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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Amerikanische Sekten.

und sie sehen einer Entbindung mit Schrecken entgegen. Im Einklang hiermit
steht das Benehmen der Männer, die Frequenz der Lnsthöhlen.

Das geschlechtliche Verhältnis innerhalb der Sekten ist die Reaktion gegen
diese trnnrigen Zustände. So allein kann man begreifen, wie diese Leute dazu
gekommen sind, der Ehe den Krieg zu erklären und sie, nnter den verschieden¬
artigsten Formen, aufzuheben. Am bekanntesten ist die Art und Weise der
Mormonen, aber die andern Sekten haben, wenn auch andre, so doch innerlich
mit der Mormonentheorie verwandte Sitten. Wer der Sache auf den Grund
geht, wird mit Interesse entdecken, das; der Polygamie der Mormonen wie den
wunderlichen Verhältnissen bei den Zitterern u. s. w. eine Idee zu Grunde liegt,
welche sich eng an das religiöse Dogma von der Erlösung der Erde durch den
Ackerbau anschließt. Die Sektirer sind des Glnnbens, daß unzählige Kinder
Gottes rein geistiger Natur auf Einkleidung in einen irdischen Leib warteten,
um um der Erlösung thätig mitzuwirken, und sie sind deshalb überzeugt, ein
Gott wohlgefälliges Werk zu verrichten, wenn sie die Erde bevölkern. Bei den
Mormonen gilt derjenige für den heiligsten, der die meisten Kinder hat, und je
mehr Weiber ein Mann hat, desto sicherer ist er, sowohl hier auf Erden als
dereinst im Jenseits gute Karriere zu machen. Das klingt höchst sonderbar,
aber wer sich einmal die Mühe nehmen wollte, das L-uiuor ok liglrt, das vk-
datg.d1<z I^linet, die Ilarx 01' Aiou und ähnliche Werke und Zeitungen zu lesen,
der würde sich an die Betrachtung noch ganz andrer Phantasien gewöhnen.
Diese Idee findet sich auf die Spitze getrieben in der Einrichtung der Spiritual
>vivo8, welche deshalb auch die Theorie am schärfsten zur Anschauung bringt.
Die Einrichtung der 8rüritug.I >vio<Z8 läßt sich am besten durch ein Beispiel er¬
klären, welches freilich einem ganz andern Gebiete entnommen ist, nämlich dnrch
die Einrichtung der Chefcrnennnugen fürstlicher?c. Personen in den europäischen
Armeen. Die 8x>ir1eng,1 v^ivLg Verhalten sich zu den wirklichen Frauen wie die
fürstlichen Chefs, Oberstinhaber !e. zu den thatsächlichen Befehlshabern der Re¬
gimenter. Sie haben die Ehre, aber nicht die Arbeit. Angesehene, reiche Witwen,
geachtete Dichterinnen u. s. w. werden nämlich Irouoris va,u8a einem Propheten
angesiegelt, d. h. es wird die Trauzeremouie gefeiert, und dann kehrt die Dame
zufrieden mit der Ehre in ihr Heim zurück. Brigham Aoung hatte Hunderte
von "xiritug-l v^lo<Z8, die er zum Teil gar nicht kannte, neben seinen wirklichen
Frauen. Ja, es werden sogar den verstorbenen namhaften Männern, wie
dem Propheten Joseph Smith 8xiritua,1 xvivs8 angesiegelt, und es können wirk¬
liche Frauen eines lebenden Mannes einem andern als 8piritucck ^lok8 angetraut
werden.

Auch in der Praxis hat die Polygamie bei den Mormonen eine hervor¬
ragende Bedeutung, obwohl nur etwa der zehnte Teil der Männer mehr als
eine Frau hat, weil die Kosten des vergrößerten, verdoppelte", verdreifachten
Haushaltes zu hoch sind. Die "Pluralität" wird den verdienten und wohl-


Amerikanische Sekten.

und sie sehen einer Entbindung mit Schrecken entgegen. Im Einklang hiermit
steht das Benehmen der Männer, die Frequenz der Lnsthöhlen.

