Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Ägypten und die heutigen Ägypter.

stände ist und auch jetzt nicht gleich zahlen will, wird mit dem Kurbadsch be¬
handelt. Dieses Instrument spielt, obwohl gesetzlich abgeschafft, in solchen Zeiten
bis in die Nacht hinein, und das .Korn, das der Bauer jetzt verkaufen mich,
um seine Steuerpflicht zu erfüllen, sinkt zum Besten der Getreidewucherer für
einige Tage bedeutend im Preise. . . Auch die Beamten haben an den Stants-
laste" reichlich mitzutragen. Ihre Besoldung ist in den niedern Grade" äußerst
gering und steht in gar keinem Verhältnisse zu dem seit zwanzig Jahren außer¬
ordentlich gestiegenen Preise der Lebensmittel, der Ägypten zu den teuersten
Ländern der Erde macht. . . Ein Spitnldiener z. B. bekommt monatlich 100,.
ein gewöhnlicher Schreiber 200 bis 400, ein Arzt, ein Architekt niedern Grades
500 Piaster; dann aber geht es rasch hinauf, sodaß ein Mudir 4 bis 5000,
ein Pascha 7500 bis 10 000 Piaster monatlich bezieht. . . Neuerdings ist zu
demi oben angeführten Abgaben noch eine Kopfsteuer getreten, welche auch von
den Beamten entrichtet wird, indem man ihnen von jedem Monatsgehalte den
Betrag eines Tages abzieht. Die Kupfersteuer, die früher in der Weise erhoben
wurde, daß man ihnen ein Zehntel ihrer Gage in fast wertlosen Kupfergelde
aushändigte, statt in Silber, ist seit einiger Zeit beseitigt. Bisweilen wird auch
der Versuch gemacht, die Zahl der Beamten zu verringern, und die entbehrlich
erscheinenden werden dann einfach mit Anwartschaft ans die nächste erledigte
Stelle entlassen. Nur die Türken erhalten in solchen Fällen oft durch Zu¬
weisung von Ländereien eine Entschädigung. Diese Maßregeln sind übrigens
mehr unpolitisch als grausam; denn der Beamte hat sich in der Zeit seiner
Amtsthätigkeit schon darauf vorgesehen; gilt es doch als eine allgemeine Regel,
daß die Besoldung zur Gründung eines Sparsonds da sei, während die laufenden
Bedürfnisse "von außen" zu bestreiten seien."

Über die Frohndienste, die neben den Steuern auf den Fellahin und einem
Teile der südlichen Beduinen lasten, bemerkt unser Gewährsmann, nachdem er
gesagt, sie seien zwar feierlich abgeschafft, blühten aber in der Praxis fort: "Die
Dienste der Frohne Leistenden werden freilich von oben herab bezahlt, für Trans¬
port durch die Wüste z. V. bekommt der Kameeltreiber die laufenden Mittelpreise;
die Bauern aber, die von Zeit zu Zeit in Masse zu öffentlichen Bauten auf¬
geboten und fortgeschleppt werden, behaupten, sie bekämen nichts oder nur wenig
vou der Bezahlung, die durch die Hände der Beamten und Dorfvvrstehcr
geht."

In Betreff der ägyptischen Armee entnehmen wir den "Politischen Gesell¬
schaftsblättern" (Heft vom 8. Juni) einige Notizen, die wir mit ein paar Zu¬
sätzen aus anderer Quelle begleiten. Nachdem Ägypten unter Mehemed Ali ein
sehr starkes Heer besessen hatte, ließen die beiden nachfolgenden Vizekönige die
militärischen Einrichtungen verfallen, so daß man 1863 kaum zehntausend Manu
aufstellen konnte. Unter Ismail Pascha wurde es wieder besser, und jetzt besitzt
Ägypten um regulären Truppen 16 Regimenter Linieninfanterie zu 4 Bataillone",


Ägypten und die heutigen Ägypter.

