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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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rend andre als reiche Bankiers oder Juweliere in den Städten ansässig sind.
Man trifft unter ihnen sehr begabte Leute, und namentlich zeichnen sich viele
durch Gewandtheit im Erlernen fremder Sprachen aus, die sie sich oft sehr
gründlich anzueignen wissen. Die Juden Ägyptens sind ans Kairo, Alexandrien
und die Städte am Suezkanale beschränkt, wo etwa 30 000 von ihnen ange¬
siedelt sind. Ihr Grundstock besteht aus Sephardim, d. h. Nachkommen der
einst ans Spanien vertriebenen Jsraeliten, und die Mehrzahl spricht noch jetzt
ein verdorbenes Spanisch. In der neuesten Zeit sind Juden ans andern Län¬
dern des Mittelmeerbeckens sowie solche aus Rumänien hinzugekommen. Auf¬
fallend ist, daß man unter ihnen hänfig roten Haaren begegnet. Alle Geld¬
wechsler (Saras) der Straße sind Juden. Mehrere haben als Kaufleute und
Lieferanten der Regierung großen Reichtum erworben. Das Volk haßt und
verachtet sie wie allenthalben im Morgenlande.

Die Gesammtzahl der in Äygpten wohnhaften Europäer veranschlagte
Schweinfurth 1877 auf ungefähr hunderttausend. Derselbe bemerkt über dieses
uach den letzten Nachrichten aus Alexandrien besonders interessante Element der
ägyptischen Bevölkerung: "Der Zahl nach, in welcher die einzelnen Nationen
vertreten sind, würde sich folgende Stufenreihe ergeben: Griechen, Italiener,
Franzosen, Engländer (mit Einschluß der Malteser), Österreicher (darunter viele
Dalmatiner) und Angehörige des deutschen Reiches. Die Proportion würde nach¬
stehende Reihe bilden: 50, 25, 12, 8, 4 und 1 Prozent der europäische" Be¬
völkerung.*) Russen, Amerikaner, Belgier und Skandinavier sind nur schwach
vertreten. Die zahlreichen Schweizer, welche durch kein Konsulat repräsentirt
werden, schalten sich in die aufgezählten Klassen ein. Bedenkliche Dimensionen
beginnt seit einigen Jahren die italienische Einwanderung anzunehmen, welche
hauptsächlich in Alexandrien aus den neapolitanischen Provinzen einströmt sunt,
wie wir hinzufügen, ebenso wie die Immigration aus Malta dein Lande viel
Gesindel und wenig ganz reinliche Charaktere zuführt!. Eine jede der sechs hier
genannten Nationalitäten hat sich in Ägypten ans gewisse Erwerbszweige ge¬
worfen, welche sie sich mit Vorliebe und oft mit Ausschließung jeder andern
Konkurrenz anzueignen wußte. Die Griechen haben das Handelsfach der höchsten
und zugleich der niedrigsten Klasse. Sie sind die Matadore von Alexandrien,
dessen Juno volöv eine ausschließlich griechische ist. Auf der andern Seite sind
fast alle Viktualienhaudlnngen fauch mit wenigen Ausnahmen die Wein- und
Schnapsschenken ganz Ägyptens^ in den größern und kleiner"? Städten in den
Händen von Griechen. Die Hellenen sind überhaupt die einzigen Europäer,
welche sich außerhalb der engern Grenzen Ägyptens, also bis Chnrtum strom¬
aufwärts, als Kaufleute aller Art festzusetzen wußten, und in ihrer Hand befindet



*) Aus andrer und noch zuverlässigerer Quelle wissen wir, daß die Franzosen jette nicht
12, sondern 14, die Engländer nicht 8, sondern nur Prozent ausmachen.

rend andre als reiche Bankiers oder Juweliere in den Städten ansässig sind.
Man trifft unter ihnen sehr begabte Leute, und namentlich zeichnen sich viele
durch Gewandtheit im Erlernen fremder Sprachen aus, die sie sich oft sehr
gründlich anzueignen wissen. Die Juden Ägyptens sind ans Kairo, Alexandrien
und die Städte am Suezkanale beschränkt, wo etwa 30 000 von ihnen ange¬
siedelt sind. Ihr Grundstock besteht aus Sephardim, d. h. Nachkommen der
einst ans Spanien vertriebenen Jsraeliten, und die Mehrzahl spricht noch jetzt
ein verdorbenes Spanisch. In der neuesten Zeit sind Juden ans andern Län¬
dern des Mittelmeerbeckens sowie solche aus Rumänien hinzugekommen. Auf¬
fallend ist, daß man unter ihnen hänfig roten Haaren begegnet. Alle Geld¬
wechsler (Saras) der Straße sind Juden. Mehrere haben als Kaufleute und
Lieferanten der Regierung großen Reichtum erworben. Das Volk haßt und
verachtet sie wie allenthalben im Morgenlande.

