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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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daß ein Feuilleton weniger durch den Inhalt belehren null, der ihm fremd ist,
als durch die Form zu gefallen sucht, die sei" eigen ist.

Die Form ist es, durch welche das Feuilleton an die Poesie angrenzt.
Ähnlich wie von jener, kann von ihm der Spruch gelten: In der Form liegt
fein Wesen. Es macht ganz ernstlich den Anspruch, zur Kunst gerechnet zu
werden, es will gar darstellen wie die Kunst. Von der Poesie entlehnt es die
Freiheit des Fortschreitens in der üußeru Entwicklung, auch wo strengere Gesetz¬
mäßigkeit der Gedanken sich ziemte. Äußere Freiheit geht ihm über innere Gesetz¬
lichkeit; es sträubt sich leichtfertig, feste Gedankenbahnen in abgemessenem Schritte
zu durchschreiten; lieber hüpft ,es ziellos seitab durch blumige Gänge und
blühende Thäler, da ihm die Heerstraße zu mühsam und zu staubig dünkt.

Es borgt ferner von der Poesie den sinnlichen Schmuck der Gestaltung.
Unsiuiilich lehrendes Wissen dünkt ihm pedantisch steif und trocken, allgemeine
Begriffe und Gedanken wandelt es in lebende Anschauung eines einzelnen um,
die sich zum Bilde rundet. Der echte Feuilletonist sagt nicht: "Das Feuilleton
gleicht einer Frau," nein, er läßt eine, natürlich geistreiche, Frau sagen: "Ich
liebe das Feuilleton, denn es ähnelt uns, es ist ein Weib." Und des weiteren
läßt er seine Herrin ihren Schützling verteidigen gegen einen grobstnmpfen
Deutschen, der die Vorzüge solch prickelnd französischer Kleinkunst nicht empfindet.
Freilich wird der duftende Salon der bekannten "gnädigen Frau," in dem sich
die Herren des "Berliner Montagsblattes" allwöchentlich versammeln, auf die
Dauer etwas langweilig, so künstlich sie anch den buntschillernden Stoff des
glänzenden Besuchskleides in immer neue Falten zu ordnen suchen.

Zum Gefühle möchte das Feuilleton sprechen wie die Poesie; darum
sucht es Stimmung zu wirken und müht sich, aus einer Stimmung geboren zu
werden. Ein Feuilleton ohne Stimmung ist eine Zeichnung ohne Farbe. Drum
sagt es nicht, was zu sagen wäre, schlicht und gerade; es verwälscht alles aus
eigne Weise und verbildet das einfachste zu einem seltsam gefärbten, das sich
als aus der sonderwilligen Eigenart des Schreibenden gekommen darstellt. Die
Feuilletonisten nennen das mit einem Kunstausdrucke "stimmungsvolle Farben¬
gebung," die unbefangenen Leser nennen es erzwungene Künstelei. Künstelei
ist alles, was poetisch am Feuilleton sein möchte, und künstlerischer Mühe nicht
wert. Bruder Flitter über innere Blöße gehängt, ein Schaumäntelchen, um
seelische Leere zu verstecken. Das Feuilleton mißbraucht die Kunst als Mittel,
jeden beliebigen Inhalt zu bequemer Unterhaltung herzurichten.

Mit der Schönheit hat dabei das Feuilleton so wenig zu thun wie die
künstlich ausgeklügelten, auf blendende Wirkung berechneten Kleidermoden. Ein
schönes Feuilleton wäre ein begriffliches Unding, aber ein "reizendes, pikantes,
interessantes, geschicktes, effektvolles" -- das gilt und klingt. Schönheit ist zu
hoch, zu selbstbewußt, "die Schöne bleibt sich selber selig," sie kokettirt nicht;
Koketterie aber ist die Seele des Feuilletons. Es giebt in der That keinen


daß ein Feuilleton weniger durch den Inhalt belehren null, der ihm fremd ist,
als durch die Form zu gefallen sucht, die sei» eigen ist.

Die Form ist es, durch welche das Feuilleton an die Poesie angrenzt.
Ähnlich wie von jener, kann von ihm der Spruch gelten: In der Form liegt
fein Wesen. Es macht ganz ernstlich den Anspruch, zur Kunst gerechnet zu
werden, es will gar darstellen wie die Kunst. Von der Poesie entlehnt es die
Freiheit des Fortschreitens in der üußeru Entwicklung, auch wo strengere Gesetz¬
mäßigkeit der Gedanken sich ziemte. Äußere Freiheit geht ihm über innere Gesetz¬
lichkeit; es sträubt sich leichtfertig, feste Gedankenbahnen in abgemessenem Schritte
zu durchschreiten; lieber hüpft ,es ziellos seitab durch blumige Gänge und
blühende Thäler, da ihm die Heerstraße zu mühsam und zu staubig dünkt.

Es borgt ferner von der Poesie den sinnlichen Schmuck der Gestaltung.
Unsiuiilich lehrendes Wissen dünkt ihm pedantisch steif und trocken, allgemeine
Begriffe und Gedanken wandelt es in lebende Anschauung eines einzelnen um,
die sich zum Bilde rundet. Der echte Feuilletonist sagt nicht: „Das Feuilleton
gleicht einer Frau," nein, er läßt eine, natürlich geistreiche, Frau sagen: „Ich
liebe das Feuilleton, denn es ähnelt uns, es ist ein Weib." Und des weiteren
läßt er seine Herrin ihren Schützling verteidigen gegen einen grobstnmpfen
Deutschen, der die Vorzüge solch prickelnd französischer Kleinkunst nicht empfindet.
Freilich wird der duftende Salon der bekannten „gnädigen Frau," in dem sich
die Herren des „Berliner Montagsblattes" allwöchentlich versammeln, auf die
Dauer etwas langweilig, so künstlich sie anch den buntschillernden Stoff des
glänzenden Besuchskleides in immer neue Falten zu ordnen suchen.