stände ist und auch jetzt nicht gleich zahlen will, wird mit dem Kurbadsch be¬
handelt. Dieses Instrument spielt, obwohl gesetzlich abgeschafft, in solchen Zeiten
bis in die Nacht hinein, und das .Korn, das der Bauer jetzt verkaufen mich,
um seine Steuerpflicht zu erfüllen, sinkt zum Besten der Getreidewucherer für
einige Tage bedeutend im Preise. . . Auch die Beamten haben an den Stants-
laste» reichlich mitzutragen. Ihre Besoldung ist in den niedern Grade» äußerst
gering und steht in gar keinem Verhältnisse zu dem seit zwanzig Jahren außer¬
ordentlich gestiegenen Preise der Lebensmittel, der Ägypten zu den teuersten
Ländern der Erde macht. . . Ein Spitnldiener z. B. bekommt monatlich 100,.
ein gewöhnlicher Schreiber 200 bis 400, ein Arzt, ein Architekt niedern Grades
500 Piaster; dann aber geht es rasch hinauf, sodaß ein Mudir 4 bis 5000,
ein Pascha 7500 bis 10 000 Piaster monatlich bezieht. . . Neuerdings ist zu
demi oben angeführten Abgaben noch eine Kopfsteuer getreten, welche auch von
den Beamten entrichtet wird, indem man ihnen von jedem Monatsgehalte den
Betrag eines Tages abzieht. Die Kupfersteuer, die früher in der Weise erhoben
wurde, daß man ihnen ein Zehntel ihrer Gage in fast wertlosen Kupfergelde
aushändigte, statt in Silber, ist seit einiger Zeit beseitigt. Bisweilen wird auch
der Versuch gemacht, die Zahl der Beamten zu verringern, und die entbehrlich
erscheinenden werden dann einfach mit Anwartschaft ans die nächste erledigte
Stelle entlassen. Nur die Türken erhalten in solchen Fällen oft durch Zu¬
weisung von Ländereien eine Entschädigung. Diese Maßregeln sind übrigens
mehr unpolitisch als grausam; denn der Beamte hat sich in der Zeit seiner
Amtsthätigkeit schon darauf vorgesehen; gilt es doch als eine allgemeine Regel,
daß die Besoldung zur Gründung eines Sparsonds da sei, während die laufenden
Bedürfnisse »von außen« zu bestreiten seien."

Über die Frohndienste, die neben den Steuern auf den Fellahin und einem
Teile der südlichen Beduinen lasten, bemerkt unser Gewährsmann, nachdem er
gesagt, sie seien zwar feierlich abgeschafft, blühten aber in der Praxis fort: „Die
Dienste der Frohne Leistenden werden freilich von oben herab bezahlt, für Trans¬
port durch die Wüste z. V. bekommt der Kameeltreiber die laufenden Mittelpreise;
die Bauern aber, die von Zeit zu Zeit in Masse zu öffentlichen Bauten auf¬
geboten und fortgeschleppt werden, behaupten, sie bekämen nichts oder nur wenig
vou der Bezahlung, die durch die Hände der Beamten und Dorfvvrstehcr
geht."

