Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.mals als jugendlichen Monarchen freilich anders vorstellen muß, als wie sein Nach dein "Don Juan" schrieb Moliörc kein Stück mehr, das in ähnlicher Noch während der Tartüsfestreitigkeitcn hatte er aber sein eignes, durch mals als jugendlichen Monarchen freilich anders vorstellen muß, als wie sein Nach dein „Don Juan" schrieb Moliörc kein Stück mehr, das in ähnlicher Noch während der Tartüsfestreitigkeitcn hatte er aber sein eignes, durch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151234"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1673" prev="#ID_1672"> mals als jugendlichen Monarchen freilich anders vorstellen muß, als wie sein<lb/> Bild ans späterer Zeit in dem Gedenken der Nachwelt hafte» geblieben ist.<lb/> Sein Schutz war dem Dichter sicher und auch nothwendig. Ging doch nach<lb/> der Aufführung des „Don Juan" die Unduldsamkeit eines Pamphletschreibers<lb/> so weit, Mvlivre für würdig des Feuertodes der Inquisition zu erklären, den<lb/> schon früher alles Ernstes ein fanatischer Geistlicher für den Autor des „Tar-<lb/> tüffe" gefordert hatte. Später, als Frau von Maiutenon das Regiment führte,<lb/> wäre diese Anklage schon gefährlicher gewesen. Auch der „Don Juan" mußte,<lb/> selbst nachdem einige der anstößigsten Stellen entfernt worden waren, nach einer<lb/> Reihe von Ausführungen von der Bühne verschwinden und erschien bei Moliörcs<lb/> Lebzeiten nicht wieder; ja noch die erste nach des Dichters Tode erschienene<lb/> Drnckausgabe desselben dürfte erst Passiren, nachdem ein paar Blätter durch<lb/> andre ersetzt worden waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1674"> Nach dein „Don Juan" schrieb Moliörc kein Stück mehr, das in ähnlicher<lb/> Weise die Opposition der Gegner in die Schranken gefordert hätte. Der Spie߬<lb/> bürger und Provinzler, den er in mehreren spätern Possen, dem „George Daudin,"<lb/> dem „Poureeauguac" und den? „Bürger als Edelmann," in seinen Schatten¬<lb/> seiten darstellte, dachte nicht daran, sich zu wehren. In dem einer Posse des<lb/> Plautus nachgebildeten, aber mehr ins düstere gezogenen „Geizigen" zeichnete<lb/> der Dichter keinen Stand, keine Gesellschaftsklasse, sondern ein allgemeines Laster,<lb/> wenn auch in der Charaktcrgestalt eines einzelnen verkörpert, und auch als er<lb/> gegen das Ende seines Lebens in den „Gelehrten Frauen" ein den Preciosen<lb/> verwandtes Thema berührte, hielt er es so allgemein — abgesehen von den<lb/> beiden köstlichen gelehrten Pedanten, in denen man das Porträt zweier damals<lb/> lebenden Schöngeister hat finden wollen —, daß er auch mit diesem Stücke<lb/> nicht anstieß, Molivre war entschieden durch die langjährigen Kämpfe ermüdet,<lb/> wenn er anch schließlich mit der Erlaubniß, den „Tartüffe" aufzuführen, den<lb/> Sieg errungen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1675"> Noch während der Tartüsfestreitigkeitcn hatte er aber sein eignes, durch<lb/> alle diese Mißhelligkeiten, sowie durch häusliches Ungemach schwer bekümmertes<lb/> Herz in einer großen und wohl seiner bedeutendsten Schöpfung erleichtert —<lb/> dem „Misanthropen," Die Beziehung des Stückes ans die damalige Stim-<lb/> mung des Dichters ist gar nicht in Abrede zu stellen, sowenig wie in den beiden<lb/> ältern Stücken, der „Schule der Ehemänner" und der „Schule der Frauen",<lb/> eine ähnliche Expcetvration zu verkennen ist. Es ist Paul Lindaus Verdienst,<lb/> dies genauer nachgewiesen zu haben. Hatten schon in früherer Zeit MolivreS<lb/> Liebeszwistigkciten zwischen den drei Grazien seines Theaters ihren Wiederhall<lb/> in dem Doxit iunom'onx gefunden, so spiegeln die drei vorgenannten Stücke in<lb/> verschiedenen Stadien sein Seelenleben in dem Verhältniß zu seiner Fran wieder,<lb/> jenem unglückseligen Bündnis; des vierzigjährigen Mannes mit einem neunzehnjäh-<lb/> rigen Mädchen, welches das letzte Jahrzehnt eines so reichen DichterlcbciiS vergiftete.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0512]
mals als jugendlichen Monarchen freilich anders vorstellen muß, als wie sein
Bild ans späterer Zeit in dem Gedenken der Nachwelt hafte» geblieben ist.