Zum Gefühle möchte das Feuilleton sprechen wie die Poesie; darum
sucht es Stimmung zu wirken und müht sich, aus einer Stimmung geboren zu
werden. Ein Feuilleton ohne Stimmung ist eine Zeichnung ohne Farbe. Drum
sagt es nicht, was zu sagen wäre, schlicht und gerade; es verwälscht alles aus
eigne Weise und verbildet das einfachste zu einem seltsam gefärbten, das sich
als aus der sonderwilligen Eigenart des Schreibenden gekommen darstellt. Die
Feuilletonisten nennen das mit einem Kunstausdrucke „stimmungsvolle Farben¬
gebung," die unbefangenen Leser nennen es erzwungene Künstelei. Künstelei
ist alles, was poetisch am Feuilleton sein möchte, und künstlerischer Mühe nicht
wert. Bruder Flitter über innere Blöße gehängt, ein Schaumäntelchen, um
seelische Leere zu verstecken. Das Feuilleton mißbraucht die Kunst als Mittel,
jeden beliebigen Inhalt zu bequemer Unterhaltung herzurichten.

Mit der Schönheit hat dabei das Feuilleton so wenig zu thun wie die
künstlich ausgeklügelten, auf blendende Wirkung berechneten Kleidermoden. Ein
schönes Feuilleton wäre ein begriffliches Unding, aber ein „reizendes, pikantes,
interessantes, geschicktes, effektvolles" — das gilt und klingt. Schönheit ist zu
hoch, zu selbstbewußt, „die Schöne bleibt sich selber selig," sie kokettirt nicht;
Koketterie aber ist die Seele des Feuilletons. Es giebt in der That keinen


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[0223] daß ein Feuilleton weniger durch den Inhalt belehren null, der ihm fremd ist, als durch die Form zu gefallen sucht, die sei» eigen ist. Die Form ist es, durch welche das Feuilleton an die Poesie angrenzt. Ähnlich wie von jener, kann von ihm der Spruch gelten: In der Form liegt fein Wesen. Es macht ganz ernstlich den Anspruch, zur Kunst gerechnet zu werden, es will gar darstellen wie die Kunst. Von der Poesie entlehnt es die Freiheit des Fortschreitens in der üußeru Entwicklung, auch wo strengere Gesetz¬ mäßigkeit der Gedanken sich ziemte. Äußere Freiheit geht ihm über innere Gesetz¬ lichkeit; es sträubt sich leichtfertig, feste Gedankenbahnen in abgemessenem Schritte zu durchschreiten; lieber hüpft ,es ziellos seitab durch blumige Gänge und blühende Thäler, da ihm die Heerstraße zu mühsam und zu staubig dünkt. Es borgt ferner von der Poesie den sinnlichen Schmuck der Gestaltung. Unsiuiilich lehrendes Wissen dünkt ihm pedantisch steif und trocken, allgemeine Begriffe und Gedanken wandelt es in lebende Anschauung eines einzelnen um, die sich zum Bilde rundet. Der echte Feuilletonist sagt nicht: „Das Feuilleton gleicht einer Frau," nein, er läßt eine, natürlich geistreiche, Frau sagen: „Ich liebe das Feuilleton, denn es ähnelt uns, es ist ein Weib." Und des weiteren läßt er seine Herrin ihren Schützling verteidigen gegen einen grobstnmpfen Deutschen, der die Vorzüge solch prickelnd französischer Kleinkunst nicht empfindet. Freilich wird der duftende Salon der bekannten „gnädigen Frau," in dem sich die Herren des „Berliner Montagsblattes" allwöchentlich versammeln, auf die Dauer etwas langweilig, so künstlich sie anch den buntschillernden Stoff des glänzenden Besuchskleides in immer neue Falten zu ordnen suchen. Zum Gefühle möchte das Feuilleton sprechen wie die Poesie; darum sucht es Stimmung zu wirken und müht sich, aus einer Stimmung geboren zu werden. Ein Feuilleton ohne Stimmung ist eine Zeichnung ohne Farbe. Drum sagt es nicht, was zu sagen wäre, schlicht und gerade; es verwälscht alles aus eigne Weise und verbildet das einfachste zu einem seltsam gefärbten, das sich als aus der sonderwilligen Eigenart des Schreibenden gekommen darstellt. Die Feuilletonisten nennen das mit einem Kunstausdrucke „stimmungsvolle Farben¬ gebung," die unbefangenen Leser nennen es erzwungene Künstelei. Künstelei ist alles, was poetisch am Feuilleton sein möchte, und künstlerischer Mühe nicht wert. Bruder Flitter über innere Blöße gehängt, ein Schaumäntelchen, um seelische Leere zu verstecken. Das Feuilleton mißbraucht die Kunst als Mittel, jeden beliebigen Inhalt zu bequemer Unterhaltung herzurichten. Mit der Schönheit hat dabei das Feuilleton so wenig zu thun wie die künstlich ausgeklügelten, auf blendende Wirkung berechneten Kleidermoden. Ein schönes Feuilleton wäre ein begriffliches Unding, aber ein „reizendes, pikantes, interessantes, geschicktes, effektvolles" — das gilt und klingt. Schönheit ist zu hoch, zu selbstbewußt, „die Schöne bleibt sich selber selig," sie kokettirt nicht; Koketterie aber ist die Seele des Feuilletons. Es giebt in der That keinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/223>, abgerufen am 03.07.2024.