehr
enttäuscht, in seine Einsamkeit zurückgekehrt, Walterskirchen wäre dringend an¬
zuraten, daß er ebenfalls eine Gegend aufsuchte, wo keine Politik getrieben wird,
denn die Gesellschaft, in welcher er jetzt seinen Groll zu Papier bringt, ist seiner
nicht würdig und kann ihm gefährlich werden. Schon hat er sich das neueste
Dennnzicmtenwort angeeignet, spricht von den Deutschösterreichern, die sich nach
der Kornblume sehnen! Er sollte doch wissen, welches vaterlandslose Gelichter
immer wieder mit solchen elenden Mitteln seine Stammesgenossen zu verdäch¬
tigen sucht, und es wäre wohl sehr merkwürdig, wenn nicht ihm selbst in frühern
Tagen „Prenßenseuchler" wäre nachgerufen worden. Falls die Tage wieder¬
kehren sollen, in welchen im Gefolge des Königs von Hannover und des Kur¬
fürsten von Hessen nach Österreich gekommene Herren „Republikaner" mit pol¬
nischen und andern Juden das „wahrhafte Österreichertnm" entdeckt hatten, und
wenn die österreichische Volkspartei ein Seitenstück der süddeutschen Volkspartei
zu werden bestimmt ist, so scheint in ihren Reihen kein Platz für einen Mann
zu sein, an dessen aufrichtigem, uneigennützigein Patriotismus niemand zweifelt.

In der That wirft sich wieder einmal alles Ungeziefer auf die Deutschen
Österreichs. Jenseits der Leitha werden sie im Namen des Nationalstaats, dies¬
seits im Namen des Nationalitätenstaats verfolgt und verleumdet. Daß ihre
Bedrängnis in den Ländern mit slavischer Vevölkeruug uicht unverschuldet ist,
davon haben diese Hefte wiederholt gesprochen, und gewiß können nnr die Deutschen
selbst sich helfen, indem sie vor allem sich von ihren gewählten Gewalthabern
befreien; aber die Anschuldigung reichsfeindlicher Tendenzen haben sie nicht ver¬
dient, niemals. Wenn nach den Kriegen von 1866 und 1870 die Jugend von
Enthusiasmus ergriffen wurde und angesichts der Zerrissenheit im eigenen Lande
den Traum vou der Wiedervereinigung mit den Stammesgenossen nährte, so kann
kein Billigdenkender, der selbst Nationalgefühl besitzt, solche Regungen bei der
Jugend schlechthin verdammen, welche eine Schule so bitterer Erfahrungen durch¬
machen mußte. Sie ist aber im Verlauf eines Jahrzehntes zu der Einsicht
gelangt, daß der schmerzhafte Schnitt von 1866 eine Notwendigkeit war und
daß das jetzige Verhältnis zwischen den beiden Staaten ein gesunderes ist. Daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/298>, abgerufen am 01.07.2024.