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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Amerikanische Sekten.

Auf was ist Brigham Joung am stolzesten? Aus seinen Harem, seinen Tempel,
sein Theater, seine Stallung, seinen Reichtum? Er mag auf diese Dinge in
gewisser Beziehung stolz sein; wobei er aber am liebsten und mit dem edelsten
Enthusiasmus weilt, das ist du? Thatsache aus seinem Leben, daß er eine Ernte
von dreiundneunzig und einem halben Vnshel Waizen von einem Acker erzielt
hat. Die Heiligen sind mit einer Geschwindigkeit, welche selbst in den Vereinigten
Staaten wunderbar erscheint, reich geworden. Sie haben das Leben auf der
niedrigsten Stufe erwählt, sich nur aus den armen Klassen rekrutirt, sind ihrer
Güter beraubt, vou ihren Farineu vertrieben worden, waren gezwungen, Mil¬
lionen von Dollars auf einen gefährlichen Auszug zu verwenden, ließen sich
schließlich auf Grund und Boden nieder, von dem die Rothaut und der'Bison
fast in Verzweiflung gewichen waren, und dennoch haben sie es zustande ge¬
bracht, zu existiren, ihre Arbeiten auszudehnen, ihre Vorräte zu vermehren.
Die Hügel und Thäler um den Salzsee lachen überall mit Weizen und
Korn."

Robert von Schlagintweit schreibt in seinen "Mormonen": "Utah war, ehe
sich die Mormonen in diesem Lande niederließen, eine reine Wüstenei, von der
es niemand für möglich hielt, daß sie jemals würde nutzbringend verwendet
werden können. Aber gegenwärtig bildet ein großer Teil Utahs, dank dem
riesigen Fleiße und der unermüdlichen Ausdauer der Mormonen, eine große
Oase, die ringsum von öde" Steppen oder ausgedehnten, ihrer Unfruchtbarkeit
wegen berüchtigten Regionen umgeben ist. Wo früher nichts als Wüste lag,
stoßen wir jetzt auf eine große Auzahl von Gärten, Farmer, Feldern und Saaten,
die, namentlich infolge eines unvergleichlichen Berieselungssystems, gute Ernten
liefern. Besonders eignen sich ausgedehnte Flächen zum Anbau von Weizen,
von Gemüsen aller Art, von den verschiedensten Obstsorten, wie Äpfel, Birnen,
Pfirsiche, Aprikosen und Trauben.... Allgemein wird die schöne Lage der in
Plan und Ausführung unwillkürlich an die künstlerischen Eingebungen eines ehe¬
maligen kleinen deutscheu Dynasten des vorige" Jahrhunderts erinnernden Salz¬
feestadt, ihr zuträgliches Klima und ihre herrliche Umgebung bewundert . . . .
Vor einer große" Anzahl der niedlichen und äußerst sauber gehaltenen Hänser
befindet sich ein kleiner, mit Obstbäumen und Sträuchern aller Art bepflanzter
Raum. Von einer Anhöhe aus betrachtet gleicht daher die in ihrer Art einzige
Stadt einem großen Garten, in welchem eine bedeutende Anzahl von Villen,
kleinen Häusern und sonstigen Gebänden von mannichfachen architektonischen:
Stil zerstreut umherliegen."

Ähnliche Berichte über den Fleiß und die Geschicklichkeit in der Bodenknltnr
bei den in dem ungeheuren Gebiete der Vereinigten Staate" verstreute" Sekten
geben andre angesehene Berichterstatter. So sonderbar, so unchristlich, so ab¬
geschmackt viele Ansichten und Gebräuche dieser selten und so sehr sie von ein¬
ander verschieden sein mögen -- daß sie sämmtlich die sorgfältigste, liebevollste


Amerikanische Sekten.

Auf was ist Brigham Joung am stolzesten? Aus seinen Harem, seinen Tempel,
sein Theater, seine Stallung, seinen Reichtum? Er mag auf diese Dinge in
gewisser Beziehung stolz sein; wobei er aber am liebsten und mit dem edelsten
Enthusiasmus weilt, das ist du? Thatsache aus seinem Leben, daß er eine Ernte
von dreiundneunzig und einem halben Vnshel Waizen von einem Acker erzielt
hat. Die Heiligen sind mit einer Geschwindigkeit, welche selbst in den Vereinigten
Staaten wunderbar erscheint, reich geworden. Sie haben das Leben auf der
niedrigsten Stufe erwählt, sich nur aus den armen Klassen rekrutirt, sind ihrer
Güter beraubt, vou ihren Farineu vertrieben worden, waren gezwungen, Mil¬
lionen von Dollars auf einen gefährlichen Auszug zu verwenden, ließen sich
schließlich auf Grund und Boden nieder, von dem die Rothaut und der'Bison
fast in Verzweiflung gewichen waren, und dennoch haben sie es zustande ge¬
bracht, zu existiren, ihre Arbeiten auszudehnen, ihre Vorräte zu vermehren.
Die Hügel und Thäler um den Salzsee lachen überall mit Weizen und
Korn."