In Betreff der ägyptischen Armee entnehmen wir den „Politischen Gesell¬
schaftsblättern" (Heft vom 8. Juni) einige Notizen, die wir mit ein paar Zu¬
sätzen aus anderer Quelle begleiten. Nachdem Ägypten unter Mehemed Ali ein
sehr starkes Heer besessen hatte, ließen die beiden nachfolgenden Vizekönige die
militärischen Einrichtungen verfallen, so daß man 1863 kaum zehntausend Manu
aufstellen konnte. Unter Ismail Pascha wurde es wieder besser, und jetzt besitzt
Ägypten um regulären Truppen 16 Regimenter Linieninfanterie zu 4 Bataillone»,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193457"/>
          <fw type="header" place="top"> Ägypten und die heutigen Ägypter.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_371" prev="#ID_370"> stände ist und auch jetzt nicht gleich zahlen will, wird mit dem Kurbadsch be¬<lb/>
handelt. Dieses Instrument spielt, obwohl gesetzlich abgeschafft, in solchen Zeiten<lb/>
bis in die Nacht hinein, und das .Korn, das der Bauer jetzt verkaufen mich,<lb/>
um seine Steuerpflicht zu erfüllen, sinkt zum Besten der Getreidewucherer für<lb/>
einige Tage bedeutend im Preise. . . Auch die Beamten haben an den Stants-<lb/>
laste» reichlich mitzutragen. Ihre Besoldung ist in den niedern Grade» äußerst<lb/>
gering und steht in gar keinem Verhältnisse zu dem seit zwanzig Jahren außer¬<lb/>
ordentlich gestiegenen Preise der Lebensmittel, der Ägypten zu den teuersten<lb/>
Ländern der Erde macht. . . Ein Spitnldiener z. B. bekommt monatlich 100,.<lb/>
ein gewöhnlicher Schreiber 200 bis 400, ein Arzt, ein Architekt niedern Grades<lb/>
500 Piaster; dann aber geht es rasch hinauf, sodaß ein Mudir 4 bis 5000,<lb/>
ein Pascha 7500 bis 10 000 Piaster monatlich bezieht. . . Neuerdings ist zu<lb/>
demi oben angeführten Abgaben noch eine Kopfsteuer getreten, welche auch von<lb/>
den Beamten entrichtet wird, indem man ihnen von jedem Monatsgehalte den<lb/>
Betrag eines Tages abzieht. Die Kupfersteuer, die früher in der Weise erhoben<lb/>
wurde, daß man ihnen ein Zehntel ihrer Gage in fast wertlosen Kupfergelde<lb/>
aushändigte, statt in Silber, ist seit einiger Zeit beseitigt. Bisweilen wird auch<lb/>
der Versuch gemacht, die Zahl der Beamten zu verringern, und die entbehrlich<lb/>
erscheinenden werden dann einfach mit Anwartschaft ans die nächste erledigte<lb/>
Stelle entlassen.  Nur die Türken erhalten in solchen Fällen oft durch Zu¬<lb/>
weisung von Ländereien eine Entschädigung.  Diese Maßregeln sind übrigens<lb/>
mehr unpolitisch als grausam; denn der Beamte hat sich in der Zeit seiner<lb/>
Amtsthätigkeit schon darauf vorgesehen; gilt es doch als eine allgemeine Regel,<lb/>
daß die Besoldung zur Gründung eines Sparsonds da sei, während die laufenden<lb/>
Bedürfnisse »von außen« zu bestreiten seien."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_372"> Über die Frohndienste, die neben den Steuern auf den Fellahin und einem<lb/>
Teile der südlichen Beduinen lasten, bemerkt unser Gewährsmann, nachdem er<lb/>
gesagt, sie seien zwar feierlich abgeschafft, blühten aber in der Praxis fort: &#x201E;Die<lb/>
Dienste der Frohne Leistenden werden freilich von oben herab bezahlt, für Trans¬<lb/>
port durch die Wüste z. V. bekommt der Kameeltreiber die laufenden Mittelpreise;<lb/>
die Bauern aber, die von Zeit zu Zeit in Masse zu öffentlichen Bauten auf¬<lb/>
geboten und fortgeschleppt werden, behaupten, sie bekämen nichts oder nur wenig<lb/>
vou der Bezahlung, die durch die Hände der Beamten und Dorfvvrstehcr<lb/>
geht."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_373" next="#ID_374"> In Betreff der ägyptischen Armee entnehmen wir den &#x201E;Politischen Gesell¬<lb/>
schaftsblättern" (Heft vom 8. Juni) einige Notizen, die wir mit ein paar Zu¬<lb/>
