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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Die Heilige Allianz,

Völkerfreiheit den Paladin des Absolutismus zu machen und so die ihm um sich
so höchst unsympathische Heilige Allianz in die wirksamste Waffe zur Unter¬
drückung jeder ihm unbequemen politischen Regung umzuwandeln wußte.

So durch und durch skeptisch und nüchtern Metternich um sich war, so hat
sich doch immer in ihm eine gewisse Erinnerung an die alte Weltstellung der
Habsburger, solange sie Trüger der römischen Kaiserkrone waren, lebendig er¬
halten, der alte österreichische Wahlspruch ^ustria," L8t, Iinpizrg,r6 Ordi UnivsrKa
sollte auch jetzt noch Geltung behalten; das von ihm geleitete Osterreich sollte,
wie Pozzo ti Borgo ihm grollend vorwarf, der Planet sein, um den die übrigen
Mächte als Satelliten kreisten. Nur befand sich Metternich nicht in der Lage
eines leitenden Staatsmannes, der, um seine politischen Pläne durchzuführen,
über die reichen Hilfsquellen eines großen Reiches verfügt; er mußte bei seinen
Kombinationen stets davon ausgehen, daß Österreich bei der gänzlichen und un¬
heilbaren Zerrüttung seiner Finanzen, bei dem Verfall seiner Heeresmacht und
bei dem Schlendrian seiner Verwaltung zu einer Gewnltaktion gegen eine eben¬
bürtige Macht nicht entfernt imstande sei. Wagte man doch aus Furcht, damit
nur die drohende Auflösung zu beschleunigen, nicht einmal an die Beseitigung
der abgelebtesten Zustände Hand anzulegen. "Mein Reich, gestand Kaiser Franz
in einem unbewachten Augenblicke dem russischen Gesandten, ist wie ein wurm¬
stichiges Hans; wenn man einen Teil davon abtrügt, kann mau nie voraus
wissen, wieviel nachstürzt." Auf die innere Regierung Österreichs, soweit man
überhaupt vou eiuer solchen reden kann, hat übrigens Metternich selbst in den
Tagen seiner größten Macht, solange Franz lebte, keinen Einfluß gehabt; dies
war die Domäne, die dieser sich ausschließlich selbst vorbehalten hatte. "Während
wir, erzählt Guizot in seinen Memoiren, nach der Katastrophe von 1848 zu¬
sammen in London waren, sagte ich eines Tages zum Fürsten Metternich: "Er¬
lauben Sie mir eine Frage; ich weiß, wie und warum die Februarrevolution
in Paris sich zugetragen hat, aber wie und warum sie sich in Wien zugetragen
hat, das weiß ich nicht und das möchte ich von Ihnen erfahren." Er ant¬
wortete mit einem Lächeln voll traurigen Stolzes: "Das kommt daher, daß
ich wohl Europa einigemal regiert habe, Österreich niemals.""

Durfte demnach Metternich die Stärke Österreichs nicht ans die Entwicklung
der eignen, natürlichen Kräfte gründen, so blieb ihm nur übrig, sie in dem Ein¬
flüsse auf das Ausland, vor allem auf die in der traditionellen Machtsphäre
der Habsburger liegenden Nachbarn, Dentschlnnd und Italien, zu suchen. Nur
wenn auch bei diese" das System der starren Unbeweglichkeit zur .Herrschaft
gelangte, war Osterreich von der einen Seite gegen gefahrdrohende Stöße ge¬
sichert, von der andern mir, solange Rußland unschädlich war. Metternichs
ganze Politik war darum nnr die einer doppelten Furcht, vor Rußland und vor
den liberalen Ideen. Zu der Dauerhaftigkeit dieses Zustandes hatten die Staats¬
männer der Wiener Hofburg selbst nur ein äußerst geringes Vertrauen, lind mir


Die Heilige Allianz,

Völkerfreiheit den Paladin des Absolutismus zu machen und so die ihm um sich
so höchst unsympathische Heilige Allianz in die wirksamste Waffe zur Unter¬
drückung jeder ihm unbequemen politischen Regung umzuwandeln wußte.

So durch und durch skeptisch und nüchtern Metternich um sich war, so hat
sich doch immer in ihm eine gewisse Erinnerung an die alte Weltstellung der
Habsburger, solange sie Trüger der römischen Kaiserkrone waren, lebendig er¬
halten, der alte österreichische Wahlspruch ^ustria,« L8t, Iinpizrg,r6 Ordi UnivsrKa
sollte auch jetzt noch Geltung behalten; das von ihm geleitete Osterreich sollte,
wie Pozzo ti Borgo ihm grollend vorwarf, der Planet sein, um den die übrigen
Mächte als Satelliten kreisten. Nur befand sich Metternich nicht in der Lage
eines leitenden Staatsmannes, der, um seine politischen Pläne durchzuführen,
über die reichen Hilfsquellen eines großen Reiches verfügt; er mußte bei seinen
Kombinationen stets davon ausgehen, daß Österreich bei der gänzlichen und un¬
heilbaren Zerrüttung seiner Finanzen, bei dem Verfall seiner Heeresmacht und
bei dem Schlendrian seiner Verwaltung zu einer Gewnltaktion gegen eine eben¬
bürtige Macht nicht entfernt imstande sei. Wagte man doch aus Furcht, damit
nur die drohende Auflösung zu beschleunigen, nicht einmal an die Beseitigung
der abgelebtesten Zustände Hand anzulegen. „Mein Reich, gestand Kaiser Franz
in einem unbewachten Augenblicke dem russischen Gesandten, ist wie ein wurm¬
stichiges Hans; wenn man einen Teil davon abtrügt, kann mau nie voraus
wissen, wieviel nachstürzt." Auf die innere Regierung Österreichs, soweit man
überhaupt vou eiuer solchen reden kann, hat übrigens Metternich selbst in den
Tagen seiner größten Macht, solange Franz lebte, keinen Einfluß gehabt; dies
war die Domäne, die dieser sich ausschließlich selbst vorbehalten hatte. „Während
wir, erzählt Guizot in seinen Memoiren, nach der Katastrophe von 1848 zu¬
sammen in London waren, sagte ich eines Tages zum Fürsten Metternich: »Er¬
lauben Sie mir eine Frage; ich weiß, wie und warum die Februarrevolution
in Paris sich zugetragen hat, aber wie und warum sie sich in Wien zugetragen
hat, das weiß ich nicht und das möchte ich von Ihnen erfahren.« Er ant¬
wortete mit einem Lächeln voll traurigen Stolzes: »Das kommt daher, daß
ich wohl Europa einigemal regiert habe, Österreich niemals.«"

