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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der jüngste Tag.

und selbst die Waffenstillstandsflagge aufzog, kapitulirte er augenblicklich. Wie
bei jeder andern Streitigkeit, so griff Frau Anderson auch bei dieser über die
Entlassung des "erbärmlichen unverschämten Dutchman" ihren Mann auf allen
seinen schwachen Punkten an, und sie hatte den Katalog seiner schwachen Punkte
so wohl im Kopfe, als ob sie ihn auswendig gelernt hätte. Dann, wenn er
soweit geärgert war, daß er sich ganz elend fühlte, wenn sie ihr Bedauern aus¬
gedrückt hatte, nicht lieber jemand geheiratet zu haben, der ein Herz habe,
wenn sie bemerkt hatte, sie hätte das Haus ihres Vaters nicht verlassen sollen,
denn ihr Vater wäre immer gut gegen sie gewesen, und wenn sie ihn an den
Freier erinnert hatte, den sie seinetwegen aufgegeben, und wie sehr dieser sie ge¬
liebt und wie unglücklich sie diesen gemacht, als sie Samuel Anderson ihre Liebe
geschenkt -- wenn sie den Streit so durch alle einleitenden Stadien hindurchge¬
führt hatte, so steuerte sie schließlich auf ihr Ziel durch einen poux c!" pg-rtiv los
und zwar in folgender Weise:

Aber das ist just eure Art! Immer die Art von auch Männern! Ich
glaube, ich muß dir deinen Willen lassen wie gewöhnlich. Du hast mir von
Anfang an gezeigt, daß dn der Herr und Meister im Hause bist. Ich habe
nicht einmal in Sachen meiner Tochter etwas zu sagen. Aber ich dächte doch,
wo ich dir deinen Willen in so vielen Dingen gelassen habe, könntest dn
wenigstens diesen Kerl fortjagen. Dn könntest mir in einer einzigen Kleinigkeit
einmal einen Gefallen thun, und dn würdest es, wenn du dir etwas aus mir
machtest. Du weißt doch, wie leicht ich jeden Augenblick an meiner Herzkrankheit
sterben kann, und doch willst du diese Aufregung in solcher Weise verlängern.

Nun giebt es nichts, was einem schwachem Manne so wohlthut, als wenn
er sür stark gehalten wird, nichts, was einen Pantoffelhelden so kitzelt, als wenn
ihm die Rolle eines Tyrannen zugeteilt wird. Hört man je einen Manu mit
seinem Entschluß groß thun, in seinen vier Pfühlen Herr zu sein, so kann man
stets sicher sein, daß er gehorsam das Joch seiner Frau trägt. Ein Pantoffel¬
held wird immer so thun, als ob er gegen alles wäre, was uach Erweiterung
der Aktionssphäre und der Vorrechte der Frauen aussieht. Ein solcher Mann
besteht auf dem Schatten der Autorität, weil er ihr Wesen nicht haben kann.
Es ist ihm eine große Genugthuung, daß seiue Frau niemals Präsident werden
und niemals in gottesdienstlichen Versammlungen Reden halten kauu. solange
ihm diese Zeichen der Überlegenheit verbleiben, ist er immer noch in gewissem
Sinne Haupt der Familie.

So geschah es auch hier. Als Frau Anderson ihren Manu unterwürfig
darau erinnerte, wie sie ihm immer seinen Willen gelassen, glaubte er es ihr,
weil er's wünschte, obwohl er sich in diesem Augenblicke der einzelnen Fülle, wo
dies geschehe!,, nicht gerade entsinnen konnte. Und da er wußte, daß er nach-
geben müsse, so zog er es vor, seiue Nachgiebigkeit als einen Akt souveräner
Gnade gegen das arme unterdrückte Weib erscheinen zu lassen, den sie sich erbat.


Der jüngste Tag.

und selbst die Waffenstillstandsflagge aufzog, kapitulirte er augenblicklich. Wie
bei jeder andern Streitigkeit, so griff Frau Anderson auch bei dieser über die
Entlassung des „erbärmlichen unverschämten Dutchman" ihren Mann auf allen
seinen schwachen Punkten an, und sie hatte den Katalog seiner schwachen Punkte
so wohl im Kopfe, als ob sie ihn auswendig gelernt hätte. Dann, wenn er
soweit geärgert war, daß er sich ganz elend fühlte, wenn sie ihr Bedauern aus¬
gedrückt hatte, nicht lieber jemand geheiratet zu haben, der ein Herz habe,
wenn sie bemerkt hatte, sie hätte das Haus ihres Vaters nicht verlassen sollen,
denn ihr Vater wäre immer gut gegen sie gewesen, und wenn sie ihn an den
Freier erinnert hatte, den sie seinetwegen aufgegeben, und wie sehr dieser sie ge¬
liebt und wie unglücklich sie diesen gemacht, als sie Samuel Anderson ihre Liebe
geschenkt — wenn sie den Streit so durch alle einleitenden Stadien hindurchge¬
führt hatte, so steuerte sie schließlich auf ihr Ziel durch einen poux c!« pg-rtiv los
und zwar in folgender Weise:

Aber das ist just eure Art! Immer die Art von auch Männern! Ich
glaube, ich muß dir deinen Willen lassen wie gewöhnlich. Du hast mir von
Anfang an gezeigt, daß dn der Herr und Meister im Hause bist. Ich habe
nicht einmal in Sachen meiner Tochter etwas zu sagen. Aber ich dächte doch,
wo ich dir deinen Willen in so vielen Dingen gelassen habe, könntest dn
wenigstens diesen Kerl fortjagen. Dn könntest mir in einer einzigen Kleinigkeit
einmal einen Gefallen thun, und dn würdest es, wenn du dir etwas aus mir
machtest. Du weißt doch, wie leicht ich jeden Augenblick an meiner Herzkrankheit
sterben kann, und doch willst du diese Aufregung in solcher Weise verlängern.

Nun giebt es nichts, was einem schwachem Manne so wohlthut, als wenn
er sür stark gehalten wird, nichts, was einen Pantoffelhelden so kitzelt, als wenn
ihm die Rolle eines Tyrannen zugeteilt wird. Hört man je einen Manu mit
seinem Entschluß groß thun, in seinen vier Pfühlen Herr zu sein, so kann man
stets sicher sein, daß er gehorsam das Joch seiner Frau trägt. Ein Pantoffel¬
held wird immer so thun, als ob er gegen alles wäre, was uach Erweiterung
der Aktionssphäre und der Vorrechte der Frauen aussieht. Ein solcher Mann
besteht auf dem Schatten der Autorität, weil er ihr Wesen nicht haben kann.
Es ist ihm eine große Genugthuung, daß seiue Frau niemals Präsident werden
und niemals in gottesdienstlichen Versammlungen Reden halten kauu. solange
ihm diese Zeichen der Überlegenheit verbleiben, ist er immer noch in gewissem
Sinne Haupt der Familie.

So geschah es auch hier. Als Frau Anderson ihren Manu unterwürfig
darau erinnerte, wie sie ihm immer seinen Willen gelassen, glaubte er es ihr,
weil er's wünschte, obwohl er sich in diesem Augenblicke der einzelnen Fülle, wo
dies geschehe!,, nicht gerade entsinnen konnte. Und da er wußte, daß er nach-
geben müsse, so zog er es vor, seiue Nachgiebigkeit als einen Akt souveräner
Gnade gegen das arme unterdrückte Weib erscheinen zu lassen, den sie sich erbat.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/246>, abgerufen am 01.07.2024.