Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Ethnologie und Lebl?, sie nicht ignoriren kann, aber doch gar zu häufig nur in einseitig metaphysischer Ethnologie und Lebl?, sie nicht ignoriren kann, aber doch gar zu häufig nur in einseitig metaphysischer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0077" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150799"/> <fw type="header" place="top"> Ethnologie und Lebl?,</fw><lb/> <p xml:id="ID_211" prev="#ID_210" next="#ID_212"> sie nicht ignoriren kann, aber doch gar zu häufig nur in einseitig metaphysischer<lb/> Weise gruppirt. Zwischen diesen beiden erbitterten Gegnern eine Fülle von<lb/> mehr oder minder scharf charakterisirten Factoren, die das ihrige dazu beitrage»,<lb/> den epigonenhaften und andrerseits von chaotischen Ideen fieberhaft erregten Zu¬<lb/> stand des philosophischen Denkens zu vermehren. Eine Strömung aber, die<lb/> täglich an Boden zu gewinnen scheint, verdient es besonders, aus dieser bunten<lb/> Musterkarte herausgehoben zu werden, der Monismus. Nachdem vor allem<lb/> die physiologischen Untersuchungen die Abhängigkeit unseres psychischen Ver¬<lb/> haltens von ganz allgemein wirksamen Gesehen gelehrt hatten, fragte es sich für<lb/> den erkenntnißtheoretischen Standpunkt, inwiefern jene naturwissenschaftlichen<lb/> Vorstellungen sich als Anhaltepunkte für die Reorganisation einer neuen Welt¬<lb/> anschauung verwenden ließen. Die letzte, dem Experiment und der Vergleichung<lb/> erreichbare Thatsache auf dem Gebiete der Psychologie war die stetige und un¬<lb/> ausbleibliche Correspondenz der Bewegung und Empfindung in jedem lebendigen<lb/> Wesen. Aber eben dieses unerschütterliche Factum gab schon zu den heftigsten<lb/> Differenzen Anlaß. Denn mit der Constatirung jenes Zusammenseins der er¬<lb/> wähnten Eigenschaften glaubte eine enthusiastische, namentlich darwinistischen Ein¬<lb/> flüssen gehorchende Denkart den Stein der Weisen gefunden zu haben und der<lb/> Welt die endliche Lösung Jahrhunderte lang vergeblich erprobter Probleme ver¬<lb/> künden zu können. Mit beredter Sprache, fast mit dichterischem Schwunge hat<lb/> namentlich Ludwig Noirv in verschiednen Schriften diesem Gedanken einen Aus-<lb/> druck verliehen, und wir glauben gern, daß seine Aeußerung: „Mit Freuden habe<lb/> ich von tüchtigen Denkern vernommen, welche Klarheit meine Definition in ihren<lb/> Köpfen geschaffen und wie sie erst jetzt die großen Verdienste Kants recht zu<lb/> würdigen verstünden" (Monistische Erkenntuißtheorie, S. 12), durchaus kein<lb/> fades Selbstlob involvirt. Was kann nämlich einfacher und verständlicher sein,<lb/> als diese Theorie? Lassen wir Noiro selbst für sich sprechen: „Empfinden und<lb/> Bewegen, Geist und Materie, Wille und Kraft sind alle nur Abstractionen,<lb/> deren Hypvstasirnng die Ursache unendlichen Irrthums ist. Sie find stets ver¬<lb/> einigt in einem Monon und bezeichnen dessen innere und äußere Eigenschaft.<lb/> Hier zuerst ist der uralte Streit zwischen Idealismus und Realismus ausge¬<lb/> glichen. Die Erscheinung ist nicht mehr bloßer Schein; denn sie geht mit Noth¬<lb/> wendigkeit ans der innern Eigenschaft der Dinge hervor. Wir können diese<lb/> innere Eigenschaft zwar nicht messen, wägen, berechnen — sie ist transcendere —<lb/> aber wir können sie mitempfinden; denn es giebt nur einen Geist in der Welt,<lb/> wie es auch nur einen Stoff giebt." (Ehb.) Alles scheinbar in bester Conse-<lb/> quenz, und doch eben nur scheinbar; denn es ist ein leicht verständlicher Irr¬<lb/> thum, mit jener Hervorhebung der stetigen Vereinigung von Empfindung und<lb/> Bewegung in einem Monon eine wirkliche Erklärung für diese Erscheinung ge¬<lb/> schaffen zu haben. Was auf Grund der sorgfältigsten physiologischen und Psycho¬<lb/> logischen Forschungen gefunden worden, das ist eben jene Thatsache, daß der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0077]