Sein Schutz war dem Dichter sicher und auch nothwendig. Ging doch nach
der Aufführung des „Don Juan" die Unduldsamkeit eines Pamphletschreibers
so weit, Mvlivre für würdig des Feuertodes der Inquisition zu erklären, den
schon früher alles Ernstes ein fanatischer Geistlicher für den Autor des „Tar-
tüffe" gefordert hatte. Später, als Frau von Maiutenon das Regiment führte,
wäre diese Anklage schon gefährlicher gewesen. Auch der „Don Juan" mußte,
selbst nachdem einige der anstößigsten Stellen entfernt worden waren, nach einer
Reihe von Ausführungen von der Bühne verschwinden und erschien bei Moliörcs
Lebzeiten nicht wieder; ja noch die erste nach des Dichters Tode erschienene
Drnckausgabe desselben dürfte erst Passiren, nachdem ein paar Blätter durch
andre ersetzt worden waren.
Nach dein „Don Juan" schrieb Moliörc kein Stück mehr, das in ähnlicher
Weise die Opposition der Gegner in die Schranken gefordert hätte. Der Spie߬
bürger und Provinzler, den er in mehreren spätern Possen, dem „George Daudin,"
dem „Poureeauguac" und den? „Bürger als Edelmann," in seinen Schatten¬
seiten darstellte, dachte nicht daran, sich zu wehren. In dem einer Posse des
Plautus nachgebildeten, aber mehr ins düstere gezogenen „Geizigen" zeichnete
der Dichter keinen Stand, keine Gesellschaftsklasse, sondern ein allgemeines Laster,
wenn auch in der Charaktcrgestalt eines einzelnen verkörpert, und auch als er
gegen das Ende seines Lebens in den „Gelehrten Frauen" ein den Preciosen
verwandtes Thema berührte, hielt er es so allgemein — abgesehen von den
beiden köstlichen gelehrten Pedanten, in denen man das Porträt zweier damals
lebenden Schöngeister hat finden wollen —, daß er auch mit diesem Stücke
nicht anstieß, Molivre war entschieden durch die langjährigen Kämpfe ermüdet,
wenn er anch schließlich mit der Erlaubniß, den „Tartüffe" aufzuführen, den
Sieg errungen hatte.
Noch während der Tartüsfestreitigkeitcn hatte er aber sein eignes, durch
alle diese Mißhelligkeiten, sowie durch häusliches Ungemach schwer bekümmertes
Herz in einer großen und wohl seiner bedeutendsten Schöpfung erleichtert —
dem „Misanthropen," Die Beziehung des Stückes ans die damalige Stim-
mung des Dichters ist gar nicht in Abrede zu stellen, sowenig wie in den beiden
ältern Stücken, der „Schule der Ehemänner" und der „Schule der Frauen",
eine ähnliche Expcetvration zu verkennen ist. Es ist Paul Lindaus Verdienst,
dies genauer nachgewiesen zu haben. Hatten schon in früherer Zeit MolivreS
Liebeszwistigkciten zwischen den drei Grazien seines Theaters ihren Wiederhall
in dem Doxit iunom'onx gefunden, so spiegeln die drei vorgenannten Stücke in
verschiedenen Stadien sein Seelenleben in dem Verhältniß zu seiner Fran wieder,
jenem unglückseligen Bündnis; des vierzigjährigen Mannes mit einem neunzehnjäh-
rigen Mädchen, welches das letzte Jahrzehnt eines so reichen DichterlcbciiS vergiftete.
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