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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Handelsprivilogien.

so gut wie gar nicht besteuert ist. Der Arbeiter, insbesondre der Handwerker,
unterliegt im Wettkampfe mit der Maschine in vielen Fällen nur darum, weil
die Waffen in demselben künstlich noch in höherem Grade ungleich gemacht
werden, als sie ohnehin schon sind. Denn während die Maschine steuerfrei ist,
zahlt der Arbeiter - mau denke nur an die vielen indirecten Steuern und an
die Communalsteucrn! -- jährlich kaum jemals unter 50 Mark Steuern, in
vielen Fällen wesentlich mehr. Nun rcprcisentiren die in Deutschland im Be¬
triebe befindlichen Maschinen etwa 5 Millionen Pferdekräfte oder, da eine Pferde¬
kraft etwa der Arbeitsleistung von 24 Männern entspricht, 120 Millionen Ar¬
beitskräfte, Würden diese metallenen, mit Kohlen gespeisten Arbeiter auch nur
mit dem zehnten Theile der Steuer belastet, welche der aus Fleisch und Blut
gebildete Arbeiter zu tragen hat, so würde sich eine selbst für das Zeitalter der
Milliarden enorme Einnahme ergeben. Der um dieselbe Summe entlastete Mensch
könnte wieder ausathmen, der kleine Mann könnte wieder mit der Maschine con¬
curriren, und der Reiche würde in keiner Weise benachtheiligt.

Ob eine derartige Maßregel möglich ist (was ich übrigens an der ange¬
gebenen Stelle nachgewiesen zu haben glaube), haben wir hier nicht zu unter¬
suchen. Wir constatiren hier nur, daß die einzigen Erwerbszweige, welche aus
dieser unzweckmäßigen Steuervertheilung Gewinn ziehen, der auswärtige Handel
und die Großindustrie sind. Der einzige schwieriger zu widerlegende EinWurf,
welcher sich gegen die Besteuerung der Maschinen erheben ließe, ist der, daß
unsre Maschine alsdann im Auslande mit der englischen, der belgischen, der
französischen u. s. w. nicht mehr würde concurriren können. Lassen wir diesen
Einwand vorläufig gelten, so ergiebt sich gerade das, was wir zeigen wollten.
Damit einzelne Großindustrielle, sowie einige tausend Zwischenhändler gewinnen
und damit wir den Neuseeländern unsre Artikel um wenige Pfennige billiger
liefern können als andre Nationen, darum muß die gesammte Steuerlast auf
denselben Schultern liegen bleiben, auf welchen sie früher gelegen hat, und welche
ohnehin schon unter der Concurrenz der Maschine so schwer zu leiden haben.
Lediglich im Interesse des auswärtigen Handels muß der Mensch immer schwerere
Lasten tragen, während das vorzüglichste Steuerobject der modernen Welt, die
Maschine, unbelastet bleibt.

Und das Merkwürdigste ist, daß sich alle andern Staaten im wesentlichen,
wenn auch in geringerem Grade, in derselben Lage befinden wie wir. Jeder
einzelne bringt für den auswärtigen Handel die ungeheuerlichsten Opfer, indem
er eine möglichst unzweckmäßige und drückende Art der Besteuerung aufrecht er¬
hält, ausschließlich dem Export zu Liebe.

In der angeführten Schrift habe ich auch schon gezeigt, wie unzweckmäßig
es ist, daß der Staat, der die nothwendigsten Lebensbedürfnisse besteuert, den
wichtigsten Luxusartikel der modernen Zeit, das Reisen, unbesteuert läßt, ja
sogar, da die Personenzüge vielfach die Selbstkosten nicht decken, auf dasselbe


Handelsprivilogien.

so gut wie gar nicht besteuert ist. Der Arbeiter, insbesondre der Handwerker,
unterliegt im Wettkampfe mit der Maschine in vielen Fällen nur darum, weil
die Waffen in demselben künstlich noch in höherem Grade ungleich gemacht
werden, als sie ohnehin schon sind. Denn während die Maschine steuerfrei ist,
zahlt der Arbeiter - mau denke nur an die vielen indirecten Steuern und an
die Communalsteucrn! — jährlich kaum jemals unter 50 Mark Steuern, in
vielen Fällen wesentlich mehr. Nun rcprcisentiren die in Deutschland im Be¬
triebe befindlichen Maschinen etwa 5 Millionen Pferdekräfte oder, da eine Pferde¬
kraft etwa der Arbeitsleistung von 24 Männern entspricht, 120 Millionen Ar¬
beitskräfte, Würden diese metallenen, mit Kohlen gespeisten Arbeiter auch nur
mit dem zehnten Theile der Steuer belastet, welche der aus Fleisch und Blut
gebildete Arbeiter zu tragen hat, so würde sich eine selbst für das Zeitalter der
Milliarden enorme Einnahme ergeben. Der um dieselbe Summe entlastete Mensch
könnte wieder ausathmen, der kleine Mann könnte wieder mit der Maschine con¬
curriren, und der Reiche würde in keiner Weise benachtheiligt.

