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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Vie Konkurrenz um das Reichstagsgebäude.

Entwurf betrifft, nicht übereinstimmt. Wir haben zugleich den Vorzug, daß der
überwiegend größere Teil der Tagespresse ebenfalls von dem Urteil der Jury
disfentirt.

Zunächst wollen wir einige allgemeine Bemerkungen Vorallsschicken. Es
ist nicht zu verkennen, daß der Bvhnstedtsche Entwurf, welcher als Sieger aus
der ersten Konkurrenz hervorgegangen ist, einen großen Einfluß auf die Ge¬
staltung der meisten Pläne ausgeübt hat, weil die konkurrirenden Architekten
von der (übrigens irrigen) Vorallssetzung ausgegangen sind, daß jener Entwurf
der idealen Lösung am nächsten gekommen sei, während seine Auszeichnung mit
dem ersten Preise in Wirklichkeit nur die Folge eines Kompromisses zwischen
Parteien gewesen ist, die sich mit ihren ersten Voden schroff gegen über standen.
Und selbst wenn die damalige Jury mit ihrem Urteil die Überzeugung hat aus-
sprechen wollen, daß der Bohnstedtsche Entwurf das ParlnmeutshauS pu- ex-
"ellkne" sei, so ist die neue Jury entgegengesetzter Ansicht gewesen, und hat dadurch
wider ihren Willen den Wert solcher Jnryentscheiduilgeu in ein eigentümliches
Licht gesetzt. Während der Bohnstedtsche Entwurf deu Hauptaeeent auf eine
Entwicklung nach der Breite und ein Prachtthor nach dem Königsplatze zu legt,
siud bei der gegenwärtigen Konkurrenz diejenigen bevorzugt worden, deren Ent¬
würfe sich durch eine entschiedene Höhentendcnz auszeichnen. Über die Kuppel
des Entwurfes von Thiersch, welche sich bis zu einer Höhe von achtzig Metern
erhebt, haben wir schon gesprochen. Auch Wallot hat gegen die gewaltigen
Dimensionen des Königsplatzes dnrch ein System von fünf viereckigen Ausländer
anzukämpfen versucht, welche sich derartig verteilen, daß der mittlere größte
sich über dem Sitznngssaalc in der Mittelaxe erhebt, aber so, daß er der Svminer-
straße näher liegt als dem Königsplntze, wahrend die andern vier die Ecken
des Gebäudes krönen. Durch diese Verschiebung des Kuppelanfbanes ans dem
Zentrum wird der Übelstand hervorgerufen, daß der vom Brnndeuburger Thor
kommende von der Rückseite des Gebäudes eine imposante Ansicht erhält, die
sich müßige, sobald er vor der Hanptfa^abe am Köuigsplatz angekommen ist.
Deal daß diese unter alle" Umständen als die Hauptfront angesehen werden
muß, ist außer allem Zweifel, wenn auch eine Programmbestimiuilng den Haupt-
eingang an der Seite nach dem Brandenburger Thor zu - aus praktische"
Gründen -- verlangt hat. Einige, wie z. B. Kayser und v. Großheim
haben diese Bestimmung dahin interpretirt, daß sie ans einen Eingang vom
Königsplatze ans verzichtete". Andre haben sich dnrch diese Prvgrammbe
Stimmung nicht nur nicht beirren lassen, sondern wie z. B. Cremer "ut
Wolffensteiu den Eingang vom .Wnigsplatz ans durch eine doppelarmige
Freitreppe und durch das Reiterstandbild des Kaisers vor derselbe" ausgezeichnet,
während andre eine reiche und stolze Portalanlage gewählt haben. Zu den
letzteren gehören auch Busse und Schwechteu, die freilich insofern einen Miß
griff gethan habe", als sie eine Vorhalle mit Loggia lind Giebelaufbau dar-


Greuzboteu III 1882. 2^!
Vie Konkurrenz um das Reichstagsgebäude.

Entwurf betrifft, nicht übereinstimmt. Wir haben zugleich den Vorzug, daß der
überwiegend größere Teil der Tagespresse ebenfalls von dem Urteil der Jury
disfentirt.