Robert von Schlagintweit schreibt in seinen „Mormonen": „Utah war, ehe
sich die Mormonen in diesem Lande niederließen, eine reine Wüstenei, von der
es niemand für möglich hielt, daß sie jemals würde nutzbringend verwendet
werden können. Aber gegenwärtig bildet ein großer Teil Utahs, dank dem
riesigen Fleiße und der unermüdlichen Ausdauer der Mormonen, eine große
Oase, die ringsum von öde» Steppen oder ausgedehnten, ihrer Unfruchtbarkeit
wegen berüchtigten Regionen umgeben ist. Wo früher nichts als Wüste lag,
stoßen wir jetzt auf eine große Auzahl von Gärten, Farmer, Feldern und Saaten,
die, namentlich infolge eines unvergleichlichen Berieselungssystems, gute Ernten
liefern. Besonders eignen sich ausgedehnte Flächen zum Anbau von Weizen,
von Gemüsen aller Art, von den verschiedensten Obstsorten, wie Äpfel, Birnen,
Pfirsiche, Aprikosen und Trauben.... Allgemein wird die schöne Lage der in
Plan und Ausführung unwillkürlich an die künstlerischen Eingebungen eines ehe¬
maligen kleinen deutscheu Dynasten des vorige» Jahrhunderts erinnernden Salz¬
feestadt, ihr zuträgliches Klima und ihre herrliche Umgebung bewundert . . . .
Vor einer große» Anzahl der niedlichen und äußerst sauber gehaltenen Hänser
befindet sich ein kleiner, mit Obstbäumen und Sträuchern aller Art bepflanzter
Raum. Von einer Anhöhe aus betrachtet gleicht daher die in ihrer Art einzige
Stadt einem großen Garten, in welchem eine bedeutende Anzahl von Villen,
kleinen Häusern und sonstigen Gebänden von mannichfachen architektonischen:
Stil zerstreut umherliegen."

Ähnliche Berichte über den Fleiß und die Geschicklichkeit in der Bodenknltnr
bei den in dem ungeheuren Gebiete der Vereinigten Staate» verstreute» Sekten
geben andre angesehene Berichterstatter. So sonderbar, so unchristlich, so ab¬
geschmackt viele Ansichten und Gebräuche dieser selten und so sehr sie von ein¬
ander verschieden sein mögen — daß sie sämmtlich die sorgfältigste, liebevollste


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[0021] Amerikanische Sekten. Auf was ist Brigham Joung am stolzesten? Aus seinen Harem, seinen Tempel, sein Theater, seine Stallung, seinen Reichtum? Er mag auf diese Dinge in gewisser Beziehung stolz sein; wobei er aber am liebsten und mit dem edelsten Enthusiasmus weilt, das ist du? Thatsache aus seinem Leben, daß er eine Ernte von dreiundneunzig und einem halben Vnshel Waizen von einem Acker erzielt hat. Die Heiligen sind mit einer Geschwindigkeit, welche selbst in den Vereinigten Staaten wunderbar erscheint, reich geworden. Sie haben das Leben auf der niedrigsten Stufe erwählt, sich nur aus den armen Klassen rekrutirt, sind ihrer Güter beraubt, vou ihren Farineu vertrieben worden, waren gezwungen, Mil¬ lionen von Dollars auf einen gefährlichen Auszug zu verwenden, ließen sich schließlich auf Grund und Boden nieder, von dem die Rothaut und der'Bison fast in Verzweiflung gewichen waren, und dennoch haben sie es zustande ge¬ bracht, zu existiren, ihre Arbeiten auszudehnen, ihre Vorräte zu vermehren. Die Hügel und Thäler um den Salzsee lachen überall mit Weizen und Korn." Robert von Schlagintweit schreibt in seinen „Mormonen": „Utah war, ehe sich die Mormonen in diesem Lande niederließen, eine reine Wüstenei, von der es niemand für möglich hielt, daß sie jemals würde nutzbringend verwendet werden können. Aber gegenwärtig bildet ein großer Teil Utahs, dank dem riesigen Fleiße und der unermüdlichen Ausdauer der Mormonen, eine große Oase, die ringsum von öde» Steppen oder ausgedehnten, ihrer Unfruchtbarkeit wegen berüchtigten Regionen umgeben ist. Wo früher nichts als Wüste lag, stoßen wir jetzt auf eine große Auzahl von Gärten, Farmer, Feldern und Saaten, die, namentlich infolge eines unvergleichlichen Berieselungssystems, gute Ernten liefern. Besonders eignen sich ausgedehnte Flächen zum Anbau von Weizen, von Gemüsen aller Art, von den verschiedensten Obstsorten, wie Äpfel, Birnen, Pfirsiche, Aprikosen und Trauben.... Allgemein wird die schöne Lage der in Plan und Ausführung unwillkürlich an die künstlerischen Eingebungen eines ehe¬ maligen kleinen deutscheu Dynasten des vorige» Jahrhunderts erinnernden Salz¬ feestadt, ihr zuträgliches Klima und ihre herrliche Umgebung bewundert . . . . Vor einer große» Anzahl der niedlichen und äußerst sauber gehaltenen Hänser befindet sich ein kleiner, mit Obstbäumen und Sträuchern aller Art bepflanzter Raum. Von einer Anhöhe aus betrachtet gleicht daher die in ihrer Art einzige Stadt einem großen Garten, in welchem eine bedeutende Anzahl von Villen, kleinen Häusern und sonstigen Gebänden von mannichfachen architektonischen: Stil zerstreut umherliegen." Ähnliche Berichte über den Fleiß und die Geschicklichkeit in der Bodenknltnr bei den in dem ungeheuren Gebiete der Vereinigten Staate» verstreute» Sekten geben andre angesehene Berichterstatter. So sonderbar, so unchristlich, so ab¬ geschmackt viele Ansichten und Gebräuche dieser selten und so sehr sie von ein¬ ander verschieden sein mögen — daß sie sämmtlich die sorgfältigste, liebevollste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/21>, abgerufen am 25.08.2024.