Die Gesammtzahl der in Äygpten wohnhaften Europäer veranschlagte
Schweinfurth 1877 auf ungefähr hunderttausend. Derselbe bemerkt über dieses
uach den letzten Nachrichten aus Alexandrien besonders interessante Element der
ägyptischen Bevölkerung: „Der Zahl nach, in welcher die einzelnen Nationen
vertreten sind, würde sich folgende Stufenreihe ergeben: Griechen, Italiener,
Franzosen, Engländer (mit Einschluß der Malteser), Österreicher (darunter viele
Dalmatiner) und Angehörige des deutschen Reiches. Die Proportion würde nach¬
stehende Reihe bilden: 50, 25, 12, 8, 4 und 1 Prozent der europäische« Be¬
völkerung.*) Russen, Amerikaner, Belgier und Skandinavier sind nur schwach
vertreten. Die zahlreichen Schweizer, welche durch kein Konsulat repräsentirt
werden, schalten sich in die aufgezählten Klassen ein. Bedenkliche Dimensionen
beginnt seit einigen Jahren die italienische Einwanderung anzunehmen, welche
hauptsächlich in Alexandrien aus den neapolitanischen Provinzen einströmt sunt,
wie wir hinzufügen, ebenso wie die Immigration aus Malta dein Lande viel
Gesindel und wenig ganz reinliche Charaktere zuführt!. Eine jede der sechs hier
genannten Nationalitäten hat sich in Ägypten ans gewisse Erwerbszweige ge¬
worfen, welche sie sich mit Vorliebe und oft mit Ausschließung jeder andern
Konkurrenz anzueignen wußte. Die Griechen haben das Handelsfach der höchsten
und zugleich der niedrigsten Klasse. Sie sind die Matadore von Alexandrien,
dessen Juno volöv eine ausschließlich griechische ist. Auf der andern Seite sind
fast alle Viktualienhaudlnngen fauch mit wenigen Ausnahmen die Wein- und
Schnapsschenken ganz Ägyptens^ in den größern und kleiner»? Städten in den
Händen von Griechen. Die Hellenen sind überhaupt die einzigen Europäer,
welche sich außerhalb der engern Grenzen Ägyptens, also bis Chnrtum strom¬
aufwärts, als Kaufleute aller Art festzusetzen wußten, und in ihrer Hand befindet



*) Aus andrer und noch zuverlässigerer Quelle wissen wir, daß die Franzosen jette nicht
12, sondern 14, die Engländer nicht 8, sondern nur Prozent ausmachen.
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[0111] rend andre als reiche Bankiers oder Juweliere in den Städten ansässig sind. Man trifft unter ihnen sehr begabte Leute, und namentlich zeichnen sich viele durch Gewandtheit im Erlernen fremder Sprachen aus, die sie sich oft sehr gründlich anzueignen wissen. Die Juden Ägyptens sind ans Kairo, Alexandrien und die Städte am Suezkanale beschränkt, wo etwa 30 000 von ihnen ange¬ siedelt sind. Ihr Grundstock besteht aus Sephardim, d. h. Nachkommen der einst ans Spanien vertriebenen Jsraeliten, und die Mehrzahl spricht noch jetzt ein verdorbenes Spanisch. In der neuesten Zeit sind Juden ans andern Län¬ dern des Mittelmeerbeckens sowie solche aus Rumänien hinzugekommen. Auf¬ fallend ist, daß man unter ihnen hänfig roten Haaren begegnet. Alle Geld¬ wechsler (Saras) der Straße sind Juden. Mehrere haben als Kaufleute und Lieferanten der Regierung großen Reichtum erworben. Das Volk haßt und verachtet sie wie allenthalben im Morgenlande. Die Gesammtzahl der in Äygpten wohnhaften Europäer veranschlagte Schweinfurth 1877 auf ungefähr hunderttausend. Derselbe bemerkt über dieses uach den letzten Nachrichten aus Alexandrien besonders interessante Element der ägyptischen Bevölkerung: „Der Zahl nach, in welcher die einzelnen Nationen vertreten sind, würde sich folgende Stufenreihe ergeben: Griechen, Italiener, Franzosen, Engländer (mit Einschluß der Malteser), Österreicher (darunter viele Dalmatiner) und Angehörige des deutschen Reiches. Die Proportion würde nach¬ stehende Reihe bilden: 50, 25, 12, 8, 4 und 1 Prozent der europäische« Be¬ völkerung.*) Russen, Amerikaner, Belgier und Skandinavier sind nur schwach vertreten. Die zahlreichen Schweizer, welche durch kein Konsulat repräsentirt werden, schalten sich in die aufgezählten Klassen ein. Bedenkliche Dimensionen beginnt seit einigen Jahren die italienische Einwanderung anzunehmen, welche hauptsächlich in Alexandrien aus den neapolitanischen Provinzen einströmt sunt, wie wir hinzufügen, ebenso wie die Immigration aus Malta dein Lande viel Gesindel und wenig ganz reinliche Charaktere zuführt!. Eine jede der sechs hier genannten Nationalitäten hat sich in Ägypten ans gewisse Erwerbszweige ge¬ worfen, welche sie sich mit Vorliebe und oft mit Ausschließung jeder andern Konkurrenz anzueignen wußte. Die Griechen haben das Handelsfach der höchsten und zugleich der niedrigsten Klasse. Sie sind die Matadore von Alexandrien, dessen Juno volöv eine ausschließlich griechische ist. Auf der andern Seite sind fast alle Viktualienhaudlnngen fauch mit wenigen Ausnahmen die Wein- und Schnapsschenken ganz Ägyptens^ in den größern und kleiner»? Städten in den Händen von Griechen. Die Hellenen sind überhaupt die einzigen Europäer, welche sich außerhalb der engern Grenzen Ägyptens, also bis Chnrtum strom¬ aufwärts, als Kaufleute aller Art festzusetzen wußten, und in ihrer Hand befindet *) Aus andrer und noch zuverlässigerer Quelle wissen wir, daß die Franzosen jette nicht 12, sondern 14, die Engländer nicht 8, sondern nur Prozent ausmachen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/111>, abgerufen am 02.10.2024.