Zunächst wollen wir einige allgemeine Bemerkungen Vorallsschicken. Es
ist nicht zu verkennen, daß der Bvhnstedtsche Entwurf, welcher als Sieger aus
der ersten Konkurrenz hervorgegangen ist, einen großen Einfluß auf die Ge¬
staltung der meisten Pläne ausgeübt hat, weil die konkurrirenden Architekten
von der (übrigens irrigen) Vorallssetzung ausgegangen sind, daß jener Entwurf
der idealen Lösung am nächsten gekommen sei, während seine Auszeichnung mit
dem ersten Preise in Wirklichkeit nur die Folge eines Kompromisses zwischen
Parteien gewesen ist, die sich mit ihren ersten Voden schroff gegen über standen.
Und selbst wenn die damalige Jury mit ihrem Urteil die Überzeugung hat aus-
sprechen wollen, daß der Bohnstedtsche Entwurf das ParlnmeutshauS pu- ex-
«ellkne« sei, so ist die neue Jury entgegengesetzter Ansicht gewesen, und hat dadurch
wider ihren Willen den Wert solcher Jnryentscheiduilgeu in ein eigentümliches
Licht gesetzt. Während der Bohnstedtsche Entwurf deu Hauptaeeent auf eine
Entwicklung nach der Breite und ein Prachtthor nach dem Königsplatze zu legt,
siud bei der gegenwärtigen Konkurrenz diejenigen bevorzugt worden, deren Ent¬
würfe sich durch eine entschiedene Höhentendcnz auszeichnen. Über die Kuppel
des Entwurfes von Thiersch, welche sich bis zu einer Höhe von achtzig Metern
erhebt, haben wir schon gesprochen. Auch Wallot hat gegen die gewaltigen
Dimensionen des Königsplatzes dnrch ein System von fünf viereckigen Ausländer
anzukämpfen versucht, welche sich derartig verteilen, daß der mittlere größte
sich über dem Sitznngssaalc in der Mittelaxe erhebt, aber so, daß er der Svminer-
straße näher liegt als dem Königsplntze, wahrend die andern vier die Ecken
des Gebäudes krönen. Durch diese Verschiebung des Kuppelanfbanes ans dem
Zentrum wird der Übelstand hervorgerufen, daß der vom Brnndeuburger Thor
kommende von der Rückseite des Gebäudes eine imposante Ansicht erhält, die
sich müßige, sobald er vor der Hanptfa^abe am Köuigsplatz angekommen ist.
Deal daß diese unter alle» Umständen als die Hauptfront angesehen werden
muß, ist außer allem Zweifel, wenn auch eine Programmbestimiuilng den Haupt-
eingang an der Seite nach dem Brandenburger Thor zu - aus praktische»
Gründen — verlangt hat. Einige, wie z. B. Kayser und v. Großheim
haben diese Bestimmung dahin interpretirt, daß sie ans einen Eingang vom
Königsplatze ans verzichtete». Andre haben sich dnrch diese Prvgrammbe
Stimmung nicht nur nicht beirren lassen, sondern wie z. B. Cremer »ut
Wolffensteiu den Eingang vom .Wnigsplatz ans durch eine doppelarmige
Freitreppe und durch das Reiterstandbild des Kaisers vor derselbe» ausgezeichnet,
während andre eine reiche und stolze Portalanlage gewählt haben. Zu den
letzteren gehören auch Busse und Schwechteu, die freilich insofern einen Miß
griff gethan habe», als sie eine Vorhalle mit Loggia lind Giebelaufbau dar-


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[0185] Vie Konkurrenz um das Reichstagsgebäude. Entwurf betrifft, nicht übereinstimmt. Wir haben zugleich den Vorzug, daß der überwiegend größere Teil der Tagespresse ebenfalls von dem Urteil der Jury disfentirt. Zunächst wollen wir einige allgemeine Bemerkungen Vorallsschicken. Es ist nicht zu verkennen, daß der Bvhnstedtsche Entwurf, welcher als Sieger aus der ersten Konkurrenz hervorgegangen ist, einen großen Einfluß auf die Ge¬ staltung der meisten Pläne ausgeübt hat, weil die konkurrirenden Architekten von der (übrigens irrigen) Vorallssetzung ausgegangen sind, daß jener Entwurf der idealen Lösung am nächsten gekommen sei, während seine Auszeichnung mit dem ersten Preise in Wirklichkeit nur die Folge eines Kompromisses zwischen Parteien gewesen ist, die sich mit ihren ersten Voden schroff gegen über standen. Und selbst wenn die damalige Jury mit ihrem Urteil die Überzeugung hat aus- sprechen wollen, daß der Bohnstedtsche Entwurf das ParlnmeutshauS pu- ex- «ellkne« sei, so ist die neue Jury entgegengesetzter Ansicht gewesen, und hat dadurch wider ihren Willen den Wert solcher Jnryentscheiduilgeu in ein eigentümliches Licht gesetzt. Während der Bohnstedtsche Entwurf deu Hauptaeeent auf eine Entwicklung nach der Breite und ein Prachtthor nach dem Königsplatze zu legt, siud bei der gegenwärtigen Konkurrenz diejenigen bevorzugt worden, deren Ent¬ würfe sich durch eine entschiedene Höhentendcnz auszeichnen. Über die Kuppel des Entwurfes von Thiersch, welche sich bis zu einer Höhe von achtzig Metern erhebt, haben wir schon gesprochen. Auch Wallot hat gegen die gewaltigen Dimensionen des Königsplatzes dnrch ein System von fünf viereckigen Ausländer anzukämpfen versucht, welche sich derartig verteilen, daß der mittlere größte sich über dem Sitznngssaalc in der Mittelaxe erhebt, aber so, daß er der Svminer- straße näher liegt als dem Königsplntze, wahrend die andern vier die Ecken des Gebäudes krönen. Durch diese Verschiebung des Kuppelanfbanes ans dem Zentrum wird der Übelstand hervorgerufen, daß der vom Brnndeuburger Thor kommende von der Rückseite des Gebäudes eine imposante Ansicht erhält, die sich müßige, sobald er vor der Hanptfa^abe am Köuigsplatz angekommen ist. Deal daß diese unter alle» Umständen als die Hauptfront angesehen werden muß, ist außer allem Zweifel, wenn auch eine Programmbestimiuilng den Haupt- eingang an der Seite nach dem Brandenburger Thor zu - aus praktische» Gründen — verlangt hat. Einige, wie z. B. Kayser und v. Großheim haben diese Bestimmung dahin interpretirt, daß sie ans einen Eingang vom Königsplatze ans verzichtete». Andre haben sich dnrch diese Prvgrammbe Stimmung nicht nur nicht beirren lassen, sondern wie z. B. Cremer »ut Wolffensteiu den Eingang vom .Wnigsplatz ans durch eine doppelarmige Freitreppe und durch das Reiterstandbild des Kaisers vor derselbe» ausgezeichnet, während andre eine reiche und stolze Portalanlage gewählt haben. Zu den letzteren gehören auch Busse und Schwechteu, die freilich insofern einen Miß griff gethan habe», als sie eine Vorhalle mit Loggia lind Giebelaufbau dar- Greuzboteu III 1882. 2^!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/185>, abgerufen am 22.07.2024.