Durfte demnach Metternich die Stärke Österreichs nicht ans die Entwicklung
der eignen, natürlichen Kräfte gründen, so blieb ihm nur übrig, sie in dem Ein¬
flüsse auf das Ausland, vor allem auf die in der traditionellen Machtsphäre
der Habsburger liegenden Nachbarn, Dentschlnnd und Italien, zu suchen. Nur
wenn auch bei diese» das System der starren Unbeweglichkeit zur .Herrschaft
gelangte, war Osterreich von der einen Seite gegen gefahrdrohende Stöße ge¬
sichert, von der andern mir, solange Rußland unschädlich war. Metternichs
ganze Politik war darum nnr die einer doppelten Furcht, vor Rußland und vor
den liberalen Ideen. Zu der Dauerhaftigkeit dieses Zustandes hatten die Staats¬
männer der Wiener Hofburg selbst nur ein äußerst geringes Vertrauen, lind mir


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[0207] Die Heilige Allianz, Völkerfreiheit den Paladin des Absolutismus zu machen und so die ihm um sich so höchst unsympathische Heilige Allianz in die wirksamste Waffe zur Unter¬ drückung jeder ihm unbequemen politischen Regung umzuwandeln wußte. So durch und durch skeptisch und nüchtern Metternich um sich war, so hat sich doch immer in ihm eine gewisse Erinnerung an die alte Weltstellung der Habsburger, solange sie Trüger der römischen Kaiserkrone waren, lebendig er¬ halten, der alte österreichische Wahlspruch ^ustria,« L8t, Iinpizrg,r6 Ordi UnivsrKa sollte auch jetzt noch Geltung behalten; das von ihm geleitete Osterreich sollte, wie Pozzo ti Borgo ihm grollend vorwarf, der Planet sein, um den die übrigen Mächte als Satelliten kreisten. Nur befand sich Metternich nicht in der Lage eines leitenden Staatsmannes, der, um seine politischen Pläne durchzuführen, über die reichen Hilfsquellen eines großen Reiches verfügt; er mußte bei seinen Kombinationen stets davon ausgehen, daß Österreich bei der gänzlichen und un¬ heilbaren Zerrüttung seiner Finanzen, bei dem Verfall seiner Heeresmacht und bei dem Schlendrian seiner Verwaltung zu einer Gewnltaktion gegen eine eben¬ bürtige Macht nicht entfernt imstande sei. Wagte man doch aus Furcht, damit nur die drohende Auflösung zu beschleunigen, nicht einmal an die Beseitigung der abgelebtesten Zustände Hand anzulegen. „Mein Reich, gestand Kaiser Franz in einem unbewachten Augenblicke dem russischen Gesandten, ist wie ein wurm¬ stichiges Hans; wenn man einen Teil davon abtrügt, kann mau nie voraus wissen, wieviel nachstürzt." Auf die innere Regierung Österreichs, soweit man überhaupt vou eiuer solchen reden kann, hat übrigens Metternich selbst in den Tagen seiner größten Macht, solange Franz lebte, keinen Einfluß gehabt; dies war die Domäne, die dieser sich ausschließlich selbst vorbehalten hatte. „Während wir, erzählt Guizot in seinen Memoiren, nach der Katastrophe von 1848 zu¬ sammen in London waren, sagte ich eines Tages zum Fürsten Metternich: »Er¬ lauben Sie mir eine Frage; ich weiß, wie und warum die Februarrevolution in Paris sich zugetragen hat, aber wie und warum sie sich in Wien zugetragen hat, das weiß ich nicht und das möchte ich von Ihnen erfahren.« Er ant¬ wortete mit einem Lächeln voll traurigen Stolzes: »Das kommt daher, daß ich wohl Europa einigemal regiert habe, Österreich niemals.«" Durfte demnach Metternich die Stärke Österreichs nicht ans die Entwicklung der eignen, natürlichen Kräfte gründen, so blieb ihm nur übrig, sie in dem Ein¬ flüsse auf das Ausland, vor allem auf die in der traditionellen Machtsphäre der Habsburger liegenden Nachbarn, Dentschlnnd und Italien, zu suchen. Nur wenn auch bei diese» das System der starren Unbeweglichkeit zur .Herrschaft gelangte, war Osterreich von der einen Seite gegen gefahrdrohende Stöße ge¬ sichert, von der andern mir, solange Rußland unschädlich war. Metternichs ganze Politik war darum nnr die einer doppelten Furcht, vor Rußland und vor den liberalen Ideen. Zu der Dauerhaftigkeit dieses Zustandes hatten die Staats¬ männer der Wiener Hofburg selbst nur ein äußerst geringes Vertrauen, lind mir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/207>, abgerufen am 03.07.2024.