Ob eine derartige Maßregel möglich ist (was ich übrigens an der ange¬
gebenen Stelle nachgewiesen zu haben glaube), haben wir hier nicht zu unter¬
suchen. Wir constatiren hier nur, daß die einzigen Erwerbszweige, welche aus
dieser unzweckmäßigen Steuervertheilung Gewinn ziehen, der auswärtige Handel
und die Großindustrie sind. Der einzige schwieriger zu widerlegende EinWurf,
welcher sich gegen die Besteuerung der Maschinen erheben ließe, ist der, daß
unsre Maschine alsdann im Auslande mit der englischen, der belgischen, der
französischen u. s. w. nicht mehr würde concurriren können. Lassen wir diesen
Einwand vorläufig gelten, so ergiebt sich gerade das, was wir zeigen wollten.
Damit einzelne Großindustrielle, sowie einige tausend Zwischenhändler gewinnen
und damit wir den Neuseeländern unsre Artikel um wenige Pfennige billiger
liefern können als andre Nationen, darum muß die gesammte Steuerlast auf
denselben Schultern liegen bleiben, auf welchen sie früher gelegen hat, und welche
ohnehin schon unter der Concurrenz der Maschine so schwer zu leiden haben.
Lediglich im Interesse des auswärtigen Handels muß der Mensch immer schwerere
Lasten tragen, während das vorzüglichste Steuerobject der modernen Welt, die
Maschine, unbelastet bleibt.

Und das Merkwürdigste ist, daß sich alle andern Staaten im wesentlichen,
wenn auch in geringerem Grade, in derselben Lage befinden wie wir. Jeder
einzelne bringt für den auswärtigen Handel die ungeheuerlichsten Opfer, indem
er eine möglichst unzweckmäßige und drückende Art der Besteuerung aufrecht er¬
hält, ausschließlich dem Export zu Liebe.

In der angeführten Schrift habe ich auch schon gezeigt, wie unzweckmäßig
es ist, daß der Staat, der die nothwendigsten Lebensbedürfnisse besteuert, den
wichtigsten Luxusartikel der modernen Zeit, das Reisen, unbesteuert läßt, ja
sogar, da die Personenzüge vielfach die Selbstkosten nicht decken, auf dasselbe


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[0550] Handelsprivilogien. so gut wie gar nicht besteuert ist. Der Arbeiter, insbesondre der Handwerker, unterliegt im Wettkampfe mit der Maschine in vielen Fällen nur darum, weil die Waffen in demselben künstlich noch in höherem Grade ungleich gemacht werden, als sie ohnehin schon sind. Denn während die Maschine steuerfrei ist, zahlt der Arbeiter - mau denke nur an die vielen indirecten Steuern und an die Communalsteucrn! — jährlich kaum jemals unter 50 Mark Steuern, in vielen Fällen wesentlich mehr. Nun rcprcisentiren die in Deutschland im Be¬ triebe befindlichen Maschinen etwa 5 Millionen Pferdekräfte oder, da eine Pferde¬ kraft etwa der Arbeitsleistung von 24 Männern entspricht, 120 Millionen Ar¬ beitskräfte, Würden diese metallenen, mit Kohlen gespeisten Arbeiter auch nur mit dem zehnten Theile der Steuer belastet, welche der aus Fleisch und Blut gebildete Arbeiter zu tragen hat, so würde sich eine selbst für das Zeitalter der Milliarden enorme Einnahme ergeben. Der um dieselbe Summe entlastete Mensch könnte wieder ausathmen, der kleine Mann könnte wieder mit der Maschine con¬ curriren, und der Reiche würde in keiner Weise benachtheiligt. Ob eine derartige Maßregel möglich ist (was ich übrigens an der ange¬ gebenen Stelle nachgewiesen zu haben glaube), haben wir hier nicht zu unter¬ suchen. Wir constatiren hier nur, daß die einzigen Erwerbszweige, welche aus dieser unzweckmäßigen Steuervertheilung Gewinn ziehen, der auswärtige Handel und die Großindustrie sind. Der einzige schwieriger zu widerlegende EinWurf, welcher sich gegen die Besteuerung der Maschinen erheben ließe, ist der, daß unsre Maschine alsdann im Auslande mit der englischen, der belgischen, der französischen u. s. w. nicht mehr würde concurriren können. Lassen wir diesen Einwand vorläufig gelten, so ergiebt sich gerade das, was wir zeigen wollten. Damit einzelne Großindustrielle, sowie einige tausend Zwischenhändler gewinnen und damit wir den Neuseeländern unsre Artikel um wenige Pfennige billiger liefern können als andre Nationen, darum muß die gesammte Steuerlast auf denselben Schultern liegen bleiben, auf welchen sie früher gelegen hat, und welche ohnehin schon unter der Concurrenz der Maschine so schwer zu leiden haben. Lediglich im Interesse des auswärtigen Handels muß der Mensch immer schwerere Lasten tragen, während das vorzüglichste Steuerobject der modernen Welt, die Maschine, unbelastet bleibt. Und das Merkwürdigste ist, daß sich alle andern Staaten im wesentlichen, wenn auch in geringerem Grade, in derselben Lage befinden wie wir. Jeder einzelne bringt für den auswärtigen Handel die ungeheuerlichsten Opfer, indem er eine möglichst unzweckmäßige und drückende Art der Besteuerung aufrecht er¬ hält, ausschließlich dem Export zu Liebe. In der angeführten Schrift habe ich auch schon gezeigt, wie unzweckmäßig es ist, daß der Staat, der die nothwendigsten Lebensbedürfnisse besteuert, den wichtigsten Luxusartikel der modernen Zeit, das Reisen, unbesteuert läßt, ja sogar, da die Personenzüge vielfach die Selbstkosten nicht decken, auf dasselbe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/550>, abgerufen am 15.01.2025.