Das geschlechtliche Verhältnis innerhalb der Sekten ist die Reaktion gegen
diese trnnrigen Zustände. So allein kann man begreifen, wie diese Leute dazu
gekommen sind, der Ehe den Krieg zu erklären und sie, nnter den verschieden¬
artigsten Formen, aufzuheben. Am bekanntesten ist die Art und Weise der
Mormonen, aber die andern Sekten haben, wenn auch andre, so doch innerlich
mit der Mormonentheorie verwandte Sitten. Wer der Sache auf den Grund
geht, wird mit Interesse entdecken, das; der Polygamie der Mormonen wie den
wunderlichen Verhältnissen bei den Zitterern u. s. w. eine Idee zu Grunde liegt,
welche sich eng an das religiöse Dogma von der Erlösung der Erde durch den
Ackerbau anschließt. Die Sektirer sind des Glnnbens, daß unzählige Kinder
Gottes rein geistiger Natur auf Einkleidung in einen irdischen Leib warteten,
um um der Erlösung thätig mitzuwirken, und sie sind deshalb überzeugt, ein
Gott wohlgefälliges Werk zu verrichten, wenn sie die Erde bevölkern. Bei den
Mormonen gilt derjenige für den heiligsten, der die meisten Kinder hat, und je
mehr Weiber ein Mann hat, desto sicherer ist er, sowohl hier auf Erden als
dereinst im Jenseits gute Karriere zu machen. Das klingt höchst sonderbar,
aber wer sich einmal die Mühe nehmen wollte, das L-uiuor ok liglrt, das vk-
datg.d1<z I^linet, die Ilarx 01' Aiou und ähnliche Werke und Zeitungen zu lesen,
der würde sich an die Betrachtung noch ganz andrer Phantasien gewöhnen.
Diese Idee findet sich auf die Spitze getrieben in der Einrichtung der Spiritual
>vivo8, welche deshalb auch die Theorie am schärfsten zur Anschauung bringt.
Die Einrichtung der 8rüritug.I >vio<Z8 läßt sich am besten durch ein Beispiel er¬
klären, welches freilich einem ganz andern Gebiete entnommen ist, nämlich dnrch
die Einrichtung der Chefcrnennnugen fürstlicher?c. Personen in den europäischen
Armeen. Die 8x>ir1eng,1 v^ivLg Verhalten sich zu den wirklichen Frauen wie die
fürstlichen Chefs, Oberstinhaber !e. zu den thatsächlichen Befehlshabern der Re¬
gimenter. Sie haben die Ehre, aber nicht die Arbeit. Angesehene, reiche Witwen,
geachtete Dichterinnen u. s. w. werden nämlich Irouoris va,u8a einem Propheten
angesiegelt, d. h. es wird die Trauzeremouie gefeiert, und dann kehrt die Dame
zufrieden mit der Ehre in ihr Heim zurück. Brigham Aoung hatte Hunderte
von «xiritug-l v^lo<Z8, die er zum Teil gar nicht kannte, neben seinen wirklichen
Frauen. Ja, es werden sogar den verstorbenen namhaften Männern, wie
dem Propheten Joseph Smith 8xiritua,1 xvivs8 angesiegelt, und es können wirk¬
liche Frauen eines lebenden Mannes einem andern als 8piritucck ^lok8 angetraut
werden.

Auch in der Praxis hat die Polygamie bei den Mormonen eine hervor¬
ragende Bedeutung, obwohl nur etwa der zehnte Teil der Männer mehr als
eine Frau hat, weil die Kosten des vergrößerten, verdoppelte», verdreifachten
Haushaltes zu hoch sind. Die „Pluralität" wird den verdienten und wohl-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/29>, abgerufen am 22.07.2024.