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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

Er nahm einen ruhigen, freundlichen Abschied von ihr wie von der jungen
Schauspielerin und ließ beide Mädchen in zwar verschiedenen, aber doch für beide
tief schmerzlichen Gefühlen zurück.

Überrascht las sein Freund Adolf Schaible das kurze Lebewohl, welches
Ephraim ihm gesandt. Er rückte an seinen: Cereviskäppchen, trank an diesem
Abend einige Seidel mehr als sonst und dachte bei sich: Wie das Kerlchen doch
vom Teufel geritten wird!




Achtzehntes Aapitel.
Im Hafen.

Drum kann die Seligkeit auf Erden nicht vcstehn.
Weil hier die Seligen so viel Amsel'ge sehn.
Und der Gedanke nur giebt Seligkeit auf Erden,
Daß die Unseligen auch sollen selig werden.
Wer dieses weiß, der trägt mit Eifer bei sei" Teil
Zum allgemeinen wie zum eignen Seelenheil.
Gott aber weiß den Weg zu aller Heil allein;
Drum ist nur selig Gott, in ihm nur kannst du's sein.

In seiner Eltern Halts kehrte Ephraim als ein müder Wandrer zurück.
sein Gesicht war bleich, fieberhaft rollte ihm das Blut in den Adern, und
krankhaft glänzten seine dunkeln Augen, als er seine Mutter und seinen Vater
nach langer Trennung umarmte. Sein Anblick erfüllte ihre Herzen, die voll
Kummer waren über das Verschwinden des Ältesten, mit neuer Sorge und Auf¬
regung. Ganz aufrichtig erzählte er dem Vater zu einsamer Stunde in dessen
stillem Stildirzimlner seine Erlebnisse in Heidelberg, Dinare et Sapere vix c1<Z0
vonvkäitur, sagte er mit schwermütigen Lächeln, als der alte Gelehrte ihn mit
tiefem Mitleid betrachtete. Am zweiten Tage nach seiner Ankunft erhob er sich
nicht mehr von seinem Lager. Es fehlten ihm die Kräfte, tiefe Ermattung schlich
lähmend durch seine Glieder, und sein Blick hatte einen gleichsam überirdischen
Schimmer, der an ein Licht gemahnte, welches nicht mehr im Diesseits strahlt.
Doch es sprach eine rührende Ergebung aus den blassen Zügen, und freundlich
nickte er dem Arzte zu, der, von den besorgten Eltern gerufen, mit bedenklichem
Gesicht an seinem Bette stand.

Es wird wohl kein Mittel geben, lieber Doktor, sagte er, das dem Leibe
eine Kraft einflöße" konnte, die nicht aus dem eignen Leben quillt. Er fühlte,
daß es mit ihm zu Ende gehe, daß jene Nacht mit ihrem Thau und kalten
Wind seine von Aufregung gehetzte, zarte Konstitution überwältigt und daß
ihr scharfer Hauch die flackernde Flamme seines Lebenslichtes dem Erlöschen
nahe gebracht habe.


Bakchen und Thyrsosträger.

Er nahm einen ruhigen, freundlichen Abschied von ihr wie von der jungen
Schauspielerin und ließ beide Mädchen in zwar verschiedenen, aber doch für beide
tief schmerzlichen Gefühlen zurück.

Überrascht las sein Freund Adolf Schaible das kurze Lebewohl, welches
Ephraim ihm gesandt. Er rückte an seinen: Cereviskäppchen, trank an diesem
Abend einige Seidel mehr als sonst und dachte bei sich: Wie das Kerlchen doch
vom Teufel geritten wird!




Achtzehntes Aapitel.
Im Hafen.

Drum kann die Seligkeit auf Erden nicht vcstehn.
Weil hier die Seligen so viel Amsel'ge sehn.
Und der Gedanke nur giebt Seligkeit auf Erden,
Daß die Unseligen auch sollen selig werden.
Wer dieses weiß, der trägt mit Eifer bei sei» Teil
Zum allgemeinen wie zum eignen Seelenheil.
Gott aber weiß den Weg zu aller Heil allein;
Drum ist nur selig Gott, in ihm nur kannst du's sein.