sätzen aus anderer Quelle begleiten. Nachdem Ägypten unter Mehemed Ali ein<lb/>
sehr starkes Heer besessen hatte, ließen die beiden nachfolgenden Vizekönige die<lb/>
militärischen Einrichtungen verfallen, so daß man 1863 kaum zehntausend Manu<lb/>
aufstellen konnte. Unter Ismail Pascha wurde es wieder besser, und jetzt besitzt<lb/>
Ägypten um regulären Truppen 16 Regimenter Linieninfanterie zu 4 Bataillone»,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0116] Ägypten und die heutigen Ägypter. stände ist und auch jetzt nicht gleich zahlen will, wird mit dem Kurbadsch be¬ handelt. Dieses Instrument spielt, obwohl gesetzlich abgeschafft, in solchen Zeiten bis in die Nacht hinein, und das .Korn, das der Bauer jetzt verkaufen mich, um seine Steuerpflicht zu erfüllen, sinkt zum Besten der Getreidewucherer für einige Tage bedeutend im Preise. . . Auch die Beamten haben an den Stants- laste» reichlich mitzutragen. Ihre Besoldung ist in den niedern Grade» äußerst gering und steht in gar keinem Verhältnisse zu dem seit zwanzig Jahren außer¬ ordentlich gestiegenen Preise der Lebensmittel, der Ägypten zu den teuersten Ländern der Erde macht. . . Ein Spitnldiener z. B. bekommt monatlich 100,. ein gewöhnlicher Schreiber 200 bis 400, ein Arzt, ein Architekt niedern Grades 500 Piaster; dann aber geht es rasch hinauf, sodaß ein Mudir 4 bis 5000, ein Pascha 7500 bis 10 000 Piaster monatlich bezieht. . . Neuerdings ist zu demi oben angeführten Abgaben noch eine Kopfsteuer getreten, welche auch von den Beamten entrichtet wird, indem man ihnen von jedem Monatsgehalte den Betrag eines Tages abzieht. Die Kupfersteuer, die früher in der Weise erhoben wurde, daß man ihnen ein Zehntel ihrer Gage in fast wertlosen Kupfergelde aushändigte, statt in Silber, ist seit einiger Zeit beseitigt. Bisweilen wird auch der Versuch gemacht, die Zahl der Beamten zu verringern, und die entbehrlich erscheinenden werden dann einfach mit Anwartschaft ans die nächste erledigte Stelle entlassen. Nur die Türken erhalten in solchen Fällen oft durch Zu¬ weisung von Ländereien eine Entschädigung. Diese Maßregeln sind übrigens mehr unpolitisch als grausam; denn der Beamte hat sich in der Zeit seiner Amtsthätigkeit schon darauf vorgesehen; gilt es doch als eine allgemeine Regel, daß die Besoldung zur Gründung eines Sparsonds da sei, während die laufenden Bedürfnisse »von außen« zu bestreiten seien." Über die Frohndienste, die neben den Steuern auf den Fellahin und einem Teile der südlichen Beduinen lasten, bemerkt unser Gewährsmann, nachdem er gesagt, sie seien zwar feierlich abgeschafft, blühten aber in der Praxis fort: „Die Dienste der Frohne Leistenden werden freilich von oben herab bezahlt, für Trans¬ port durch die Wüste z. V. bekommt der Kameeltreiber die laufenden Mittelpreise; die Bauern aber, die von Zeit zu Zeit in Masse zu öffentlichen Bauten auf¬ geboten und fortgeschleppt werden, behaupten, sie bekämen nichts oder nur wenig vou der Bezahlung, die durch die Hände der Beamten und Dorfvvrstehcr geht." In Betreff der ägyptischen Armee entnehmen wir den „Politischen Gesell¬ schaftsblättern" (Heft vom 8. Juni) einige Notizen, die wir mit ein paar Zu¬ sätzen aus anderer Quelle begleiten. Nachdem Ägypten unter Mehemed Ali ein sehr starkes Heer besessen hatte, ließen die beiden nachfolgenden Vizekönige die militärischen Einrichtungen verfallen, so daß man 1863 kaum zehntausend Manu aufstellen konnte. Unter Ismail Pascha wurde es wieder besser, und jetzt besitzt Ägypten um regulären Truppen 16 Regimenter Linieninfanterie zu 4 Bataillone»,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/116
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/116>, abgerufen am 26.08.2024.