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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Art, welche die französische Architektur unter den: nennen wil all dazuk kennt.
Daß diese Kuppeln ebenso wie die krönenden Lvuvredächer an den vier Ecken
des Gebäudes französischen Mustern nachgebildet sind -- die Kuppeln erinnern
an die der Pariser großen Oper --, kann unmöglich das Urteil der Preisrichter
beeinflußt haben. Nachdem auch die Gothik als eine französische Erfindung
nachgewiesen worden ist, besitzen wir überhaupt keinen nationalen Stil mehr.
Der Deutsche hat nur den Ruhm, dreimal einen Baustil zur höchste" Voll¬
kommenheit entwickelt zu haben, einmal den gothischen, im achtzehnten Jahrhundert
den Rocvcostil und in unserm Jahrhundert den der griechischen Renaissance.
Die mit barockem Elemente stark durchsetzte italienische Renaissance des Wallotschen
Entwurfes steht uns ebenso fremd wie die französirende von Kayser und v. Gro߬
heim. Die deutsche Renaissance war von vornherein ausgeschlossen, weil sie nicht
die Möglichkeit zu imposanten Raumbildungen gewährt.

Die Fa^abe, welche Kahser und v. Großheim für den Königsplatz kom-
ponirt haben, ist vou so außerordentlicher Schönheit und zugleich von so gro߬
artig monumentaler Wirkung, daß man nnr ein schmerzliches Bedauern darüber
empfinden kann, daß eine solche Prachtschöpfnng nicht ins Leben gerufen wird.
Auf dem als Sockel behandelten, durch rundbvgige Fenster geöffneten Ruftica-
erdgeschvß erhebt sich eine stolze, vornehme Reihe von dreißig korinthischen
Säulen, ans welchen Architrav, Gesims und eine mit Statuen besetzte Balustrade,
welche den Abschluß des Gebäudes bildet, ruhen. Zwischen den Säulen sind
geradlinig abgeschlossene Fenster und darüber als Lichtöffnungen für den Dach-
ftvck wieder eine Reihe von "Ochsenaugen" eingeordnet. Mittel- und Eckrisalite
sind noch besonders dnrch drei Tempelfrontons mit statnengekrönten Giebeln
ausgezeichnet. Die Sockel der Risalite sind mit Bronzereliefs geschmückt, welche
mit denen am Unterban der Siegessäule harmoniren. Eine unvergleichliche
Kunst zeichnerischer und malerischer Darstellung tritt hinzu, um diesen Entwurf
zu einem glänzenden, nicht in schlechtem Sinne blendenden zu macheu. Die all-
genreine Stimme hat sich denn auch für die edlen monumentalen Formen dieses
Entwurfes entschieden.

Du' zweiten und dritten Preise, sowie die angekauften Entwürfe sollen
Wnllot bei der Umarbeitung seines Projektes zur Verfügung gestellt werdeu.
Nach erfolgter Umarbeitung ist daun die Geiu'hinignng des Reichstages einzu¬
holen, ehe an die Bauausführung geschritten werden darf. Es ist nicht zu be¬
zweifeln, daß das Plenum den Beschluß seiner Jury sanktioniren Und daß dann
der Bau bei der lebhaften Bedürfnisfrage möglichst beschleunigt werdeu wird.
Wer wollte aber bei der Hinfälligkeit aller menschlichen Dinge mit Sicherheit
voraussagen, daß das Gebäude des deutscheu Reichstages dereinst den Namen
Paul Wallvt tragen wird? Mnu erzählt sich, daß einflußreiche, hohe Personen,
welche mit dem Urteil der Jury nicht einverstanden sind, sich gegen die Aus-
führung des Wallotscheu Entwurfes ausgesprochen haben. Soviel scheint fest¬
zustehen, daß mit dein Urteil der Jury noch nicht das letzte Wort in dieser
Angelegenheit gesprochen worden ist.


Adolf Rosenberg.