In seiner Eltern Halts kehrte Ephraim als ein müder Wandrer zurück.
sein Gesicht war bleich, fieberhaft rollte ihm das Blut in den Adern, und
krankhaft glänzten seine dunkeln Augen, als er seine Mutter und seinen Vater
nach langer Trennung umarmte. Sein Anblick erfüllte ihre Herzen, die voll
Kummer waren über das Verschwinden des Ältesten, mit neuer Sorge und Auf¬
regung. Ganz aufrichtig erzählte er dem Vater zu einsamer Stunde in dessen
stillem Stildirzimlner seine Erlebnisse in Heidelberg, Dinare et Sapere vix c1<Z0
vonvkäitur, sagte er mit schwermütigen Lächeln, als der alte Gelehrte ihn mit
tiefem Mitleid betrachtete. Am zweiten Tage nach seiner Ankunft erhob er sich
nicht mehr von seinem Lager. Es fehlten ihm die Kräfte, tiefe Ermattung schlich
lähmend durch seine Glieder, und sein Blick hatte einen gleichsam überirdischen
Schimmer, der an ein Licht gemahnte, welches nicht mehr im Diesseits strahlt.
Doch es sprach eine rührende Ergebung aus den blassen Zügen, und freundlich
nickte er dem Arzte zu, der, von den besorgten Eltern gerufen, mit bedenklichem
Gesicht an seinem Bette stand.

Es wird wohl kein Mittel geben, lieber Doktor, sagte er, das dem Leibe
eine Kraft einflöße» konnte, die nicht aus dem eignen Leben quillt. Er fühlte,
daß es mit ihm zu Ende gehe, daß jene Nacht mit ihrem Thau und kalten
Wind seine von Aufregung gehetzte, zarte Konstitution überwältigt und daß
ihr scharfer Hauch die flackernde Flamme seines Lebenslichtes dem Erlöschen
nahe gebracht habe.


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[0144] Bakchen und Thyrsosträger. Er nahm einen ruhigen, freundlichen Abschied von ihr wie von der jungen Schauspielerin und ließ beide Mädchen in zwar verschiedenen, aber doch für beide tief schmerzlichen Gefühlen zurück. Überrascht las sein Freund Adolf Schaible das kurze Lebewohl, welches Ephraim ihm gesandt. Er rückte an seinen: Cereviskäppchen, trank an diesem Abend einige Seidel mehr als sonst und dachte bei sich: Wie das Kerlchen doch vom Teufel geritten wird! Achtzehntes Aapitel. Im Hafen. Drum kann die Seligkeit auf Erden nicht vcstehn. Weil hier die Seligen so viel Amsel'ge sehn. Und der Gedanke nur giebt Seligkeit auf Erden, Daß die Unseligen auch sollen selig werden. Wer dieses weiß, der trägt mit Eifer bei sei» Teil Zum allgemeinen wie zum eignen Seelenheil. Gott aber weiß den Weg zu aller Heil allein; Drum ist nur selig Gott, in ihm nur kannst du's sein. In seiner Eltern Halts kehrte Ephraim als ein müder Wandrer zurück. sein Gesicht war bleich, fieberhaft rollte ihm das Blut in den Adern, und krankhaft glänzten seine dunkeln Augen, als er seine Mutter und seinen Vater nach langer Trennung umarmte. Sein Anblick erfüllte ihre Herzen, die voll Kummer waren über das Verschwinden des Ältesten, mit neuer Sorge und Auf¬ regung. Ganz aufrichtig erzählte er dem Vater zu einsamer Stunde in dessen stillem Stildirzimlner seine Erlebnisse in Heidelberg, Dinare et Sapere vix c1<Z0 vonvkäitur, sagte er mit schwermütigen Lächeln, als der alte Gelehrte ihn mit tiefem Mitleid betrachtete. Am zweiten Tage nach seiner Ankunft erhob er sich nicht mehr von seinem Lager. Es fehlten ihm die Kräfte, tiefe Ermattung schlich lähmend durch seine Glieder, und sein Blick hatte einen gleichsam überirdischen Schimmer, der an ein Licht gemahnte, welches nicht mehr im Diesseits strahlt. Doch es sprach eine rührende Ergebung aus den blassen Zügen, und freundlich nickte er dem Arzte zu, der, von den besorgten Eltern gerufen, mit bedenklichem Gesicht an seinem Bette stand. Es wird wohl kein Mittel geben, lieber Doktor, sagte er, das dem Leibe eine Kraft einflöße» konnte, die nicht aus dem eignen Leben quillt. Er fühlte, daß es mit ihm zu Ende gehe, daß jene Nacht mit ihrem Thau und kalten Wind seine von Aufregung gehetzte, zarte Konstitution überwältigt und daß ihr scharfer Hauch die flackernde Flamme seines Lebenslichtes dem Erlöschen nahe gebracht habe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/144>, abgerufen am 22.07.2024.