Ethnologie und Lebl?,
sie nicht ignoriren kann, aber doch gar zu häufig nur in einseitig metaphysischer
Weise gruppirt. Zwischen diesen beiden erbitterten Gegnern eine Fülle von
mehr oder minder scharf charakterisirten Factoren, die das ihrige dazu beitrage»,
den epigonenhaften und andrerseits von chaotischen Ideen fieberhaft erregten Zu¬
stand des philosophischen Denkens zu vermehren. Eine Strömung aber, die
täglich an Boden zu gewinnen scheint, verdient es besonders, aus dieser bunten
Musterkarte herausgehoben zu werden, der Monismus. Nachdem vor allem
die physiologischen Untersuchungen die Abhängigkeit unseres psychischen Ver¬
haltens von ganz allgemein wirksamen Gesehen gelehrt hatten, fragte es sich für
den erkenntnißtheoretischen Standpunkt, inwiefern jene naturwissenschaftlichen
Vorstellungen sich als Anhaltepunkte für die Reorganisation einer neuen Welt¬
anschauung verwenden ließen. Die letzte, dem Experiment und der Vergleichung
erreichbare Thatsache auf dem Gebiete der Psychologie war die stetige und un¬
ausbleibliche Correspondenz der Bewegung und Empfindung in jedem lebendigen
Wesen. Aber eben dieses unerschütterliche Factum gab schon zu den heftigsten
Differenzen Anlaß. Denn mit der Constatirung jenes Zusammenseins der er¬
wähnten Eigenschaften glaubte eine enthusiastische, namentlich darwinistischen Ein¬
flüssen gehorchende Denkart den Stein der Weisen gefunden zu haben und der
Welt die endliche Lösung Jahrhunderte lang vergeblich erprobter Probleme ver¬
künden zu können. Mit beredter Sprache, fast mit dichterischem Schwunge hat
namentlich Ludwig Noirv in verschiednen Schriften diesem Gedanken einen Aus-
druck verliehen, und wir glauben gern, daß seine Aeußerung: „Mit Freuden habe
ich von tüchtigen Denkern vernommen, welche Klarheit meine Definition in ihren
Köpfen geschaffen und wie sie erst jetzt die großen Verdienste Kants recht zu
würdigen verstünden" (Monistische Erkenntuißtheorie, S. 12), durchaus kein
fades Selbstlob involvirt. Was kann nämlich einfacher und verständlicher sein,
als diese Theorie? Lassen wir Noiro selbst für sich sprechen: „Empfinden und
Bewegen, Geist und Materie, Wille und Kraft sind alle nur Abstractionen,
deren Hypvstasirnng die Ursache unendlichen Irrthums ist. Sie find stets ver¬
einigt in einem Monon und bezeichnen dessen innere und äußere Eigenschaft.
Hier zuerst ist der uralte Streit zwischen Idealismus und Realismus ausge¬
glichen. Die Erscheinung ist nicht mehr bloßer Schein; denn sie geht mit Noth¬
wendigkeit ans der innern Eigenschaft der Dinge hervor. Wir können diese
innere Eigenschaft zwar nicht messen, wägen, berechnen — sie ist transcendere —
aber wir können sie mitempfinden; denn es giebt nur einen Geist in der Welt,
wie es auch nur einen Stoff giebt." (Ehb.) Alles scheinbar in bester Conse-
quenz, und doch eben nur scheinbar; denn es ist ein leicht verständlicher Irr¬
thum, mit jener Hervorhebung der stetigen Vereinigung von Empfindung und
Bewegung in einem Monon eine wirkliche Erklärung für diese Erscheinung ge¬
schaffen zu haben. Was auf Grund der sorgfältigsten physiologischen und Psycho¬
logischen Forschungen gefunden worden, das ist eben jene Thatsache, daß der
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