Art, welche die französische Architektur unter den: nennen wil all dazuk kennt.
Daß diese Kuppeln ebenso wie die krönenden Lvuvredächer an den vier Ecken
des Gebäudes französischen Mustern nachgebildet sind — die Kuppeln erinnern
an die der Pariser großen Oper —, kann unmöglich das Urteil der Preisrichter
beeinflußt haben. Nachdem auch die Gothik als eine französische Erfindung
nachgewiesen worden ist, besitzen wir überhaupt keinen nationalen Stil mehr.
Der Deutsche hat nur den Ruhm, dreimal einen Baustil zur höchste» Voll¬
kommenheit entwickelt zu haben, einmal den gothischen, im achtzehnten Jahrhundert
den Rocvcostil und in unserm Jahrhundert den der griechischen Renaissance.
Die mit barockem Elemente stark durchsetzte italienische Renaissance des Wallotschen
Entwurfes steht uns ebenso fremd wie die französirende von Kayser und v. Gro߬
heim. Die deutsche Renaissance war von vornherein ausgeschlossen, weil sie nicht
die Möglichkeit zu imposanten Raumbildungen gewährt.

Die Fa^abe, welche Kahser und v. Großheim für den Königsplatz kom-
ponirt haben, ist vou so außerordentlicher Schönheit und zugleich von so gro߬
artig monumentaler Wirkung, daß man nnr ein schmerzliches Bedauern darüber
empfinden kann, daß eine solche Prachtschöpfnng nicht ins Leben gerufen wird.
Auf dem als Sockel behandelten, durch rundbvgige Fenster geöffneten Ruftica-
erdgeschvß erhebt sich eine stolze, vornehme Reihe von dreißig korinthischen
Säulen, ans welchen Architrav, Gesims und eine mit Statuen besetzte Balustrade,
welche den Abschluß des Gebäudes bildet, ruhen. Zwischen den Säulen sind
geradlinig abgeschlossene Fenster und darüber als Lichtöffnungen für den Dach-
ftvck wieder eine Reihe von „Ochsenaugen" eingeordnet. Mittel- und Eckrisalite
sind noch besonders dnrch drei Tempelfrontons mit statnengekrönten Giebeln
ausgezeichnet. Die Sockel der Risalite sind mit Bronzereliefs geschmückt, welche
mit denen am Unterban der Siegessäule harmoniren. Eine unvergleichliche
Kunst zeichnerischer und malerischer Darstellung tritt hinzu, um diesen Entwurf
zu einem glänzenden, nicht in schlechtem Sinne blendenden zu macheu. Die all-
genreine Stimme hat sich denn auch für die edlen monumentalen Formen dieses
Entwurfes entschieden.

Du' zweiten und dritten Preise, sowie die angekauften Entwürfe sollen
Wnllot bei der Umarbeitung seines Projektes zur Verfügung gestellt werdeu.
Nach erfolgter Umarbeitung ist daun die Geiu'hinignng des Reichstages einzu¬
holen, ehe an die Bauausführung geschritten werden darf. Es ist nicht zu be¬
zweifeln, daß das Plenum den Beschluß seiner Jury sanktioniren Und daß dann
der Bau bei der lebhaften Bedürfnisfrage möglichst beschleunigt werdeu wird.
Wer wollte aber bei der Hinfälligkeit aller menschlichen Dinge mit Sicherheit
voraussagen, daß das Gebäude des deutscheu Reichstages dereinst den Namen
Paul Wallvt tragen wird? Mnu erzählt sich, daß einflußreiche, hohe Personen,
welche mit dem Urteil der Jury nicht einverstanden sind, sich gegen die Aus-
führung des Wallotscheu Entwurfes ausgesprochen haben. Soviel scheint fest¬
zustehen, daß mit dein Urteil der Jury noch nicht das letzte Wort in dieser
Angelegenheit gesprochen worden ist.


Adolf Rosenberg.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/191>, abgerufen am 01.07.2024.